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Urteil zum Sampling
"Die Schaffenskunst des Hip-Hop hat Respekt erhalten"

Das Bundesverfassungsgericht hat im Urheberrechtsfall um einen Kraftwerk-Song entschieden: Produzent Moses Pelham war mit seiner Klage gegen mehrere Urteile erfolgreich, die ihm das Kopieren verboten hatten. "Ein guter Tag für sampelnde Produzenten aus jedem Musikgenre", sagt Hip-Hop-Experte Falk Schacht.

Falk Schacht im Interview mit Fabian Elsäßer |
    Der Musikproduzent und Beschwerdeführer Moses Pelham wartet am 31.05.2016 im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Baden-Württemberg) auf die Urteilsverkündung in Sachen Sampling.
    Der Musikproduzent und Beschwerdeführer Moses Pelham wartet am 31.05.2016 im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Baden-Württemberg) auf die Urteilsverkündung Sachen Sampling. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    Fabian Elsäßer: Es ist ein endlos anmutender Rechtsstreit: Schon in den späten Neunzigern verklagten die Elektropioniere Kraftwerk den Hip-Hop Produzenten Moses Pelham, ehemals Rödelheim Hartreim Projekt. Es ging um einen winzigen Musikschnipsel: Pelham hatte ihn aus dem Kraftwerk-Song "Metall auf Metall" kopiert und als Sample in Sabrina Setlurs Titel "Nur mir" verwendet. Eine Grundlagentechnik im Hip-Hop, aber Kraftwerk sahen darin eine Verletzung von Urheber- oder zumindest Tonträgerherstellerrechten. Das ging jahrelang so durch die Instanzen und meistens zu Ungunsten von Pelham aus: Der reichte schließlich Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Und jetzt hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Kunstfreiheit in den bisherigen Urteilen nicht ausreichend berücksichtigt worden sei.
    Falk Schacht ist DJ, Hip-Hop-Journalist und Berater der Bundeszentrale für politische Bildung. Und mit ihm sind wir jetzt verbunden. Guten Tag.
    Falk Schacht: Guten Tag.
    Elsäßer: Herr Schacht, Moses Pelham hat sich schon geäußert, er sagte das sei ein für die Fortentwicklung der Kunst sehr, sehr wichtiges Urteil. Wie sehen Sie das?
    Schacht: Er hat vollkommen Recht damit, weil in höchst richterlicher Instanz die Schaffenskunst des Hip-Hop Respekt erhalten hat, die nun Mal aus Sampling in weiten Teilen besteht und bisher ist es in allen Gerichtsurteilen halt immer nicht berücksichtigt worden. Und das Bundesverfassungsgericht hat hier erstmals gesagt, dass wenn wir das jetzt so durchgehen lassen würden das Urteil - also bestätigen würden - wäre das ein Eingriff in die Kunstfreiheit für dieses spezielle Musikgenre, das man dann nicht mehr ausüben könnte und deswegen muss das nochmal neu entschieden werden und berücksichtigt werden.
    Elsäßer: Jetzt hat sich das ja sehr lange hingezogen und - ich gehe davon aus, dass Sie mit vielen Hip-Hop Künstlern gar in engem Kontakt stehen - haben Sie mitbekommen, dass das irgendwie, dieser sich lange hinziehende Rechtsstreit für eine Unsicherheit auch gesorgt hat was die Kulturtechnik Sampeln betrifft?
    Schacht: Ja, auf jeden Fall. Also es ist so, dass Produzenten sehr viel mit so 'urbanen Legenden' leben, die leider immer weiter getragen werden, so sechs Sekunden sampeln ist okay, das ist kein Problem und so. Das ist natürlich alles Quatsch. Und die, die sich dann ein bisschen mehr damit beschäftigen, sind natürlich von den Urteilen verunsichert gewesen, auch wie gegen Bushido und so weiter und so fort. Und eine rechtssichere Produktion zu erschaffen ist sehr teuer und kompliziert. Und das hat dazu geführt, dass manche Produzenten aufgehört haben zu sampeln und das ist dann tatsächlich also eine Art Eingriff in die Freiheit dieser Kunstausübung, die sie selber vorgenommen haben, weil sie Angst hatten. Und deswegen stimmt das eben, was ich schon in der Frage eins beantwortet habe, dass das der Kunstfreiheit für Hip-Hop auf jeden Fall wieder förderlich ist. Wobei man auch hinzusagen muss, dass es mit nicht eine, zwar im Hip-Hop sozusagen, eine entwickelte Technik, aber sie wird ja in jedem Musikgenre benutzt, also auch in der Popmusik wird gesampelt, und das wäre damit dann eben ein Problem geworden oder eben problematischer als jetzt.
