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Urteil
Lebenslange Haft für Reichsbürger

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat einen 50-jährigen sogenannten Reichsbürger zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Verteidigung kündigte an, in Berufung gehen zu wollen. Dem Deutschlandfunk liegen aktuelle Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz vor, und demnach gehen die Behörden von 15.000 Reichsbürgern in Deutschland aus. 900 von ihnen gelten als Rechtsextreme.

    Eine Flagge mit dem Wappen der Reichsbürgergruppierung vom «Bundesstaat Bayern» weht am 07.02.2017 auf einem Wohnhaus in Pliening (Bayern). In dem Haus hat zuvor ein SEK-Einsatz gegen einen Reichsbürger stattgefunden.
    Eine Flagge mit dem Wappen der Reichsbürger-Gruppierung vom "Bundesstaat Bayern" (pa / dpa / Matthias Balk)
    Für die Richterin am Landgericht Nürnberg-Fürth ein klarer Fall: Wolfgang P. soll lebenslang ins Gefängnis - allerdings gab sie der Forderung der Staatsanwaltschaft nicht nach, auch eine besondere Schwere der Schuld festzustellen. Unter anderem begründete sie das damit, dass P. nicht vorbestraft sei. Dennoch zeigte sich das Gericht davon überzeugt, dass der Angeklagte mit voller Absicht und geplant gehandelt habe, als er am 19. Oktober 2016 bei einem Einsatz der Polizei in seinem Haus im mittelfränkischen Georgensmünd auf Beamte schoss.
    Fataler Polizeieinsatz
    Ein 32 Jahre alter Polizist starb, zwei weitere Einsatzkräfte wurden verletzt. Das Gericht wertete die Tat wie die Staatsanwaltschaft als Mord. Die Verteidiger hatten auf fahrlässige Tötung plädiert, was eine deutlich mildere Strafe bedeutet hätte. Sie kündigten an, in Berufung gehen zu wollen. Die Verteidiger bestritten, dass der 50-jährige sogenannte Reichsbürger aus Absicht getötet habe: Ihr Mandant habe geglaubt, sich gegen Einbrecher verteidigen zu müssen.
    Gewalt beim Pokern angekündigt
    Die Richterin sah es dagegen als erwiesen an, dass der Angeklagte mit Vorsatz handelte. Sie berief sich in ihrer Urteilsbegründung auf die Aussage eines Zeugen, nach der der Reichsbürger wenige Tage vor den Schüssen beim Pokern in einem FKK-Club sagte, er rechne mit einem Polizeieinsatz in seinem Haus. Dazu habe er dem Zeugen mit ausgestrecktem Zeigefinger gesagt: "Ein paar von denen nehme ich mit." Die Aussage des Manns sei absolut glaubwürdig. Das Gericht in Nürnberg ist außerdem davon überzeugt, dass dem Angeklagten absolut bewusst war, dass sich Polizisten und keine Einbrecher vor seiner Tür befanden. Er habe auch nicht blindwütig um sich geschossen, sondern ganz gezielt elf Schüsse abgegeben. Von diesen elf Schüssen sei laut Beweisaufnahme höchstens einer kein Treffer gewesen.
    Der Angeklagte sollte seine Waffen abgeben
    Bei dem Einsatz eines Spezialeinsatzkommandos sollten die rund 30 Waffen im Haus des Mannes beschlagnahmt werden, die er als Jäger besitzen durfte. Bei den Behörden galt der Mann aber als nicht mehr zuverlässig.
    Der Fall gilt als Wendepunkt im Umgang mit den sogenannten Reichsbürgern. Seither gab es bundesweit zahlreiche Razzien gegen Anhänger der Szene. Die in etliche Kleingruppen zersplitterten Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik und ihre Institutionen nicht an, für sie besteht das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 fort. Die Organe und Behörden der BRD lehnen sie ab und sie akzeptieren auch keine amtlichen Bescheide.
    15.000 Reichsbürger in Deutschland - Tendenz steigend
    Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht derzeit von rund 15.000 Reichsbürgern in Deutschland aus. Rund 900 von ihnen gelten als Rechtsextreme. Ein Sprecher sagte dem Deutschlandfunk, dies seien Zahlen von Ende September. Gegenüber der vorausgegangenen Erhebung im Mai ein deutlicher Anstieg: Damals lag die geschätzte Anzahl von Reichsbürgern bei 12.600. Davon hatten 700 nach Einschätzung der Verfassungsschützer rechtsextremes Potential.
    (tep)