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US-Autor Reza Aslan
Prophet des Pantheismus

Reza Aslan ist in den USA ein gefragter Religionsexperte. Sein jüngstes Buch "Gott" erscheint nun auch auf Deutsch. Aslan zeichnet darin die Geschichte der menschlichen Gottesvorstellungen nach – und wird am Ende selbst zu einer Art Prophet.

Von Christian Röther |
    Reza Aslan trifft auf Hawaii den selbsternannten Propheten JeZus
    Für den US-Fernsehsender cnn traf Reza Aslan (links) auf Hawaii den selbsternannten Propheten JeZus. Wird der Autor nun selbst zum Verkünder eines neuen Gotteskonzepts? (Screenshot cnn.com)
    Reza Aslan war und ist schon so einiges: Religionswissenschaftler, Autor, TV-Experte, TV-Produzent, TV-Moderator – erst Muslim, dann Christ, dann wieder Muslim. Und wird er jetzt auch noch zum Propheten?
    "Das ist lustig, weil das schon einige Journalisten angesprochen haben", sagt Aslan: "Manche sagten, ich würde kein historisches Buch schreiben, sondern eine Streitschrift. Manche haben mir sogar vorgeworfen, ich würde meine eigene Religion gründen wollen. Ich habe überhaupt gar kein Problem mit dieser Kritik. Denn ich will Menschen nicht nur etwas über die Vergangenheit beibringen, sondern ich will verändern, wie sie über die Gegenwart denken."
    Reza Aslan hat also einen Auftrag. Und dieser Auftrag heißt: Pantheismus.
    "Soweit wir das wissen können, ist Pantheismus die frühste Form menschlicher Spiritualität. Unsere Vorfahren scheinen geglaubt zu haben, dass alle Dinge eine Seele haben."
    "Bei Religion geht es ums Geschichtenerzählen"
    Um die Bedeutung des Pantheismus zu unterstreichen – für die Menschen früher, aber auch heute – erzählt Reza Aslan die Geschichte der menschlichen Gottesvorstellungen nach. Er beginnt bei Höhlenmalereien, Grabbeigaben, Figuren und Skulpturen. Diese spärlichen Hinweise auf die Anfänge übernatürlicher Vorstellungen fügt Aslan zu einer stimmigen Geschichte zusammen, und er erlaubt sich dabei viel erzählerische Freiheit.
    "Ich denke, ich bin als Autor über Religion so erfolgreich, weil ich eine Fähigkeit habe, Geschichten zu erzählen. Bei Religion geht es im Grunde genommen ums Geschichtenerzählen. Und als Geschichtenerzähler möchte ich Menschen erreichen, die normalerweise keine Bücher über Religionsgeschichte lesen."
    Sie beherbergt auf ihrer Wandfläche von rund 7X5 Metern hunderte von bestens erhaltenen Felszeichnungen, die als Motive zahlreiche Menschen, Jäger und Schwimmer und ebenso Wildtiere wie Giraffen, Gazellen und Strauße, aber keine domestizierten Tiere zeigen.
    Felsmalereien in der sogenannten Foggini-Mestekawy-Höhle - für Reza Aslan ein Ausdruck des Glaubens an übernatürliche Kräfte. (picture alliance / dpa / Matthias Tödt)
    Nun könnte die Religionsgeschichte aber eben auch ganz anders erzählt werden als Reza Aslan es tut. Grabbeigaben etwa oder Handabdrücke in Höhlen verweisen eben nicht zwangsläufig auf etwas Übernatürliches. Da stimmt Reza Aslan zu.
    "Wir könnten stundenlang darüber diskutieren, und würden uns nie einig werden, ob etwas auf religiösen Glauben hinweist oder nicht."
    Deshalb argumentiert Reza Aslan auch mit Erkenntnissen aus der Hirnforschung. Die würden zeigen, dass der Mensch gar nicht anders könne, als sich seine Umwelt beseelt vorzustellen.
