Beim Atom-Abkommen mit dem Iran seien sich USA und Europäer einig, dass es darum gehe, zu verhindern, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen komme, sagte US-Botschafter Richard Grenell im Dlf. Nicht einig seien sie sich, was die Mittel angehe, um dieses Ziel zu erreichen. "Unsere Unterschiede betreffen nur die Taktik". Wichtig sei dabei auch, dass es sich bei dem Abkommen mit dem Iran nicht um einen Vertrag handele, der auch dem US-Senat vorgelegt worden sei, sondern um ein präsidentielles Abkommen. Der Iran übe in der Region einen unheilvollen Einfluss aus, sagte Grenell. Zudem sei die USA der Meinung, dass Handel mit dem Iran bedeute, die Mullahs und den Terrorismus zu unterstützen.
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Der Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump, der hat Sie ja jetzt als seinen Repräsentanten, als den Repräsentanten der Vereinigten Staaten, nach Deutschland geschickt. Warum Sie?
Richard Grenell: Ich glaube, um die Antwort zu bekommen, müssen Sie Präsidenten Trump selbst fragen. Ich bin jedenfalls hochentzückt, dass ich hier sein darf. Ich sehe mich mehr als Mitglied des Stabes, nicht so sehr als Botschafter. Damit meine ich, ich möchte Probleme lösen, ich möchte herausfinden, wo es derzeit hakt im Verhältnis zwischen USA und Deutschland. Und wissen Sie, ich habe mit dieser Aufgabe angefangen, nachdem ich acht Jahre bei der UNO gearbeitet hatte.
Schulz: Haben Sie sich beworben dafür oder standen Sie auf seiner Liste?
Grenell: Ich habe schon sehr früh den Präsidenten Trump als Kandidaten unterstützt. Er hatte mich auch schon kennengelernt, ehe der Wahlkampf begann, und ich habe auch ein bisschen für ihn gearbeitet über die UNO. Das heißt, er kannte mich schon, und als ich jetzt gefragt wurde, ob ich das übernehmen wollte, war ich natürlich sofort bereit, darauf einzuspringen.
Schulz: Die nächste Frage, die da jetzt natürlich naheliegt für alle, die Donald Trump beobachten: Bringen Sie "America first" jetzt nach Berlin?
Grenell: Ich sehe meine Aufgabe eher als die eines Brückenbauers, als eines Problemlösers, und das sollten die Deutschen auch von mir erwarten. Sie sollten mich als jemanden sehen, der die Ärmel hochkrempelt, der sich eine Aufgabenliste erstellt und das dann Punkt für Punkt abarbeiten möchte, und am Ende meiner Amtszeit hier möchte ich dann imstande sein zu sagen, ja, vieles ist geschafft worden für die deutschen Unternehmen, für den Austausch mit Deutschland und auch für die amerikanische Wirtschaft, für den Austausch mit den USA. Ich sehe mich als jemanden, der Mehrwert schafft, weil ich eben Donald Trump und seine Regierung kenne, und ich möchte imstande sein, die bestehende enge Beziehung noch zu vertiefen und Probleme, die vielleicht da sind, zu lösen. In acht Jahren UNO habe ich doch eines gelernt: Vom ersten Tag an, als ich mit den Deutschen zusammenarbeitete bei der UNO, wir stehen immer exakt auf derselben Seite bei allen Problemen, ob es die Demokratie angeht, Menschenrechte, den Kapitalismus. Stets sind wir in einer engen Partnerschaft, und wir haben immer auf eine enge Zusammenarbeit hingearbeitet, und ich habe es doch erfahren: Wenn man die Deutschen miteinbezieht in solche weltumspannenden Probleme, dann findet man gut ausgebildete, strategisch denkende Partner, und das ist es doch genau, was wir suchen.
"Großer Respekt auf beiden Seiten vorhanden"
Schulz: Aber woran merken die Europäer das denn, dass wir Partner sind und dass diese Partnerschaft auch wichtig ist für Donald Trump?
Grenell: Nun, das ist äußerst wichtig. Ich habe dabeigesessen, als Präsident Trump und Bundeskanzlerin Merkel im Weißen Haus alle diese Themen besprachen. Ich spürte, welch großer Respekt auf beiden Seiten vorhanden ist. Donald Trump hat verstanden, dass Kanzlerin Merkel eine sehr erfolgreiche Politikerin ist, dass sie eine der führenden Persönlichkeiten Europas ist, und er hat auch begriffen, wie machtvoll und einflussreich die deutsche Wirtschaft ist und wie wichtig die Menschen in Deutschland, die Innovationskraft Deutschlands für uns ist, und als enge Freunde, die wir nun einmal sind, können wir offen miteinander sprechen, und wir wollen alles tun, damit diese freundschaftliche Beziehung noch vertieft wird.