    "Alte Klänge in die Jetzt-Zeit retten"
    Elsäßer: Und wie war das denn überhaupt geregelt, ich meine mich zu entsinnen wenn man jetzt einen Coversong macht, dann kann man wenn man den nicht großartig verändert, einfach so neu einspielen und entsprechend bekommt dann halt der ursprüngliche Urheber für diesen Song dann GEMA-, also eben Urheberrechte. Wie war das denn bisher beim Hip-Hop geregelt? Oder eben überhaupt bei diesen kleinen Schnipseln?
    Schacht: Die Regelung ist so, dass man mit allen Parteien einzelne Gespräche führen muss, da tauchen automatisch mehrere auf, das heißt: Eine Plattenfirma ist häufig beteiligt, ein Verlag, dann ist da noch ein Künstler. Und Sie hören jetzt schon, dass da auf jeden Fall viel bürokratischer Akt zu bewältigen ist, um ein Lied erlaubt, also legal, zu machen. Und wenn man eine Passage benutzt hat in der Melodieanteile sind, dann ist natürlich klar, dass der Originalkomponist und damit auch sein Verlag genannt werden möchten und auch eben auch Urheberrechte über die GEMA einnehmen möchten. Und das macht es insgesamt alles kompliziert, während es demjenigen, der die Musik produziert, häufig eigentlich nicht so sehr darum geht, etwas zu 'stehlen' - also ein Melodiebogen zu stehlen - sondern es geht häufig um Klänge, was ja auch genau in diesem Fall zum Tragen gekommen ist, denn es geht hier um eine Percussiongruppe, wo jemand auf Metall schlägt. Da ist keine Melodie verletzt, das heißt es ging gar nicht um eine Komposition, sondern es ging rein um einen Klang. Und genau dafür herrscht im Hip-Hop eine große Liebe und man möchte diese alten Klänge sozusagen rüber retten in die Jetzt-Zeit. Deswegen sampelt man alte Schlagzeuge aus den Siebzigern, einfach um die Liebe dazu auszudrücken und das eben in die Jetzt-Zeit zu bringen. Und das wäre eben unmöglich geworden, wenn dieses Urteil bestätigt wäre, zumindest in einfacher Form, so wie es jetzt gerade möglich ist.
    Elsäßer: Und das könnte dann auch dazu führen, dass das künftig eben auch für Melodien und für, ja, größere Sachen gilt? Denn das Bundesverfassungsgericht hat ja gesagt, sampeln ist dann erlaubt, solange dadurch ein eigenständiges Werk entsteht.
    Schacht: Genau, also das haben sie gesagt. Es muss natürlich auch zu dem Stück, aus dem man sampelt, ein gewisser Abstand sein. Weil es ging ja eigentlich um die Frage dann auch, ob denn jetzt dieser Plattenfirma denn auch ein Schaden entsteht, wenn jetzt diese Metallgeräusche auf der neuen Platte sind. Und, da sind wir uns einig, kein Mensch kauft diese Platte von Sabrina Setlur, weil da Metallgeräusche drauf sind, sondern es ist ein kleiner Bestandteil dieses Songs. Und das ist genau das, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Das ist nicht ausreichend, um dafür die Kunstfreiheit einzuschränken. Und das muss halt eben nochmal neu ausbalanciert werden vom BGH jetzt, wo es hin zurückverwiesen ist und ja, dann sind wir mal gespannt was dabei rauskommt.
    Elsäßer: Aber insgesamt ein guter Tag für den Hip-Hop?
    Schacht: Ein guter Tag für sampelnde Produzenten aus jedem Musikgenre, ja.
    Elsäßer: Einschätzungen vom Musikjournalisten und Hip-Hop Experten Falk Schacht zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Streit Kraftwerk gegen Moses Pelham. Herr Schacht, herzlichen Dank.
    Schacht: Danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.