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US-Ausstieg aus UNESCO
"Das allerschlechteste Zeichen"

Die USA ziehen sich aus der UNESCO zurück und setzten damit aus Sicht des Politikwissenschaftlers Albrecht von Lucke ein deutliches Zeichen: Was die USA unter Donald Trump betrieben, sei eine ganz systematische Geringschätzung der Vereinten Nationen, sagte er im Dlf.

Albrecht von Lucke im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke sitzt im Studio von Deutschlandfunk Kultur.
    Die Politik Donald Trumps sei immer innenpolitisch getrieben, sagte der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke im Dlf. (Deutschlandradio – Laura Lucas)
    Martin Zagatta: Die USA und auch Israel verlassen die UNESCO. Aber wenn die USA ihre Zahlungen ohnehin schon lange eingestellt haben, trifft dann dieser Austritt die UNESCO überhaupt noch sonderlich? Das konnte ich am Abend den Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke fragen. Er ist Redakteur bei den "Blättern für deutsche und internationale Politik".
    Albrecht von Lucke: Das trifft sie schon, und zwar, glaube ich, geht das grundsätzliche Problem weit über die finanzielle Frage hinaus. Was die USA unter Donald Trump hier betreiben, ist ja eine ganz systematische letztlich Geringschätzung der Vereinten Nationen und letztlich des Prinzips der Individualität dieser Einrichtung und letztlich auch ein Verzicht auf das, was die Politik der USA eigentlich letztlich zumindest das zweite letzte halbe Jahrhundert oder das ganze vielleicht sogar ausgemacht hat, nämlich der Verzicht auf Soft Power in der ganzen globalen Auseinandersetzung. Donald Trump zeigt, indem er jetzt wirklich einen finalen Schlussstrich zieht, dass er gar keine Ambitionen mehr hat, mit der UN etwas anzustellen, und das ist auch der große Unterschied zu Barack Obama. Da war es eine Sanktionierung einer konkreten Politik. Hier ist es ein Schlussstrich.
    Zagatta: Aber passt denn dieser Austritt jetzt in das Muster, dass Sie sagen, Präsident Trump schert sich einen Teufel eigentlich um internationale Organisationen? Dieses Unbehagen, dieser Missmut gegenüber der UNESCO, den gibt es doch schon seit Jahren.
    von Lucke: In der Tat, den gibt es seit Jahren. Und es wird auch immer wieder Fragen geben. Wenn wir jetzt daran denken, an die jüngste Debatte um die Frage, ob auch der jüngste Kandidat zum Posten des UNESCO-Generaldirektors ein Antisemit sein könnte, das sind Debatten, die geführt werden.
    Es geht aber, glaube ich, hier um was wesentlich Grundsätzlicheres. Diese Absage an die UNESCO reiht sich ja in eine Reihe von Auftritten Donald Trumps, die alle letztlich einen Impetus hatten: Absage an die Kodifikation der Vereinten Nationen. Denken wir nur an den großen Auftritt vor wenigen Wochen, seinen ersten vor der UNO-Vollversammlung. Das war eine Absage sonders gleichen. Also letztlich die eigentliche Bestimmung, ich setze nur auf Hard Power, ich setze auf militärische Auseinandersetzung, auf wirtschaftliche. Das erleben wir übrigens auch in der Absage an den Vertrag mit dem Iran. Das heißt, es ist eine Tendenz, die letztlich auf Diplomatie vollkommen verzichtet, und da spielt natürlich die UNESCO schon eine große Rolle. Sie ist ja weit mehr als eine Kultureinrichtung. Sie ist der Versuch nachhaltiger Politik. Sie ist der Versuch, auf kulturlicher Ebene so etwas auch wie kulturelle Hegemonie zu betreiben.
