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Urteil zur Erbschaftssteuer
Schmid: "An ausgewogener Regel festhalten"

Der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid hat die Regelungen zur betrieblichen Erbschaftssteuer als gerecht verteidigt. Man dürfe "keine Verunsicherung in die Betriebe tragen", sagte der SPD-Politiker im DLF - auch mit Blick auf die Arbeitsplätze dort.

Nils Schmid im Gespräch mit Friedbert Meurer | 17.12.2014
    Nils Schmid, Finanzminister von Baden-Württemberg (SPD), aufgenommen am 19.03.2014 während der ARD-Talksendung "Anne Will".
    Nils Schmid, Finanzminister von Baden-Württemberg (SPD), hofft, dass bei der Erbschaftssteuerregelung für Firmenerben "alles beim Alten bleibt". (picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler)
    Zwar sei die betriebliche Erbschaftssteuer eine wichtige Einnahmequelle für die Länder, die jetzige Regel sei jedoch allein durch die daran hängenden Arbeitsplätze gerechtfertigt, so Schmid. Dies sei ein zulässiges Kriterium für die unterschiedliche Behandlung von Vermögen, das man in den Grundzügen auch in Zukunft beibehalten sollte.
    Spielräume gebe es jedoch noch bei den privaten Erbschaften, über die die Bundesverfassungsrichter heute in Karlsruhe jedoch nicht entscheiden werden. Er unterstütze ausdrücklich, bei Privatvermögen bei der Erbschaftssteuer "zuzulangen", betonte der baden-württembergische Finanzminister im Interview mit dem Deutschlandfunk.
    Urteil zu Erbschaftssteuer auf Betriebsvermögen
    Das Bundesverfassungsgericht entscheidet am Vormittag über die Steuerprivilegien von Firmenerben. Diese können sich von der Steuerschuld befreien lassen, wenn sie das Familienunternehmen fortführen und damit die Arbeitsplätze erhalten.
    Bundesfinanzministerium und Wirtschaftsverbände verteidigen die Vergünstigungen. Sie seien notwendig, um die Finanz- und Investitionskraft insbesondere der Familienunternehmen zu erhalten. Geklagt hat ein Erbe von 50.000 Euro, der mehr als 9.000 Euro Steuer zahlen musste und sich deswegen gegenüber Unternehmenserben benachteiligt sieht.

    Das Interview mit Nils Schmid in voller Länge:

    Friedbert Meurer: Sie ist eines der heißesten Eisen in unserem Land, die Erbschaftssteuer. Schon dem Begründer des Anarchismus Michael Bakunin war das Erben und Vererben ein Dorn im Auge. Es zementierte die soziale Ungleichheit und die Klassengesellschaft. Der Fiskus in Deutschland, Stand heute, nimmt bislang jährlich so ungefähr fünf Milliarden Euro durch die Erbschaftssteuer ein, die übrigens zu 100 Prozent dann den Ländern zugutekommt. Heute Vormittag um zehn Uhr wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil fällen, ob betriebliche Vermögen schärfer veranlagt werden müssen. Wirtschaft und Gewerbe befinden sich in Alarmstimmung, ganz besonders im erfolgsverwöhnten Baden-Württemberg.
    Niels Schmid ist Finanz- und Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg von der SPD, bei uns jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Schmid!
    Niels Schmid: Guten Morgen, Herr Meurer.
    Meurer: Als Finanzminister dürften Sie sich ja eigentlich über höhere Steuern freuen. Die Erbschaftssteuer fließt komplett in die Länderhaushalte. Als Wirtschaftsminister denken Sie ja grundsätzlich an die Betriebe. Welches Ressort ist Ihnen heute Morgen wichtiger?
    "Ausgewogene Regelung soll Bestand erhalten"
    Schmid: Beide sind mir gleich wichtig, weil ich weiß, dass die guten Steuerzahlungen nur von guten und florierenden Unternehmen kommen können, und deshalb ist mir schon klar, dass die Erbschaftssteuer eine wichtige Einnahmequelle für die Länder ist, aber gleichzeitig wir berücksichtigen müssen, dass wir gerade in Baden-Württemberg viele Mittelständler haben, die familiengeführt sind und die nicht in Quartalen, sondern in Generationen denken. Deshalb habe ich hohes Interesse daran, dass die ausgewogene Regelung, die die letzte Große Koalition zur Erbschaftssteuer gefunden hat, in ihren Grundzügen Bestand erhält.
