Eigentlich wollte Präsident Obama seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin so gut wie keine dauerhaften militärischen Auslandseinsätze übergeben.
"Ende des Jahres 2016 werden wir unsere Präsenz in Afghanistan auf den normalen Schutz unserer Botschaft in Kabul und eine Trainingsmission zurückfahren."
So Obama im Mai 2014. Der amerikanische Präsident wollte damit ein Ende amerikanischer Kriegseinsätze herbeiführen – so, wie er es schon zu Anfang seiner Präsidentschaft versprochen hatte. Etwa 1.000 US-Soldaten sollten nach diesen Planungen in Afghanistan bleiben.
Der Fall von Kundus war ein Schock
Doch im Laufe des letzten Jahres wurde immer klarer, dass die afghanischen Streitkräfte nicht in der Lage sein würden, die Sicherheit im Land zu garantieren. Die Übernahme des ehemaligen Bundeswehr-Standortes Kundus durch die Taliban wirkte wie ein Schock. Erst nach mehreren Tagen konnte die Stadt wieder zurückerobert werden – mit internationaler Hilfe.
Die derzeitige Mission "Resolute Support" legt den Schwerpunkt auf die Ausbildung und Beratung der afghanischen Armee und Polizei, die für die Sicherheit im Land nun selbst verantwortlich sind. Amerikanische Spezialkräfte sind aber auch noch in Kampfmissionen unterwegs. Jüngst wurde in der Provinz Helmand mit der Unterstützung amerikanischer Ranger ein großes Lager der Al Kaida zerstört – in tagelangen Kämpfen.
Insgesamt sind heute noch etwa 13.000 NATO-Soldaten im Land, darunter 850 deutsche. Diese Zahl soll bis Anfang 2017 noch einmal halbiert werden, auf ungefähr 5.500 US-Soldaten und etwa 1.000 Alliierte.
Doch ob dies passiert, wird immer fraglicher. Die Washington Post berichtete unter Berufung auf Pentagon-Quellen, dass der Aufbau der afghanischen Armee noch Jahre in Anspruch nehmen – und weitere Milliarden Dollar kosten werde. Es gebe Überlegungen in der Obama-Administration, die geplante Verringerung der US-Truppen auf Eis zu legen und die Entscheidung dem nächsten Präsidenten anheimzustellen.
Auch Bundeswehr-Einsatz könnte deutlich länger dauern
Verteidigungsminister Ashton Carter wollte dies weder bestätigen noch dementieren.
"Unser Plan für Afghanistan ist es, dort soweit präsent zu sein, dass wir den afghanischen Streitkräften dabei helfen können, die Sicherheit herzustellen. Wir haben uns, wie auch unsere Verbündeten, darauf langfristig eingelassen."
Die derzeitigen Überlegungen gründen auf der schlechten Erfahrung im Irak. Dort war die irakische Armee keine drei Jahre nach dem Totalabzug der USA völlig zusammengebrochen.
Die afghanischen Streitkräfte bräuchten Piloten, gut ausgebildete Offiziere und mehr Transportkapazitäten. Für diesen Aufbau brauche man deutlich mehr als drei bis fünf Jahre, hieß es aus den Quellen im Pentagon.
Was dies für den Einsatz der Bundeswehr bedeuten würde, ist noch unklar. Präsident Obama hatte vor anderthalb Jahren erklärt, die weiteren Schritte nach 2016 würden die USA mit den Verbündeten absprechen. Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan könnte unter Umständen noch deutlich länger dauern, als bislang geplant.