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US-Berichterstattung
Quotenkiller Klimawandel

Fakten zur Erderwärmung, UN-Klimaberichte oder Umweltpolitik - das Thema Klimawandel spielt in den US-Medien oft kaum eine Rolle. Um die Klima-Berichterstattung zu verbessern, haben sich nun weltweit Medienhäuser zusammengeschlossen. Große Titel wie die "New York Times" aber fehlen dabei.

Von Sinje Stadtlich |
Jane Fonda steht im November 2019 bei einer Klimademo der "Fire Drill Fridays" in Washington, DC am Rednerpult und spricht durch ein Megafon
Prominenz sticht Inhalte? Wenn Schauspielerin Jane Fonda als Klimaaktivistin auftritt, berichten die US-Medien - weniger aber, wenn es um Fakten zum Klimawandel geht (imago images / UPI Photo)
Wenn Hollywood-Star Jane Fonda vor dem Kapitol in Washington zu ihren allwöchentlichen Klima-Demos ruft – und sich manchmal sogar festnehmen lässt, dann sind die US-Medien da und berichten ausführlich, manche live.
"Das ist Jane Fonda auf einem neuen Kreuzzug. Dieses Mal gegen den Klimawandel. Jeden Freitag in den vergangenen zwei Monaten hat die Oscar-prämierte Kult-Schauspielerin und lebenslange Aktivistin Demonstrationen in der Hauptstadt angeführt." (NBC News vom 06.12.2019)
Wenn es aber um Inhalte geht, um die Ursachen für den Klimawandel und mögliche Lösungen, dann halten sich die US-Medien oft zurück. Als der Weltklimarat 2018 einen wegweisenden Sonderbericht zur Erderwärmung veröffentlichte, haben das gerade mal 22 der 50 größten US-Zeitungen berichtet.
Fakten zum Klimawandel fehlen
Talk Show-Moderator Chris Hayes vom Sender MSNBC hat es auf Twitter einmal so formuliert: Jedes Mal, wenn sein Sender über Klimawandel berichte, sei das ein echter Quotenkiller. Daher die mangelnde Begeisterung der Redakteure.
Ein Problem sei auch, dass in den US-Medien oft die Grundkenntnisse über das Thema fehlten, sagt David Romps. Er ist Klimawissenschaftler an der University of California in Berkeley und hat exemplarisch die Berichterstattung der "New York Times" von 1980 bis heute untersucht.
"Wir haben in der 'New York Times' nach den fünf wichtigsten Fakten zum Klimawandel gesucht und festgestellt, dass sie größtenteils fehlen. Die Tatsache, dass es einen Konsens der Wissenschaftler gibt, was den Klimawandel angeht, erscheint nur in vier Prozent der Artikel. Dass die CO2-Konzentration heute höher ist als jemals zuvor, erwähnt nur ein Prozent der Artikel. Ich denke, diese Mängel in der Berichterstattung verhindern, dass das amerikanische Publikum versteht, worum es geht und dass die Menschen etwas gegen den Klimawandel tun."
Sie sehen US-Präsident Donald Trump. Er spricht im "Oval Office" des Weißen Hauses zu Reportern über eines seiner Dekrete.
Von falschen Ansprüchen und fehlender Menschlichkeit - US-Journalismus in der Krise
Journalistische Objektivität kann es nicht geben, meint US-Journalismusforscher Jay Rosen. Dieser Anspruch führe dazu, dass zu wenig kritisch eingeordnet werde. Journalisten müssten transparenter berichten.
"Im Jahr 2019 gab es so viele Artikel wie fast noch nie"
Doch es gibt auch einen positiven Trend, berichtet Max Boykoff. Er leitet das Media and Climate Change Observatory in Colorado, das vor allem die Quantität der Klima-Berichterstattung weltweit untersucht.

"Die US-Berichterstattung ist tatsächlich über die Jahre stark angestiegen, und im Jahr 2019 gab es so viele Artikel wie fast noch nie. Wenn es allerdings darum geht, Klimawandel nicht nur als isoliertes Phänomen zu betrachten, sondern auch die Verbindungen aufzuzeigen zu politischen Überlegungen und sozialen Fragen wie zum Beispiel Migration, wie ist da der Zusammenhang zum sich ändernden Klima, da liegt noch Arbeit vor uns."
"Das Klima-Schweigen in den USA zu brechen"
Um die Situation zu verbessern, hat Journalist Mark Hertsgaard zusammen mit einem Kollegen Ende 2018 "Covering Climate Now" ins Leben gerufen: Ein Zusammenschluss verschiedener Medienhäuser vor allem in den USA, aber auch weltweit, der sich vornimmt, mehr und besser über Klima zu berichten. In Deutschland sind unter anderem die "taz" und der "Stern" dabei.
Die Initiatoren beraten Redaktionen, Artikel werden ausgetauscht, im vergangenen September gab es eine "week of coverage", eine Art konzentrierte Aktion der Berichterstattung.
Mark Hertsgaard: "Wir haben es mit der Initiative geschafft, dass Journalisten, die in der Vergangenheit mit dem Thema Klimawandel nicht durchdrangen in ihren eigenen Redaktionen, jetzt mehr Gehör bekommen. Weil sie sagen können: 'Hier, guck mal, CBS News macht das, Reuters macht das auch, und AFP'. Unser erstes Ziel war es, das Klima-Schweigen in den USA zu brechen. Ich denke, das haben wir geschafft. Jetzt wird die Herausforderung sein, die Berichterstattung zu verbessern."
New Yorker demonstrieren gegen Trumps Kabinett, zu dem auch Personen gehören, die bestreiten, dass es einen Klimawandel gibt. Eine Frau hält ein Schild in der Hand, auf dem steht: "Earth needs thinkers not deniers". Die Erde braucht Denker, keine Leugner. 
Das Verhältnis zwischen Trump und der Wissenschaft
Der Klimawandel – für Donald Trump eine Glaubensfrage. Oder eine Erfindung der Chinesen, die der US-Wirtschaft schaden soll. Impfen hält er für gefährlich. Wichtige Ämter besetzte er nach seiner Wahl mit Gegnern der Evolutionstheorie und Klimawandel-Skeptikern.
Einige große Medien wie die "New York Times" oder die "Washington Post" haben sich der Initiative nicht angeschlossen – sie wollen sich nicht dem Vorwurf des Aktivismus aussetzen. Mark Hertsgaard kann das nicht verstehen. Die Verpflichtung von Medien zum Abbilden beider Seiten einer Debatte ende dort, wo die eine Seite nicht den Stand der Wissenschaft respektiere, sagt er. So wie beim Klimawandel.