    Meurer: Die Regelung, die jetzt gilt, ist die gerecht?
    Schmid: Sie ist in den Grundzügen gerecht, denn die Privilegierung des betrieblichen Vermögens bei Erbschaften ist gerechtfertigt durch die Arbeitsplätze, die daran hängen. Es ist ein Unterschied, ob ich das Geld auf der Bank horte, oder in Immobilien investiere, oder ob das Geld Arbeitsplätze schafft, Beschäftigung schafft und damit auch die Existenz von vielen Familien sichert, und ich finde, dass das vom Bundesverfassungsgericht zurecht auch schon in der Vergangenheit als ein zulässiges Kriterium für eine unterschiedliche Behandlung von Vermögen festgehalten worden ist, und gerade die Exportindustrie in Baden-Württemberg, gerade die sehr gesunde Industriestruktur hier im Land ist darauf angewiesen, dass Betriebsübergänge auch klappen.
    Meurer: Im Gesetz gibt es ja deswegen, um die Arbeitsplätze zu sichern, eine Verbindung: Ein Betrieb muss nach dem Erbfall auch eine ganze Reihe von Jahren weitergeführt werden, ohne dass nennenswert Leute entlassen werden. Das wird aber in keiner Weise kontrolliert bei Betrieben, die weniger als 20 Mitarbeiter haben, und damit sind 90 Prozent aller Betriebe außen vor bei der Erbschaftssteuer. Geht es da immer um Arbeitsplätze?
    Schmid: Das ist sicher ein diskussionswürdiger Punkt. Man hat aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung da auf den Nachweis verzichtet. Ich erinnere daran, dass überhaupt der Nachweis des Erhalts von Arbeitsplätzen sehr umstritten war. Inzwischen haben sich die Unternehmen und die beratenden Berufe daran gewöhnt. Insofern muss man in der Tat überlegen und abwarten, was das Bundesverfassungsgericht zu diesem Punkt meint.
    Auf der anderen Seite ist gerade ein großer Pool von kleinen Betrieben wichtig für den Wettbewerb in der Wirtschaft und aus den kleinen werden dann irgendwann größere. Das ist ja die Erfahrung, die wir in vielen Fällen gemacht haben, auch über Generationen hinweg, indem nichts wie in anderen Ländern wegbesteuert wird. Nur deshalb sind so große, auch exportorientierte Mittelständler in Baden-Württemberg in so großer Zahl entstanden wie in den letzten Jahrzehnten.
    Aber ich räume gerne ein, dass wir an dem Punkt sicher besonders gespannt sind, ob das Bundesverfassungsgericht diese Vorschrift aufrecht erhält oder nicht.
    "Bei Privatvermögen zulangen"
    Meurer: Jetzt ist es ja so, dass für die SPD-Linke oder auch für viele in der SPD die Erbschaftssteuer eine Frage der sozialen Gerechtigkeit ist. Noch mal meine Einstiegsfrage: Reden Sie jetzt nicht doch die ganze Zeit als Wirtschaftsminister?
    Schmid: Nein! Das Aufkommen aus der Erbschaftssteuer ist im Wachsen begriffen, weil die Vermögen größer werden, und wir haben auch durchaus Möglichkeiten, bei Privatvermögen ja zuzulangen bei der Erbschaftssteuer. Das unterstütze ich auch ausdrücklich. Aber gerade die SPD weiß, dass das Ziel von Politik nicht irgendwelche abstrakte Umverteilung ist, sondern ganz konkret auch, dass möglichst viele Menschen im Land in Arbeit und Brot sind und damit nicht vom Staat Transfers erhalten, sondern aufgrund eigener Arbeit Löhne und Gehälter beziehen können.
    Deshalb ist die Frage des Mittelstands und der familiengeführten Unternehmen gerade für die SPD-Wirtschafts- und Finanzpolitik ganz zentral, und ich wunder mich manchmal, wie leichtfertig einzelne darüber hinweggehen. Wir haben mit Peer Steinbrück damals in der Großen Koalition eine ausgewogene Regel gefunden und an der sollten wir, wenn das Bundesverfassungsgericht es zulässt, festhalten.
    Meurer: Sie sagen, bei der Erbschaftssteuer müssen wir zulangen. Wie denn, wenn nicht bei den Betriebsvermögen?
