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US-amerikanische Geschichte
Warum schwarze Sklavinnen und Sklaven Deutsch lernten

In seinem 2012 erschienenen Western "Django Unchained" lässt Regisseur Quentin Tarantino eine schwarze Sklavin deutsch sprechen. Damit greift er eine nur lückenhaft erforschte Beziehung zwischen deutschen Einwanderern und schwarzen Sklaven und Sklavinnen in den USA auf.

Von Mirko Smiljanic |
Der Western "Django Unchained" von Quantin Tarantino. Darsteller von links nach rechts: Jamie Foxx, Kerry Washington, Christoph Waltz, 2012.
Im Western "Django Unchained" von Quentin Tarantino spricht die junge Sklavin Brunhilde deutsch - und beleuchtet damit ein fast vergessenes Phänomen in der US-Geschichte. (dpa / Weinstein Company/Courtesy Everett Collection)
Was für ein Plot! Der aus Düsseldorf stammende Zahnarzt Dr. Schultz arbeitet Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA als Kopfgeldjäger. In diesem Zusammenhang lernt er Django kennen, einen entflohenen Sklaven, der seine Frau Brunhilde sucht – auch sie eine Sklavin. Beide vereinbaren einen denkwürdigen Deal: Django hilft Schultz bei der Suche nach drei Verbrechern, im Gegenzug hilft Schultz Django bei der Suche nach seiner Frau. Und die findet er auch relativ schnell auf der Plantage Candyland in Mississippi. Die Dame des Hauses stellt sie ihm vor.
"The Doctor, he speaks German,… speak a little bit German."
"Es wäre mir ein Vergnügen, mit dir auf Deutsch zu sprechen."
Dr. Schulz ist begeistert und bittet die junge Sklavin herein – und sie spricht deutsch mit dem unbekannten Besucher.
"Ein gemeinsamer Freund von uns beiden und ich haben einige Mühen auf uns genommen, sind viele Meilen geritten, um Sie zu finden, mein Fräulein."
"Ich habe keine Freunde."
"Oh, oh, oh, doch, die haben sie."

Deutschsprechende Afroamerikaner gab es viele

Mitte des 19. Jahrhunderts spricht eine schwarze Sklavin Deutsch – auf so eine Geschichte muss man erst einmal kommen. Dabei hat Quentin Tarantino in seinem Film "Django Unchained" – 2012 produziert für Columbia Pictures - einfach nur eine fast vergessene Episode der US-amerikanischen Geschichte aufgegriffen. Deutschsprechende Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner gab es während und nach der Sklaverei erstaunlich viele, wie sich dieser im Rahmen einer Studie befragte Texaner erinnert.
"Keine Mexikaner, aber ein paar schwarze Leute, die haben dann Deutsch gelernt, und das war so komisch für uns, ein schwarzer Kerl, dass der Deutsch sprechen konnte."
Warum lernten schwarze Sklavinnen und Sklaven sowie deren Nachfahren Deutsch? Zunächst einmal, weil es ihnen leichtfiel – so David Hünlich, Migrationsforscher am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, Mannheim.
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Multilingual versiert

"Man weiß auch, dass Afroamerikaner multilingual versiert waren. Die meisten sprachen Französisch, Spanisch, das waren Kolonialsprachen, die sie zum Beispiel im Rahmen des Sklavenhandels erworben hatten oder schon vor der Versklavung. Die Ausnahmesprachen sind die späteren Sprachen wie Deutsch und Tschechisch, die keine Kolonialgeschichte in dem Sinn haben in den USA, die aber eine Einwanderungsgeschichte haben, und da wird es wirklich interessant, weil es dafür einfach andere Gründe gab."
Diese Gründe haben etwas zu tun mit dem sozialen Aufbau der US-amerikanischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert.
"Ein recht neuer Ansatz ist, die amerikanische Gesellschaft aufzuteilen ähnlich wie ein Kastensystem in unterschiedliche Stufen. Auf der untersten Stufe stehen die Schwarzen, in der oberen Stufe die Angloamerikaner, also die Weißen, die Englisch sprachen, die meistens Protestanten waren. Und die neu Zugewanderten, die mussten sich diesen obersten Status erst erwerben, die mussten Englisch lernen und ihre Kultur teilweise anpassen oder ablegen. Und die Deutschen waren zwischendrin und für die Afroamerikaner auch deshalb besser erreichbar, zum Beispiel als Handelspartner."
Der Begriff Handelspartner signalisiere, dass sich Afroamerikaner und Afroamerikanerinnen und Deutsche auf Augenhöhe begegnet sein müssen. Untersuchungen von Professor Walter Kamphoefner, Historiker an der Texas A&M University in der texanischen Kleinstadt College Station und Spezialist für die deutsche Einwanderung in Texas, bestätigt genau das.
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Deutsche Einwanderer fremdelten mit der Sklaverei