    "Politik Donald Trumps ist immer eine konträre Politik zu der Obamas"
    Zagatta: Aber sind denn die USA in diesem Punkt tatsächlich so isoliert? Ich erinnere nur daran: Die Bundesregierung – ich glaube, es war die schwarz-gelbe Bundesregierung - hat damals ja auch gegen die Aufnahme Palästinas in die UNESCO gestimmt als Vollmitglied. Bringt dieser Austritt jetzt Berlin auch irgendwo unter Druck, oder müsste sich Berlin da nicht sogar mal solidarisch zeigen? Das könnte man ja umgekehrt fragen.
    von Lucke: In der Tat. Die Israelis haben das in der Tat getan. Das ist ja völlig richtig. Dem Austritt der USA folgte der Austritt Israels. Nur, die Grundfrage ist doch die: Ist es eine kategorische Absage oder eine, die letztlich weiterhin Vorbehalte geltend macht, indem sie die Zahlungen einstellt.
    Sie haben ja zu Anfang zu recht gefragt. Der finanziell wesentlich härtere Einschnitt war natürlich der Verzicht auf jegliche Zahlungen. Das Interessante ist bloß, dass Obama natürlich – und man muss sich zweierlei bewusst machen: Die Politik Donald Trumps ist immer eine konträre Politik zu der Obamas -, dass Obama ja gerade trotzdem mit aller Vehemenz auf die Tätigkeit der Vereinten Nationen gesetzt hat. Und das Zweite, was man als kategorialen Unterschied bei der Politik Donald Trumps zu der Obamas sieht: Obamas Politik war mit einem wahren Interesse an den internationalen Angelegenheiten ausgelegt. Donald Trump macht das in allererster Linie für die Innenpolitik. Es ist eine Bühne, die er benutzt, um deutlich zu machen, auftretend auch vor der Vollversammlung immer mit den Worten, ich mache Politik für mein Land, America first mit aller Brutalität. Und das ist das Tragische: damit wahrscheinlich aber zum Schaden Amerikas und natürlich aber auch zum Schaden der anderen Beteiligten.
    "Aufgabe der öffentlichen Bühne ist das allerschlechteste Zeichen und auch die allerschlechteste Politik"
    Zagatta: Deutschland hat ja ganz besondere Beziehungen zu Israel und da gibt es doch die Vorwürfe auch, dass mit Geld aus Deutschland oder der EU Terroristen, Familien von palästinensischen Attentätern unterstützt würden. Wäre es da nicht an der Zeit, vielleicht auch mal gemeinsam mit den USA ein Zeichen zu setzen?
    von Lucke: Ja, das ist völlig richtig. Das Zeichen hat Obama gesetzt und das war ja auch durchaus nachvollziehbar, indem er Zahlungen einstellte. Die Grundfrage ist doch trotzdem: Wie ist das Verhältnis in den Vereinten Nationen im Verhältnis zu Israel und zu den Palästinensern.
    Wir müssen uns auf der anderen Seite auch bewusst machen, dass seit Jahren sämtliche Sanktionierungen der israelischen Politik nicht befolgt werden. Also wir haben es mit einem hochgradig aufgeladenen Verhältnis zu tun, das aber von beiden Seiten hoch konfrontativ behandelt wird. Und auch da ist wieder, machen wir uns auch das bewusst, der kategoriale Unterschied der Politik Donald Trumps zu der Obamas. Erinnern wir uns: Obama hatte ein hochgradig gespanntes Verhältnis zu Netanjahu, weil er darum wusste, dass die Isolation auch Israels in der arabischen Hemisphäre und die damit folgende Isolation der USA keine positive Fortentwicklung garantiert.
    Donald Trump vollzieht hier auch einen völligen Schwenk. Er hat sich voll an die Seite Netanjahus gestellt. Netanjahu war übrigens auch der Einzige, der bei seiner großen Rede in der UN-Vollversammlung voller Begeisterung Applaus spendete. Damit will ich sagen: Diese Tradition, die Konfrontation in der so hochgradig gespannten Nahost-Region zu suchen, glaube ich, verlangt durchaus ganz andere Strategien als eine Sanktionierung primär.
    Natürlich gibt es massive auch antisemitische Positionierungen in der arabischen Welt. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der Rückzug, dass die Aufgabe der öffentlichen Bühne das allerschlechteste Zeichen und auch die allerschlechteste Politik ist.
    Zagatta: Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.