Gut 40 Gemeindemitglieder sind an diesem Sonntag in der St. Matthews Episcopal Church zusammengekommen. An hohen Feiertagen sind es manchmal 100. Viel mehr Platz gibt es auch nicht in der kleinen Kirche in Hallowell nahe Maines Hauptstadt Augusta. Darunter ist auch Jessica Gorton. Sie ist katholisch aufgewachsen, aber mittlerweile ein spiritueller Freigeist. Wäre ihr Mann David Matson nicht der Priester von St. Matthews, würde sie vielleicht ausschlafen oder sich in ihrer Gärtnerei um ihre Heilkräuter kümmern.
"Ich würde mich eher als spirituell bezeichnen. Manchmal fühle ich mich hin- und hergerissen zwischen meiner Rolle als Frau des Priesters und meinem persönlichen Verhältnis zu Gott."
Die Episkopalkirche ist eine der ältesten Kirchen der USA. Sie gehört zur Anglikanischen Kirchengemeinschaft und hat heute gut zwei Millionen Mitglieder. Das ist weniger als ein Prozent der US-Bevölkerung. Erstaunlicherweise waren jedoch mehr als ein Viertel aller amerikanischen Präsidenten Mitglieder der Episkopalkirche. Und natürlich ist die anstehende Präsidentschaftswahl auch in Jessicas Gemeinde ein großes Thema:
"Ich kann meine eigene Meinung nur schlecht für mich behalten, auch wenn nicht ich, sondern mein Mann auf der Kanzel steht. Ich rede gerne über politische Themen und ich glaube, das ist der einzige Weg, auch mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die nicht deiner Meinung sind. "
Wo Trumps Chancen gar nicht schlecht stehen
Und von denen gibt es im zweiten Wahldistrikt eine Menge. Maine ist einer der wenigen US-Staaten, in dem die Stimmen nach Distrikten vergeben werden und nicht als Gesamtpaket. Distrikt 1 ist urban und umfasst die reicheren Küstenstädte. Dort hat Trump keine Chance. Distrikt 2 hingegen ist ländlich und arm und dort stehen Trumps Chancen gar nicht schlecht. In diesem Distrikt liegt auch das Städtchen Hallowell. Die meisten Mitglieder der St Matthews Gemeinde sind Republikaner, doch einen wie Trump wollen die wenigsten unterstützen. Einen Mann, der den einen oder anderen aus dem Land schmeißen will. In seinen Predigten hält sich Jessicas Mann, Pfarrer David Matson, mit Bekenntnissen für oder gegen einen der Kandidaten zurück. Doch wer will, kann zwischen den Zeilen lesen.
"In sich zu gehen, kann dabei helfen, über Stammesdenken hinwegzusehen. Wir tun es alle, wir reden von uns und den Anderen: Wir, die weißen christlichen episkopalen Neuengländer und die Anderen. Und wenn wir nicht zusammen halten, dann kommen die anderen und nehmen es uns weg."
Offiziell müssen die Kirchen neutral sein
Kirchen ist es untersagt, eine Wahlempfehlung abzugeben. Sie könnten sonst ihren Non-Profit-Status verlieren. Auch Reverend James Clarkson, Pastor einer kleinen bibeltreuen Kirche im Küstenort Brunswick, bemüht sich, Politik vor der Kirchentür zu lassen. Aber nicht aus Angst vor finanziellen Einbußen. Denn für ihn und die wenigen Mitglieder seiner Kirche interessiert sich der Staat nicht, wie er sagt.
"Anders ist das, wenn Du eine Megakirche bist, wie die im Fernsehen. Die machen jedes Jahr Millionen. Wenn die hingehen und sagen: Wählt Clinton oder wählt Trump, dann riskieren sie ihren Non-Profit-Status. Aber meine Kirche ist doch so unbedeutend."
James Clarksons Kirche ist nicht konfessionsgebunden. Die meisten Gemeindemitglieder stammen aus katholischen Kirchen, denen die Regeln dort zu streng waren.
"Ich sag ihnen: Lest die Bibel! Das sind die Regeln. Ach ja, und kein Kaffee im Altarraum, das gibt Flecken auf dem Teppich. Und wir erlauben kein Getratsche."
Pastor James Clarkson ist einer der wenigen Afroamerikaner im Staat Maine. Bevor er Ende der 70er aus New York City hierher zog, war er Mitglied der Organisation "Nation of Islam", ein Black Muslim. Doch nach der Ermordung von Malcolm X begann er zu zweifeln, zog nach Maine und konvertierte zum Christentum. Heute wohnt er in einem kleinen weißen Haus hinter seiner Kirche. An den Wänden hängen Familienfotos: seine Kinder aus erster Ehe, die Kinder seiner zweiten Frau - und ganz oben hängt ein Bild von Jesus. Wenn er könnte, würde er ihn wählen:
"Wir treiben bei uns nicht die Politik voran, sondern Jesus. Er ist unser Präsident. Für ihn machen wir Wahlkampf. Und wenn ich dann doch höre, dass in unserer Kirche über Politik gesprochen wird, dann frag ich: Ist das Euer Gott? Das wollen sie natürlich nicht hören."
Beide Kandidaten sind "Sünder"
Doch die anstehende Wahl brennt den Mitgliedern auf der Seele. Viele wollen weder Trump noch Clinton im Weißen Haus sehen. In der Bibelgesprächsgruppe diskutieren sie mit ihrem Pastor die Frage, ob es unchristlich sei, nicht wählen zu gehen.
"Wenn Leute nicht wissen, wen sie wählen sollen, weil beide Kandidaten so schrecklich sind, dann sag ich, wähl niemanden, lass es. Denn sonst unterstützt Du etwas, das Du nicht willst. Ich halte nichts davon, das kleinere Übel zu wählen."
Am letzten Sonntag vor der Wahl wird Reverend James Clarkson seiner Gemeinde nur so viel mit auf den Weg geben: Wählt den besseren Kandidaten! Er jedenfalls geht zur Wahl: "Und so viel ist sicher, ich werde nicht für eine Frau wählen."
Der Feminismus habe die Familie zerstört, glaubt er und dafür stehe nun mal Hillary Clinton. Sündiger seien sie beide, Trump und Clinton:
"Auch wenn Donald Trump in vielem Recht hat - so wie er spricht, so hätte Jesus nicht gesprochen. Und Hillary Clinton hat uns ins Gesicht gelogen. Für beide gilt: Sünde ist und bleibt Sünde."
Jessica Gorton dagegen findet es heuchlerisch, wenn Pfarrer und andere Christen sich drehen und wenden, wenn es darum geht, Trumps Verhalten als das zu bezeichnen, was es aus ihrer Sicht ist: unchristlich.
"Es ist schon komisch sich als strenggläubiger Christ für einen Kandidaten auszusprechen, der zig Mal verheiratet war und schreckliche Sachen über Frauen sagt. Wer seine Religion ernst nimmt, der hat die Verantwortung etwas zu sagen!"