    Schmid: Wir haben durchaus noch geringe Spielräume bei den privaten Erbschaften, wenn man sich die Steuersätze anschaut, wenn man sich anschaut, ab welchem Volumen welche Steuersätze greifen, auch gestaffelt nach Verwandtschaftsgraden. Da gibt es übrigens gerade auch von der SPD-Bundestagsfraktion Überlegungen dazu, an der einen oder anderen Stelle eine leichte Erhöhung vorzunehmen. Aber ansonsten würde ich dazu raten, das nach hartem politischen Ringen gefundene Konstrukt Erbschaftssteuer in Deutschland in den Grundzügen so zu lassen, wie es jetzt ist.
    Meurer: Das hieße auch, fünf Milliarden Einnahmen pro Jahr, das soll nicht wahnsinnig ausgeweitet werden?
    Schmid: Das wird ja automatisch steigen in den nächsten Jahren, angesichts der Vermögensmassen, die übertragen werden.
    Meurer: Mit welcher Einnahme rechnen Sie da in Zukunft?
    Schmid: Die Hochrechnungen zeigen an, dass wir sicher in den nächsten Jahren große Zuwächse haben. Ich habe jetzt die Zahlen für Baden-Württemberg leider nicht parat, aber ich denke mal, dass wir da keine Angst haben müssen, dass es zu wenig wird. Und wenn die eine oder andere Korrektur erforderlich ist, dann wird es ja nicht zu einer Ausweitung von Steuerausfällen kommen, sondern eher zu Mehreinnahmen.
    Angenommen, das Bundesverfassungsgericht trägt auf, die eine oder andere Stellschraube nachzujustieren, dann wird das ja eher zugunsten von Einnahmen und nicht zulasten des Staatshaushalts gehen. Insofern glaube ich, dass wir eine Grundstruktur gefunden haben, mit der wir in den nächsten Jahren sehr gut operieren können in Deutschland.
    "Betriebe nicht verunsichern"
    Meurer: Jetzt sagt ja auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, da soll überhaupt nicht an der Schraube gedreht werden, fünf Milliarden Euro ist genug. Kann man sagen, egal wie das Urteil heute ausgeht, die Politik wird eigentlich doch alles tendenziell beim Alten belassen?
    Schmid: Wenn das Bundesverfassungsgericht es zulässt, dann werden die Parteien der Großen Koalition alles daran setzen, nicht eine neue Grundsatzdebatte zu führen, denn es war beim letzten Mal durchaus zäh und auch manchmal unerquicklich. Insofern bleibt höchst wahrscheinlich, wenn das Verfassungsgericht mitmacht, das beim Alten.
    Wir sollten auch keine Verunsicherung in die Betriebe tragen. Die haben nach langem Hin und Her sich daran gewöhnt. Sie brauchen verlässliche Rahmenbedingungen gerade beim Betriebsübergang, und deshalb ist das ja nicht das Schlechteste, wenn die Parteien der Großen Koalition sich da einig sind, dass sie an der Grundstruktur festhalten wollen.
    Meurer: Wir haben inklusive heute das dritte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftssteuer. Stehen Nummer vier und fünf schon vor der Tür?
    Schmid: Das glaube ich eher nicht, denn was die möglichen Schwächen des jetzigen Rechts anbelangt, wird das Bundesverfassungsgericht jetzt umfassend urteilen, auch die einzelnen Punkte betrachten, und danach ist Klarheit für alle Beteiligten und gegebenenfalls Korrekturbedarf. Aber dann müsste es auch halten.
    Findige Berater werden immer wieder neue Schlupflöcher suchen. Da müssen wir von der Politik möglichst schnell da gegensteuern, haben wir ja auch bei der jetzigen Erbschaftssteuer übrigens getan, sobald wir gemerkt haben, dass da einige versucht haben, das Vermögen zum Betriebsvermögen zu verschieben. Aber ansonsten glaube ich, dass wir mit diesem Urteil auch von der Rechtsprechung her erst mal Sicherheit bekommen werden.
    Meurer: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet heute Morgen, verkündet das Urteil gegen zehn Uhr, zur Erbschaftssteuer auf Betriebsvermögen. Ich sprach darüber mit Niels Schmid, dem Finanz- und Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg von der SPD. Herr Schmid, danke schön. Auf Wiederhören nach Stuttgart.
    Schmid: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.