Christoph Heinemann: Die Republikaner bauen ihre Mehrheit im Senat aus, die Demokraten gewinnen die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Letzteres bedeutet, dass sie, die Demokraten, in der Gesetzgebung ein Wort mitreden können. Dabei ist nach der Wahl schon vor der Wahl. Nach der Zwischenwahl einer Legislaturperiode richten sich die Blicke schon auf die nächste Präsidentschaftswahl. Dass die USA anders ticken als Europa, spiegelt auch die Farbenlehre. Blau weist auf die Demokraten hin, Rot signalisiert Republikaner. - Omid Nouripour ist am Telefon von Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und Vorstandsmitglied der Atlantik-Brücke. Guten Tag.
Omid Nouripour: Ich grüße Sie.
"Es ein Sieg ist für die demokratische Partei"
Heinemann: Keine blaue Riesenwelle. Warum nicht?
Nouripour: Es war relativ bald absehbar, dass die Mehrheiten im Senat sich nicht ändern werden. Es war nicht selbstverständlich, dass die Republikaner noch einen Tacken drauflegen. Aber es ist eine riesige Spaltung im Lande im Gange. Die ist durch die Kampagne auch von Trump, durch die Angst, die geschürt worden ist, eher stärker geworden, so dass nicht nur die Demokraten massiv mobilisiert haben in der Ablehnung Trumps, sondern auch viele, viele republikanische Wähler aufgestanden sind und zur Wahl gegangen sind, auch stundenlang angestanden haben, weil sie tatsächlich glauben, dass das Land kurz vorm Abgrund steht, wenn Trump nicht weiter machen kann was er will.
Heinemann: Offenbar macht der Mann irgendwas richtig.
Nouripour: Es ist richtig, dass er gut und stark hat mobilisieren können. Er ist ja auch sehr viel unterwegs gewesen im Wahlkampf. Aber man darf nicht verkennen, dass es unter dem Strich zwar keine riesigen Überraschungen gibt, aber es ein Sieg ist für die demokratische Partei. Die beiden Kammern des Parlaments in den USA wurden bisher von den Republikanern gehalten. Eine Kammer geht jetzt an die Demokraten mehrheitlich. Das ist schon ein Sieg für die Demokraten.
"Es ist unter dem Strich weniger Macht für Trump"
Heinemann: Im Senat waren vor allem republikanische Politiker erfolgreich, die den Kurs des Präsidenten voll und ganz unterstützen, Mike Brown aus Indiana zum Beispiel. Als Gouverneur in Florida hat sich der Trump-Anhänger Ron Desantis durchgesetzt. Ein Erfolg für Trump?
Nouripour: Es gibt Erfolgsmomente für Trump, ja, aber es ist unter dem Strich so, dass seine Präsidentschaft es jetzt schwieriger haben wird. Es gibt eine Mehrheit im Haus, im Repräsentantenhaus. Die ist sehr, sehr relevant bei der Frage der Kontrolle eines Präsidenten. Diese Mehrheit ist jetzt weg, die ist jetzt bei den Demokraten. Das heißt, die Demokraten haben jetzt viele Möglichkeiten – wir haben ja auch gerade im Beitrag einige gehört -, dass sie tatsächlich Trump so was wie eine Handbremse anlegen. Es ist unter dem Strich weniger Macht für Trump jetzt als vorher.
Heinemann: Aber immerhin, er ist glimpflich davon gekommen, besser als viele seiner Vorgänger, und ein Erklärungsversuch. Die US-Wirtschaft brummt, der Diktator in Nordkorea hält die Füße still, den Terror-Unterstützern in Teheran zeigt Trump, wo es langgeht, und während Europa vor Peking buckelt, haut Trump auf den Tisch und fordert fairen Handel. Ist er, ist Trump für sein Land doch ein guter Präsident?