Schulz: Sind nicht Respekt, Freundschaft, Vertrauen, sind das nicht auch Parameter einer Freundschaft?
Grenell: Nun, Sie haben da eine ganze Reihe von Themen ausgespart, die wir ja miteinander abarbeiten. Ich sehe ein, dass es Aufgabe der Medien ist, vieles kritisch zu betrachten, aber es gilt doch das Ganze in dem viel größeren Kontext unserer Beziehungen einzubetten, und da erkennt man gleich, wir haben sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als man gemeinhin zugibt. Was nun dieses Thema Iran angeht, das Sie angesprochen haben, auch hier gilt, dass die Europäer und die USA genau auf derselben Seite sind, wenn es darum geht, das Bedrohungspotenzial, das Iran darstellt, einzuschätzen. Die Erklärung der EU-3-Staaten zum Thema Iran-Abkommen hat eine Besorgnis über unseren Rückzug aus diesem Atomabkommen ausgedrückt, aber es war doch klar, dass die USA und die Europäer darin übereinkommen, dass dieses Abkommen verhindern soll und verhindern muss, dass der Iran Atomwaffen herstellt. Unsere Meinung ist, dass dieses Abkommen zu schwach ist, um den Iran wirklich daran zu hindern, Atomwaffen herzustellen und ein Atomprogramm fortzuführen. Wir stimmen also in der Zielsetzung, die wir verfolgen, überein, aber Europäer und Amerikaner sind nicht einer Meinung, was die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angeht.
"Unsere Unterschiede betreffen nur die Taktik"
Schulz: Jetzt waren ja Macron und Merkel im Washington und haben gewarnt vor dem Bruch des Nuklearabkommens. Es gab diese heftige Diskussion über die Strafzölle, die eingeführt werden sollen, und es gab auch die Warnung davor, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen in Israel. Aus europäischer Sicht scheint das ja alles überhaupt nichts geändert zu haben. Welches Gewicht hat die europäische Stimme denn?
Grenell: Auch hier besteht Übereinstimmung in der Einschätzung des Bedrohungspotenziales, das der Iran darstellt. Unsere Unterschiede betreffen nur die Taktik. Nehmen wir auch die NATO: Auch von der Wichtigkeit der NATO sind wir überzeugt, und wir sind auch überzeugt, dass es wichtig ist, dass jedes Land zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigungsaufgaben aufwendet, und wir wollen, dass dies auch prioritär gesetzt wird, dass eben wirklich alle Länder in Europa zwei Prozent für die Verteidigung aufbringen, denn wir glauben, dass dieses Thema wirklich zählt.
Schulz: Dann sind also die 1,5 Prozent, die Angela Merkel ja gerade angekündigt hat, die reichen dann nicht?
Grenell: Nun, die Selbstverpflichtung Deutschlands lautet zwei Prozent. Das ist ihre selbstauferlegte Verpflichtung. Wir freuen uns jetzt darauf, einen Plan zu sehen, wie die Deutschen dieses Ziel der zweiprozentigen Ausgabe zu erreichen gedenken, und diesen Plan werden sie dann, so hoffen wir, in diesem Sommer den NATO-Verbündeten vorlegen.
Schulz: Und jetzt nach dem Bruch des Iran-Abkommens: Wie wollen die USA da ihren Partnern denn noch sagen, was wir verabredet haben, das halten wir auch? War das nicht ein echter Vertrauensbruch?
Grenell: Ja, das wäre in der Tat sehr wichtig, wenn es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag handeln würde. Vielleicht wissen Sie das nicht: Es handelt sich hier nicht um einen Vertrag, sondern nur um eine Präsidentenanordnung. Das ist nicht ein internationales Abkommen, das dem Senat vorgelegt worden wäre. Also es ist kein Vertrag.
"Wir wollen starke, wirksame Vertragsklauseln, denen alle zustimmen können"
Schulz: Aber es wurde ja als Verabredung gesehen. Wenn wir jetzt drauf schauen, wie verlässlich die USA sind, dann fragt man sich, warum sollte jetzt ein Kim Jong-un, um dessen Atomaktivitäten es jetzt ja auch geht, warum sollte der sich auf einen Deal mit Donald Trump einlassen, der ja gerade ein Abkommen gebrochen hat?
