Georg Ehring: Donald Trump hatte es schon lange angekündigt und alles andere wäre eine Überraschung gewesen: Die USA steigen tatsächlich aus dem Pariser Klimaabkommen aus, und zwar zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Das Abkommen ist seit gestern drei Jahre in Kraft und ab sofort kann es auch gekündigt werden, und zwar mit einer Frist von einem Jahr.
Im November 2020 gehören die USA nicht mehr dazu. Frage an Christoph Bals von der umwelt- und entwicklungspolitischen Organisation Germanwatch: Was bedeutet das für den weltweiten Klimaschutz?
Christoph Bals: Das ist natürlich sehr bedauerlich zu sehen, dass diese letzte Schlacht der fossilen Lobby mit dieser Konsequenz von der US-Regierung mit angeführt und durchgeführt wird. Man muss zugleich sehen, dass elf Bundesstaaten massiv Klimaschutzprogramme und Projekte durchführen und sagen: "We are still in..." - "Wir sind noch drinnen...". Man muss auch sehen, dass eine Woche nach dem möglichen Austritt im nächsten Jahr dann die US-Wahlen stattfinden werden, und alle demokratischen Bewerber für dieses Amt sagen, sie werden sofort wieder eintreten. Man wird sehen müssen, ob es ein langfristiger Ausstieg der USA ist oder ob es im Gegenteil der Beginn des Wiedereinstiegs ist, den wir jetzt praktisch erleben. Da wäre ganz wichtig, dass das, was ein Herr Macron jetzt gegenüber China angekündigt hat, zu sagen, wir müssen gemeinsam als EU, als China (und da das auch mit Indien gilt) im nächsten Jahr die Klimaziele erhöhen und deutlich machen, dass das Paris-Abkommen quicklebendig ist und dass wir jetzt einen schnellen Ausstieg aus den fossilen Energien organisieren müssen.
"Sie sind historisch der größte Emittent"
Ehring: Können denn die Initiativen von "We are still in..." - "Wir sind weiter dabei..." - die Zentralregierung ersetzen? Wenn elf Bundesstaaten in den USA dabei sind, heißt das ja auch, dass 39 nicht dabei sind.
Bals: Eine ganze Menge sitzen auch auf dem Zaun und sind halb dabei und halb nicht dabei. Aber die können das natürlich nicht ersetzen. Wir brauchen letztlich die USA und ich hoffe, dass das nach der nächsten Wahl dann der Fall ist, die mit dabei sind. Sie sind historisch der größte Emittent und aktuell der zweitgrößte Emittent nach China. Aber wir sehen auch, dass zum Beispiel der Siegeszug der erneuerbaren Energien und der Niedergang der Kohle sich auch in den USA beschleunigt, trotz der Gegenpolitik, die ein Präsident Trump dort organisiert. Das heißt, in Teilen sehen wir, dass die Energiewende sich dort auch vollzieht. Wir werden allerdings nur wirklich Erfolg haben können, wenn es eine neue Regierung gibt, die auch ganz neue Akzente setzt.
Ehring: Beobachter wie der Climate Action Tracker oder auch Ihr Klimaschutz-Index, an dem Sie beteiligt sind, sagen, kein Staat tut genug, um den Klimakollaps abzuwenden. Wie steht es denn um die Bereitschaft anderswo, das zu ändern?
Bals: Wir werden das nächste Jahr dafür als eine Bewährungsprobe haben. Es haben 60 Staaten – das sind alles allerdings kleinere Staaten und viele, die jetzt schon besonders stark vom Klimawandel betroffen sind – eine Verschärfung ihrer Klimaziele angekündigt. Im nächsten Jahr ist jetzt die Frage, welche der großen Emittenten, Europa, China, Indien, Südafrika, Indonesien, Kanada und so weiter, sind bereit, ihre Klimaziele deutlich zu erhöhen, um endlich auf einen Pfad zu kommen, der in Paris versprochen worden ist. Das ist eine offene Frage. In all diesen Ländern gibt es einen Kampf darum, wie weit und in welchem Ausmaß das stattfindet. Wenn das positiv ausgehen würde, würden wir in einem Jahr deutlich besser dastehen als jetzt.
"Die EU-Ziele für 2030 deutlich zu erhöhen"
Ehring: Was erwarten Sie denn in dem Zusammenhang von der neuen EU-Kommission?
Bals: Die neue EU-Kommission hat ja vorgeschlagen, die EU-Ziele für 2030 deutlich zu erhöhen, von 40 Prozent auf 50 bis 55 Prozent. Wenn es gelingt, diese 55 Prozent bis Ende nächsten Jahres in der EU fest zu verankern, steht die EU-Klimapolitik auf einer ganz neuen Grundlage und damit wäre dann die EU einer der Vorreiter, die dann ein guter Gesprächspartner für Indien, für China, für Südafrika sein können, um gemeinsam die Energie- und Verkehrswende weltweit mit durchzusetzen.
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