Nouripour: Das mit der brummenden Wirtschaft, das teile ich nachhaltig so nicht. Es gibt gerade in den Grenzregionen, die mit dem Handel sehr verbunden sind, nach Mexiko und Kanada schon die eine oder andere Großdelle wegen der Politik von Trump. Man kann davon ausgehen, dass beispielsweise diese riesengroße unglaubliche Mauer, von der er immer gesprochen hat, nach dieser Wahl nicht mehr kommen wird, weil er sicher die Mittel dafür nicht mehr durch das Repräsentantenhaus bekommen wird. Und es ist zweifelsohne so, dass er die nationalistische Karte permanent spielt. Es ist auch ganz vieles von dem, was Sie gerade als Überschriften referiert haben, aus dem Munde von Trump Projektion von Erfolgen, nicht wirkliche Erfolge. Ich habe noch keine besonderen Erfolge gesehen in der Auseinandersetzung mit Nordkorea, jenseits vom notwendigen und sinnvollen Gespräch. Aber es ist sehr, sehr polarisiert. Es ist sehr stark so, dass die republikanischen Wähler jetzt da sitzen und Hauptsache bei den anderen zeigen wollen, dass ihr Präsident besser ist. Das sieht man ja auch an einer Reaktion einer Beraterin von Trump, die vor wenigen Stunden gesagt hat, es ist richtig, dass wir verloren haben im Repräsentantenhaus. Der Präsident sieht das auch. Aber schaut euch doch mal an, wie Obama 2010 verloren hat; das war doch weit gravierender. – Es gilt weiterhin diese massive Obsession, besser zu sein als Obama, und das wird viel stärker gerade getragen als die Frage von Fachpolitik.
"Demokraten müssen verstehen, dass sie die Wahl damals selbst verloren haben"
Heinemann: Wie sollten die Demokraten mit der neuen Verantwortung umgehen?
Nouripour: Es ist richtig, was Nancy Pelosi sagt, aus meiner Sicht, dass sie versuchen müssen, mit dem Präsidenten zu arbeiten. Es ist aber genauso wichtig und notwendig, dass die Kontrolle der Exekutive als Kernaufgabe des Parlaments auch durch die neuen Mehrheiten abgebildet wird. Aber zentral für die Demokraten ist auch, dass sie verstehen, dass sie die letzte Präsidentschaftswahl verloren haben. Hillary Clinton wurde nicht gewählt von sehr vielen Leuten, die sie einfach als viel zu stark Establishment empfunden haben. Ich war sehr viel unterwegs, selbst in den letzten zwölf Monaten in den USA, in sehr, sehr roten Staaten, sehr republikanisch geprägt, und es ist offenkundig, dass so viele Leute dort Hillary Clinton nicht wählen konnten. Die Demokraten müssen verstehen, dass sie die Wahl damals selbst verloren haben und nicht die russische Einmischung, die es gegeben hat, zentral war, und sie müssen sich vor allem befreien von der Geiselhaft der Clinton-Dynastie und raus aus Washington und dort hingehen, wo es weh tut, und mit den Leuten ins Gespräch kommen und Lösungen anbieten.
Heinemann: Dennoch sind ja die meisten der demokratischen Hoffnungsträger gescheitert, Beto O‘ Rourke zum Beispiel in Texas.
Nouripour: Das ist richtig. Aber es sind neue entstanden, und zwar genau diejenigen, die vor Ort verwurzelt sind, genau diejenigen, die die Sprache der Leute sprechen und nicht Washington-Plastiksprech, und genau die Leute, die nicht in erster Linie über die ganz große Politik geredet haben, sondern über die Probleme vor Ort, die sie adressieren wollen. Die Leute wollen, dass die Politiker sich um ihre Probleme kümmern und nicht abstrakt über irgendwelche Lager und Farben reden, und die, die das adressiert haben für die Demokraten, haben gewonnen.
