Uli Blumenthal: Es begann Ende 2016: Männer und Frauen, die auf Kuba im diplomatischen Dienst für Kanada und die USA arbeiteten, klagten über Gesundheitsbeschwerden: Sie litten unter Hör- und Sehproblemen, Übelkeit und Schlafstörungen. Als die Geschichte dann über ein halbes Jahr später an die Öffentlichkeit drang, kam das Gerücht auf, dass sie Opfer eines Angriffs mittels einer ominösen Schallwaffe geworden sind. Doch hinter diesem Havanna-Syndrom könnte auch eine ganz andere Ursache stecken, wie jetzt Fachleute aus Kanada berichten.
- Mein Kollege Arndt Reuning hat sich die Veröffentlichung gelesen. Warum war denn im Jahr 2017 überhaupt die Idee einer Schallwaffe aufgekommen?
Arndt Reuning: Die betroffenen Personen, rund vierzig Menschen aus den beiden Botschaften, hatten berichtet, dass sie unangenehme Geräusche gehört hatten, kurz bevor diese Symptome dann einsetzten. Manche beschrieben diese Geräusche als ein metallisches Reiben, ein Schleifen, andere wie das hohe Zirpen einer Grille. Und genau danach sollen dann diese Symptome aufgetreten sein. Und durch diese zeitliche Nähe glauben die Menschen an einen Zusammenhang. Und daher die Idee einer Schallwaffe, die möglicherweise Frequenzen nutzt, die von Menschen normalerweise nicht oder kaum gehört werden können, Infraschall oder Ultraschall. Dieser Schall, der könnte dann eventuell neurologischen Schaden im Gehirn verursachen.
Arndt Reuning: Die betroffenen Personen, rund vierzig Menschen aus den beiden Botschaften, hatten berichtet, dass sie unangenehme Geräusche gehört hatten, kurz bevor diese Symptome dann einsetzten. Manche beschrieben diese Geräusche als ein metallisches Reiben, ein Schleifen, andere wie das hohe Zirpen einer Grille. Und genau danach sollen dann diese Symptome aufgetreten sein. Und durch diese zeitliche Nähe glauben die Menschen an einen Zusammenhang. Und daher die Idee einer Schallwaffe, die möglicherweise Frequenzen nutzt, die von Menschen normalerweise nicht oder kaum gehört werden können, Infraschall oder Ultraschall. Dieser Schall, der könnte dann eventuell neurologischen Schaden im Gehirn verursachen.
Schallwellen-Theorie wurde kritisiert
Blumenthal: Den hätte man dann aber mittels organischer Veränderung im Gehirn bei den Betroffenen auch nachzuweisen können?
Reuning: Es wurden tatsächlich Bildgebungs-Studien an einem Teil der Betroffenen durchgeführt. Also Gehirnscans, Magnetresonanz-Aufnahmen. Und in zwei Studien glaubten die Forschenden dann, Veränderungen an den Gehirnen beobachtet zu haben, die typisch sind für eine Gehirnerschütterung, auch mit den Langzeitfolgen einer Gehirnerschütterung. Beziehungsweise in einer zweiten Studie dann ein vermindertes Volumen bei der weißen Substanz im Gehirn. Allerdings wurden beide Untersuchungen wegen methodischer Mängel kritisiert. Zum Beispiel gab es keinen Vergleich vorher zu nachher.
Reuning: Es wurden tatsächlich Bildgebungs-Studien an einem Teil der Betroffenen durchgeführt. Also Gehirnscans, Magnetresonanz-Aufnahmen. Und in zwei Studien glaubten die Forschenden dann, Veränderungen an den Gehirnen beobachtet zu haben, die typisch sind für eine Gehirnerschütterung, auch mit den Langzeitfolgen einer Gehirnerschütterung. Beziehungsweise in einer zweiten Studie dann ein vermindertes Volumen bei der weißen Substanz im Gehirn. Allerdings wurden beide Untersuchungen wegen methodischer Mängel kritisiert. Zum Beispiel gab es keinen Vergleich vorher zu nachher.
Blumenthal: Welche These stellen die kanadischen Forscher jetzt in ihrer aktuellen Studie auf?
Reuning: Das ist eine Untersuchung von Fachleuten um Alon Friedman von der Dalhousie University in Halifax. Im Auftrag der kanadischen Regierung. Und Friedman sagt: Nicht Schall ist die Ursache, sondern Chemie. Und zwar bestimmte Insektenvernichtungsmittel, die das Nervensystem angreifen. Denn der Zeitpunkt, zu dem die ersten Symptome bei den Diplomatinnen und Diplomaten beobachtet wurden, fällt genau mit der Zika-Epidemie in Lateinamerika zusammen. Und das Zika-Virus wird von Mücken übertragen, von der Gelbfiebermücke. Deshalb wurden damals auch auf Kuba besonders häufig diese Insektizide versprüht, auch in den Wohnungen, Hotelzimmern und Büros der Botschaftsmitarbeiter. So haben sie dann eine hohe Dosis der Chemikalien aufgenommen, sagt Friedman, und das war möglicherweise die Ursache für die neurologischen Störungen.