"Es stimmt nicht, dass viele Deutsche Sklaven besaßen, die waren eher dagegen abgeneigt. Manche behaupten, das war nur wegen der Armut. Ich habe das in Bezug zu den Besitzverhältnissen untersucht, und bei jeder Besitzklasse waren Deutsche viel weniger geneigt, Sklaven zu besitzen als Angloamerikaner, sondern auch als die aus den Nordstaaten, selbst irische Einwanderer, also Deutsche waren hintendran."
Viele Deutsche sind vor Ausbeutung und Unterdrückung nach Amerika geflohen, Freiheit – auch für Schwarze – war für sie ein hohes Gut. Bis ins 20. Jahrhundert lässt sich diese Einstellung nachweisen – das zeigen zum Beispiel Interviews, die der Historiker Walter Kamphoefner mit Afroamerikanern geführt hat.

"Der eine Herr erzählte mir, dass sein Vater so Jahrgang 1918 rum mit deutschen Kindern auf dem Schulweg zusammenlief. Wenn sie zur Schule kamen, trennten sie sich natürlich in Texas, aber so sind sie ziemlich normal miteinander umgegangen."
Außerdem bedeutete Zweisprachigkeit für afroamerikanische Kinder immer auch einen gewissen Schutz.
"Da haben wir zum Beispiel auch aus erster Hand Berichte, wie Kinder zum Beispiel in deutschen Communities Deutsch gelernt haben, damit sie sich sprachlich schützen konnten vor Gerede oder vor Gerüchten, dass die Leute wussten, der ist ernst zu nehmen als Kommunikationspartner."

Afroamerikaner und Afroamerikanerinnen in Texas sprachen meist kein Hochdeutsch, eine systematische Erziehung zur Zweisprachigkeit ist etwas völlig anderes.
"Es waren auf jeden Fall diese Mischvarianten des Deutschen, die sich dort lokal entwickelt hatten. Es war in der Regel nicht Hochdeutsch, obwohl ich auch eine Informantin habe, die deutschen Unterricht dann genommen hat, um eben Hochdeutsch zu lernen, sondern es war die Umgangssprache vor Ort, die wir heute als Texasdeutsch bezeichnen, die für unser Ohr auch etwas kurios klingt. Es gibt viele Anglizismen, die Wortstellung ist nicht immer so wie im Standarddeutschen, die Aussprache variiert stark."
Szene aus dem Western „Neues aus der Welt“ von Paul Greengrass. Tom Hanks und Helena Zengel sitzen auf einer Kutsche und blicken nach vorn.
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Wer deutsch sprach hatte größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Die Kenntnis des Texasdeutschen erleichterte zumindest in den Südstaaten vielen Familien ehemaliger Sklaven bis ins 20. Jahrhundert das wirtschaftliche Überleben. Heute spielen diese Vorteile keine Rolle mehr. Englisch dominiert, deutschsprechende Schwarze sind eine Minderheit, für die sich allenfalls Germanistinnen und Germanisten interessieren. Und die – so der US-Historiker Walter Kamphoefner – sollten sich mit Ihrer Forschung beeilen.

"Laut Linguisten wird geschätzt, dass so um 2040 die letzten Texasdeutschsprecher aussterben werden."