Heinemann: Plastiksprech ist Donald Trumps Sache mit Sicherheit nicht. Norbert Röttgen von der CDU erwartet ein "weiter so" oder gar schrillere Töne in Donald Trumps Außenpolitik. Sie auch?
Nouripour: Ich teile das. Je stärker die Kontrolle und die Restriktionen für die Innenpolitik werden, desto eher muss man davon ausgehen, dass er nach außen ausschlägt, wo er auch weit mehr Kompetenzen hat und weit weniger Kontrolle durch diese für ihn lästigen Demokraten. Das ist keine besonders frohe Nachricht für die Situation im Nahen Osten, keine besonders gute Nachricht für mögliche Eskalationen mit China auch im südchinesischen Meer, und auch keine besonders gute, wenn es darum geht, die Handelsbeziehungen mit den Europäern zu verstetigen und zu verbessern und nicht immer mit harter Rhetorik weiterhin anzuschärfen.
"Wertepartnerschaft wirklich mit den Füßen getreten"
Heinemann: Herr Nouripour, Trump hat mit Europa wenig am Hut. Sollte sich Europa, sollte sich auch Deutschland darauf einstellen, dass es diese enge Partnerschaft wie früher nicht wieder geben wird, ganz egal wer in zwei Jahren die nächste Wahl gewinnt?
Nouripour: Ich weiß nicht, ob es egal ist, wer in zwei Jahren gewinnt, weil diese Administration …
Heinemann: Entschuldigung! Unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt. So wollte ich es sagen.
Nouripour: Ja, ja. Das ist schon klar. Es ist nicht nur so, dass die USA sich abwenden von Europa. Dieses Sich-wenden Richtung Asien, das hat es unter Obama schon gegeben. Bei Trump gibt es eine ganz andere Note. Da geht es wirklich um Feindlichkeit. Da geht es darum, dass die Administration sehr klar sagt, die Europäer sind genauso unsere Gegner und Feinde wie die Chinesen. Da wird die Wertepartnerschaft über den Atlantischen Ozean wirklich mit den Füßen getreten. Und die Tatsache, dass beispielsweise jetzt die Sanktionen gegen den Iran verhängt werden, türkische Unternehmen ausgenommen werden von diesen Sanktionen, vom Druck, aber die deutschen nicht, sagt doch ganz viel darüber aus, dass der US-Präsident wirklich gar nichts auf unsere Interessen gibt. Das heißt, das ist nicht ganz unabhängig von der Frage, wer Präsident ist, aber zweifelsohne ist es so, dass es mindestens seit zwei Jahren einen letzten Gong hätte geben müssen, damit alle in Europa verstehen, dass sie zusammenstehen müssen und dass alleinige Nationalstaaten nicht ausreichend gewappnet sind, um Trump Einhalt zu gebieten. Aber es gibt viele Bereiche, wo wir das tun müssen, und das können wir nur als Europäer zusammen.
Heinemann: Vielleicht müssen wir ja auch mehr auf US-Interessen achten. Können Sie verstehen, dass US-Bürgerinnen und Bürger nicht für Deutschlands Sicherheit zahlen wollen?
Nouripour: Ich kann das total gut nachvollziehen. Aber wenn es um Sicherheit geht, geht es ja nicht in erster Linie darum, dass eine Zahl wie die zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in den Raum gestellt wird, die jetzt ausgegeben werden muss, sondern es geht darum, dass tatsächlich auch einzelne Staaten mehr für ihre eigene Sicherheit tun können. Das bedeutet für Europa, dass wir europäisch mehr miteinander zusammenarbeiten und nicht noch mehr Geld verbrennen in sinnlosen Rüstungsabenteuern, wie wir es derzeit haben unter Frau von der Leyen und so manchen ihrer Vorgänger.
Heinemann: Omid Nouripour, Außenpolitiker von Bündnis 90/Die Grünen. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Nouripour: Ich danke Ihnen.
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