Reuning: Das ist eine Untersuchung von Fachleuten um Alon Friedman von der Dalhousie University in Halifax. Im Auftrag der kanadischen Regierung. Und Friedman sagt: Nicht Schall ist die Ursache, sondern Chemie. Und zwar bestimmte Insektenvernichtungsmittel, die das Nervensystem angreifen. Denn der Zeitpunkt, zu dem die ersten Symptome bei den Diplomatinnen und Diplomaten beobachtet wurden, fällt genau mit der Zika-Epidemie in Lateinamerika zusammen. Und das Zika-Virus wird von Mücken übertragen, von der Gelbfiebermücke. Deshalb wurden damals auch auf Kuba besonders häufig diese Insektizide versprüht, auch in den Wohnungen, Hotelzimmern und Büros der Botschaftsmitarbeiter. So haben sie dann eine hohe Dosis der Chemikalien aufgenommen, sagt Friedman, und das war möglicherweise die Ursache für die neurologischen Störungen.
Neue Beweise scheinen valide zu sein
Blumenthal: Gibt es Beweise, die die Wissenschaftler für diese These vorlegen können?
Reuning: Die Forschungsgruppe stützt sich zum einen auf Bluttests bei den Betroffenen. Dort konnten bestimmte Insektizide nachgewiesen werden. Neurotoxische Wirkstoffe, die körpereigene Enzyme blockieren. Außerdem stützen sich die kanadischen Forscher auch auf Gehirnscans wie die anderen Studien. Sie hatten im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Studien allerdings das Glück, dass sie Aufnahmen hatten, die vor dem Einsatz der Diplomaten in Kuba angefertigt worden waren. Und auch hier wurden Schäden gefunden in einem Gehirnareal, das empfindlich reagiert auf Neurotoxine wie eben in den Insektiziden.
Blumenthal: Das ist ja jetzt ein bisschen Thema für Freunde der Verschwörungstheorien - warum nur die US-Amerikaner und Kanadier? Eigentlich müssten ja auch andere Menschen von diesen Toxinen betroffen sein? Kubaner, beispielwese.
Reuning: Diese Frage hat sich Alon Friedman auch gestellt. Und tatsächlich hat er das jetzt als nächstes vor: Er möchte mit den Behörden in Kuba zusammenarbeiten, um herauszufinden, ob es auch in der einheimischen Bevölkerung solche Vorfälle gegeben hat.
Reuning: Die Forschungsgruppe stützt sich zum einen auf Bluttests bei den Betroffenen. Dort konnten bestimmte Insektizide nachgewiesen werden. Neurotoxische Wirkstoffe, die körpereigene Enzyme blockieren. Außerdem stützen sich die kanadischen Forscher auch auf Gehirnscans wie die anderen Studien. Sie hatten im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Studien allerdings das Glück, dass sie Aufnahmen hatten, die vor dem Einsatz der Diplomaten in Kuba angefertigt worden waren. Und auch hier wurden Schäden gefunden in einem Gehirnareal, das empfindlich reagiert auf Neurotoxine wie eben in den Insektiziden.
Blumenthal: Das ist ja jetzt ein bisschen Thema für Freunde der Verschwörungstheorien - warum nur die US-Amerikaner und Kanadier? Eigentlich müssten ja auch andere Menschen von diesen Toxinen betroffen sein? Kubaner, beispielwese.
Reuning: Diese Frage hat sich Alon Friedman auch gestellt. Und tatsächlich hat er das jetzt als nächstes vor: Er möchte mit den Behörden in Kuba zusammenarbeiten, um herauszufinden, ob es auch in der einheimischen Bevölkerung solche Vorfälle gegeben hat.
Es klingt nicht nur wie Grillen-Zirpen – es waren Grillen
Blumenthal: Wie lassen sich dann die merkwürdigen Geräusche erklären, die die Betroffenen gehört hatten?
Reuning: Manche Diplomaten haben von einem Geräusch berichtet, das sich anhört wie ein Zirpen von Grillen. Und ein Insektenkundler aus Kalifornien konnte zeigen, dass es genau das auch war. Eine jamaikanische Feld- oder Steppengrille, die irgendwo da draußen sitzt. Also: Selbst dieser Aspekt scheint in das Bild zu passen, dass Chemikalien für das Havanna-Syndrom verantwortlich sind – und nicht irgendwelche Schallwaffen.
Reuning: Manche Diplomaten haben von einem Geräusch berichtet, das sich anhört wie ein Zirpen von Grillen. Und ein Insektenkundler aus Kalifornien konnte zeigen, dass es genau das auch war. Eine jamaikanische Feld- oder Steppengrille, die irgendwo da draußen sitzt. Also: Selbst dieser Aspekt scheint in das Bild zu passen, dass Chemikalien für das Havanna-Syndrom verantwortlich sind – und nicht irgendwelche Schallwaffen.