Grenell: Nun, ich darf Ihnen vielleicht erzählen, wie diese Nordkorea-Diplomatie jetzt begonnen hat. Ich war ja dabei bei der Sitzung des UNO-Sicherheitsrates im Jahr 2005, als die Staatengemeinschaft begann, Sanktionen gegen Nordkorea zu verhängen. Die Russen, die Chinesen, alle haben ihre Zustimmung signalisiert und haben gesagt, ja, wir werden Sanktionen gegen Nordkorea mittragen. Über die Jahre hinweg sahen wir dann, die Chinesen trotz ihrer Absichtserklärungen die Sanktionen nicht umgesetzt haben. Nordkorea konnte weiterhin Handel treiben und konnte weiterhin Schritte auf diesem Weg zu Nuklearwaffen gehen. Schon sehr bald, im Laufe von sechs bis acht Monaten, erkannten wir, dass diese Sanktionen wirksam sind, dass sie uns dem Ziel, Nordkorea an den Verhandlungstisch zurückzubringen, näherbringen, und das ist ja unsere Aufgabe als Diplomaten: Wir wollen sprechen, wir wollen die Parteien an den Verhandlungstisch zurückbringen, wir wollen starke, wirksame Vertragsklauseln, denen alle zustimmen können, und die uns dabei helfen, dann das Ziel zu erreichen.
Schulz: Und jetzt haben wir die Situation, dass sich deutsche Unternehmen entscheiden müssen, auf welcher Seite sie stehen. Sie haben eine Menge Aufmerksamkeit auf sich gezogen mit Ihrem Tweet. Wenn wir jetzt noch mal schauen auf die deutsch-amerikanische Partnerschaft, da ist doch der Grund, warum hier in Deutschland der Schreck ja so groß war über Ihren Tweet, dass man sich gefragt hat, ist das jetzt der Arbeitsmodus des neuen Botschafters, dass ein Botschafter in unser Land kommt und Anweisungen erteilt?
Grenell: Es war keineswegs ein Befehl. Wir erkennen doch an, dass die deutsche Bundesregierung und die deutschen Unternehmen selbst entscheiden werden, mit wem sie Geschäfte treiben. Wir haben aber erkannt, dass der Iran in der Region einen unheilvollen Einfluss ausübt, dass man, wenn man mit dem Iran Handel treibt, die Mullahs unterstützt, dass man Geld an die Revolutionsgarden gibt, dass man Terrorismus unterstützt. Das ist unsere Meinung.
"Wir sehen uns als Problemlöser"
Schulz: Ist das jetzt der Ton? Viele haben es ja als Anweisung verstanden.
Grenell: Das glaube ich überhaupt nicht, was Sie da sagen. Viele Menschen haben sich an uns gewandt und haben gesagt, sie begrüßen es sehr, dass wir eine klare Ansage machen, dass jeder Handel mit dem Iran ein Handel mit den Mullahs sei. Das ist die Position der USA. Es liegt bei den Deutschen, bei der deutschen Regierung und der deutschen Wirtschaft, zu entscheiden, mit wem sie Geschäfte treiben wollen. Ich weiß aber von vielen deutschen Unternehmen, dass sie offen zugeben, dass sie nicht mit dem Iran Geschäfte machen wollen, wenn das ihr amerikanisches Geschäft aufs Spiel setzt. Da gibt es einfach keinen Vergleich in der Größenordnung. Meine Aufgabe sehe ich darin, bei diesem Thema, das, wie ich meine, kein echtes Problem sein wird, zu erklären, was unsere Position ist, mit klaren, deutlichen Worten, wie man es gegenüber Freunden macht.
Schulz: Was können wir Deutschen denn tun, um Sie besser zu verstehen?
Grenell: Das ist eine berechtigte Frage. Ich würde Sie anders herum aufzäumen: Ich würde die Verantwortung bei mir, bei unserem Team sehen, und ich habe das auch dem Team in der Botschaft gleich zu Beginn gesagt, kümmert euch nicht allzu sehr um Meinungsumfragen, hört nicht allzu sehr auf das, was die politische Klasse, die Reporter und so weiter untereinander reden, sondern wir sehen uns als Problemlöser. Wenn man die Welt gesehen hat, wenn man etwas herumgekommen ist, dann wird man eindeutig erkennen, dass wir stets auf derselben Seite stehen und dass wir sehr, sehr viele Gemeinsamkeiten haben.
Schulz: Thanks a lot!
Grenell: Thank you!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.