    Religiöse Menschen benehmen sich wie Kinder
    Die Menschheit werde kognitiv geradezu gezwungen, sich übernatürliche Wesen zu erschaffen, meint Aslan. Und dabei hätten Menschen seit jeher menschliche Eigenschaften auf ihre Götter übertragen. Und diese Götter können dann eben – wie die Menschen – Gutes und Böses tun. Deshalb wollten die meisten Menschen ihrem Gott gefallen.
    "Mein Vierjähriger benimmt sich, weil er einen Lolli will. Und so handelt die große Mehrheit religiöser Menschen, leider: Sie tun Gutes, weil sie hoffen, dass Gott ihnen einen Lolli gibt, wenn sie sterben."
    Reza Aslan hält dieses Gotteskonzept nicht nur für naiv, sondern auch für schädlich. Denn Menschen könnten und würden sich so auf den Willen Gottes berufen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Und das bringt dann eben auch viel Schlechtes hervor, siehe: Religionsgeschichte. Und Gegenwart. Reza Aslan will die Menschheit also zu einem anderen Gotteskonzept bekehren.
    "Ein Gotteskonzept, in dem Gott nicht einfach ein göttliches Abbild Deiner selbst ist, sondern etwas Tiefsinnigeres: die Summe der gesamten Schöpfung."
    "Du bist Gott"
    Reza Aslan will zurück zum Pantheismus, einer, wie er schreibt, reiferen, friedlicheren und ursprünglichen Form von Spiritualität. Der Autor stellt sich explizit in eine Reihe mit Religionsstiftern wie Echnaton oder Zarathustra. Spätestens an dieser Stelle wird klar: Aslans Buch kommt zwar wissenschaftlich daher, mit Fußnoten, Literaturverzeichnis und allem was dazu gehört, aber das alles dient nur dazu, die Leser von Aslans eigenem Gotteskonzept zu überzeugen: Jeder Mensch habe teil am Göttlichen. Reza Aslan sagt: "Du bist Gott".
    Wirklich jeder Mensch, auch solche, die der oft streitlustige Reza Aslan nicht ausstehen kann, wie – sagen wir – US-Präsident Donald Trump?
    "Ich wusste, dass Sie mir das antun würden. Ja, Gut und Böse sind menschliche Entscheidungen, sie liegen in menschlicher Verantwortung."
    US-Präsident Donald Trump spricht zu Journalisten bei seiner Ankunft in Erie/Pennsylvania
    US-Präsident Donald Trump ist für Reza Aslan unter anderem ein Rassist und Sexist - und trotzdem Teil des Göttlichen (AFP / Mandel Ngan)
    "If you are a racist, sexist, pathological lying narcissistic sociopath like Donald Trump is – that‘s not because the devil made you that way. That‘s cause that‘s how you are."
    "Die Welt und alles in ihr ist göttlich"
    Wenn man also wie Donald Trump ein rassistischer, sexistischer, narzisstischer und pathologisch lügender Soziopath sei, dann sei das nicht das Werk des Teufels, sondern dann sei dieser Mensch eben so – und trotzdem Teil des Göttlichen.
    "Ich werde niemanden entmenschlichen, denn er ist Gott. Ich werde die Natur nicht ausbeuten, denn sie ist Gott. Ich werde nichts Böses tun, denn die Welt und alles in ihr ist göttlich."
    Das klingt wie ein pantheistisches Glaubensbekenntnis – und passt bestens ins 21. Jahrhundert. Reza Aslan hat also alles, was ein Prophet so braucht: eine zeitgemäße Heilslehre, die er auch noch mitreißend erzählen kann, er hat jede Menge Charisma und ein fast schon übernatürliches Selbstbewusstsein. Was so ein Prophet hingegen nicht braucht, und das sieht man auch bei Reza Aslan: wissenschaftliche Beweise.
    Reza Aslan: Gott. Eine Geschichte der Menschen. Ca. 320 Seiten, 22,00 Euro.