Trommelwirbel und Fanfare für sechs schmucklose schmale Metallcontainer in Wüstentarnfarbe – montiert auf einem Tieflader. Vor wenigen Wochen nahm Israel offiziell eine neue Komponente seiner Raketenabwehr in Betrieb und aus Sicht von Premier Benjamin Netanjahu war der große Bahnhof für die Raketenbatterie keineswegs übertrieben. Von einem Meilenstein sprach Netanjahu und er warnte Israels Nachbarn.
"Wer immer versucht, uns anzugreifen, wird geschlagen werden. Wer immer unsere Existenz bedroht, bringt sich selbst in existenzielle Gefahr."
Konkreter wurde der Regierungschef zwar nicht, aber gemeint sein dürften vor allem Israels Nachbarn im Norden. Das Raketensystem mit dem Namen "Schleuder Davids" soll Geschosse mit einer Reichweite von 70 bis 300 Kilometern abfangen – Raketen also wie sie die libanesische Hisbollah-Miliz abfeuern könnte und wie sie auch aus Syrien kommen könnten. Dort kämpfen Israels Erzfeinde der Iran und die von ihm unterstützte Hisbollah an der Seite des Assad-Regimes. Israels Militär sieht in der Hisbollah und ihrem Raketenarsenal schon seit Jahren die größte Bedrohung für die Sicherheit des Landes.
Um zu verhindern, dass Hisbollah Waffen aus Syrien in den Libanon schafft, fliegt Israels Luftwaffe seit 2012 Einsätze gegen die Schiitenmiliz im Bürgerkriegsland.
Eindeutiges Signal aus Damaskus
Das syrische Regime hielt meist still. Doch das änderte sich Mitte März. Israelische Jets griffen Hisbollah an und Syriens Luftabwehr schoss zurück. Eine der Raketen schaffte es bis in den israelischen Luftraum und wurde dort abgeschossen. Das Signal aus Damaskus war klar: Wir lassen uns nichts mehr gefallen. Aus Sicht von Amos Yadlin, Ex-Luftwaffengeneral und ehemaliger Chef des israelischen Militär-Geheimdienstes ist die Lage in Syrien für Israel komplexer und heikler geworden.
"Unser strategisches Problem besteht darin, dass die Ankunft der Russen in Syrien, Assad enorm gestärkt hat und dass der Iran und die Hisbollah im Land sind - unsere schlimmsten Feinde. Wir müssen zurückhaltend vorgehen. Wir haben auch in der Vergangenheit bewiesen, dass wir dazu in der Lage sind."
In der Vergangenheit sah Russlands Militär, dass moderne Luftabwehr in Syrien stationiert hat, weg, wenn Israels Armee die Hisbollah bombardierte. Doch schon nach dem Vorfall Mitte März deutete sich eine Kehrtwende Moskaus an, als der israelische Botschafter einbestellt wurde. Nach dem Chemiewaffeneinsatz in Syrien spitzte sich die Lage weiter zu. Israels Verteidigungsminister erklärte schon frühzeitig, die Verantwortung des Assad-Regimes für den Angriff sei aus seiner Sicht belegt. Wladimir Putin protestierte daraufhin in einem Telefonat mit Israels Premier Netanjahu. Als die USA dann Raketen auf Syrien feuerten, brauchte Benjamin Netanjahu keine 90 Minuten, um den Militärschlag zu begrüßen.
"Israel unterstützt den US-Angriff voll und ganz. Er ist angesichts der furchtbaren Bilder moralisch begründet und macht klar, dass der Einsatz chemischer Waffen einen Preis hat. Es gibt ein Abkommen von 2013 Chemiewaffen aus Syrien abzuziehen. Wir glauben, das wurde noch nicht vollständig umgesetzt."
Negative Folgen für Israel befürchtet
Der US-Angriff in Syrien könnte für Israel aus Sicht von Sicherheitsexperten negative Folgen haben. Befürchtet wird, dass Russland künftig nicht mehr tatenlos bleibt, wenn israelische Jets die Hisbollah attackieren. Möglich wäre auch, dass sich Hisbollah-Kämpfer und iranische Soldaten im syrischen Teil der Golan-Höhen festsetzen – direkt an der israelischen Grenze. Der Iran strebt nach israelischer Ansicht auch die Kontrolle über einen syrischen Mittelmeerhafen an. Iranische Kriegsschiffe in unmittelbarer Nachbarschaft – für Israels Militär ein Albtraum.
Die aktuelle Entwicklung in Syrien, da sind sich die israelischen Sicherheitsexperten einig, hat den Umgang mit dem nördlichen Nachbarn nicht einfacher gemacht.
"Wir dürfen nicht stumm bleiben"
Dennoch wird die Reaktion auf den Chemiewaffeneinsatz mehrheitlich begrüßt. Bevor zwei US-Zerstörer mehrere Dutzend Marschflugkörper auf Syrien abschossen, wurde in Israel diskutiert, ob das Land nicht moralisch verpflichtet sei, selbst militärisch einzugreifen. Den Israelis ist sehr wohl bewusst, dass die Chemiewaffen, die nun die Syrer treffen, einst produziert wurden, um sie gegen Israel einzusetzen. Wir dürfen nicht stumm bleiben, sagte der Chef-Rabbiner von Tel Aviv, Meir Lau, im israelischen Armeeradio nach dem Chemiewaffeneinsatz.
"Das ist wirklich Holocaust am syrischen Volk und nicht erst seit heute, sondern seit sechs Jahren. Wir stellen uns oft die Frage, ob wir uns einmischen sollten und dürfen oder ob es aus politischen und strategischen Gründen verboten sein sollte.
Ich habe bereits verstanden dass ernsthafte Überlegungen dagegen sprechen. Aber selbst wenn uns politische und strategische Gründe verbieten, uns einzumischen, müssen wir aufschreien. Wer soll es tun wenn nicht wir? Es ist mindestens unsere Pflicht laut aufzuschreien."
Das Schicksal der syrischen Bevölkerung ist vielen Israelis nicht egal. Es gibt zum Beispiel ehrenamtliche Initiativen, um den Menschen im Nachbarland zu helfen. Yoav Bakshi Yavin, gehört zu einer Gruppe deren Name übersetzt bedeutet: "Gleich hinter unserer Grenze".
"Wir sammeln Geld, das wir an eine Organisation namens Israeli Flying Aid weitergeben. Davon werden hier humanitäre Produkte gekauft, die ausschließlich für Babys und Kleinkinder sind. Das hat auch einen Grund, denn Babybrei und Windeln können tatsächlich nur an Babys und Kleinkinder gegeben werden und nicht an Andere. Die Produkte werden hier in Israel gekauft und nach Syrien gebracht."
Immer wieder werden auch Verletzte des syrischen Bürgerkrieges über die Grenze im Golan gebracht und in israelischen Krankenhäusern behandelt. Der Vorschlag der streng-religiösen Schas-Partei syrische Waisenkinder in großer Zahl aufzunehmen fand in der israelischen Regierungskoalition allerdings bisher keine Mehrheit.