Stefan Heinlein: Wenn die Konstanz und Nachhaltigkeit der personalpolitischen Entscheidungen von Donald Trump ein Maßstab sind für die Qualität seiner Präsidentschaft, dann sieht es in der Tat düster aus für das Weiße Haus. Kurz vor dem Wochenende, gab sein Chefstratege, Steve Bannon, bekannt, er streicht die Segel und wird seinen Platz in Washington räumen und nicht mehr für Donald Trump arbeiten. Eine Entscheidung, die viele Beobachter in den USA nicht wirklich überrascht. Allerdings wird nun kräftig spekuliert über die politischen Folgen der Entscheidung für die künftige Präsidentschaft Donald Trumps. Der Direktor des Aspen-Instituts in Berlin, Rüdiger Lentz. Guten Tag, Herr Lentz!
Rüdiger Lentz: Guten Tag, Herr Heinlein!
"Aufatmen vor allen Dingen in Westeuropa"
Heinlein: Der Abgang des ultranationalistischen Chefstrategen, ist das unter dem Strich eine gute Nachricht für alle, die auf einen Sinneswandel im Weißen Haus hoffen?
Lentz: Ich glaube, dass gestern Nacht und heute Morgen ein Aufatmen durch viele Planungsstäbe vor allen Dingen in Westeuropa, aber auch im Rest der Welt gegangen ist, weil man natürlich jetzt die Hoffnung, zumindest die Hoffnung haben kann, dass manches im Weißen Haus, was bisher durch Chaos und radikale Positionen gekennzeichnet war, jetzt vielleicht etwas berechenbarer wird. Aber eine Garantie dafür gibt es auch nicht. Und wir haben es ja eben am Ende des Beitrages gehört – was wird Bannon jetzt machen, wie wird er seinen Einfluss geltend machen, wie wird er vor allen Dingen die radikale Basis von Präsident Trump weiter orchestrieren, denn das hat er aus dem Weißen Haus zum Teil ja sehr erfolgreich gemacht, und er wird es nicht aufgeben. Er hat ja schon einen Guerillakampf angekündigt, und in diesen Kampfkategorien denkt dieser Mann, und ich denke auch, er wird das nicht aufgeben, er wird weiter seine Stimme erheben. Und er ist ja noch am gleichen Abend sozusagen, in der ersten Redaktionssitzung seines ehemaligen Blattes oder seines Organs hat er schon wieder starke Töne gespuckt und gesagt, jetzt mache ich von dieser Position aus weiter.
"Das politische Washington fast zum Erliegen gebracht"
Heinlein: Was hat Bannon so gefährlich gemacht? Warum dieses Aufatmen, wie Sie sagen, in den Planungsstäben weltweit?
Lentz: Er ist ein Dekonstruktivist, das heißt, er möchte zerstören. Er ist einer, der sich gegen jede Form von Ordnung wendet, nicht nur gegen das Establishment. Er möchte beweisen, dass Bürokratien und Organisationen wie Parlamente eigentlich überflüssig sind. Er wird von radikalen Philosophien, von Kriegsphilosophien aus China, auch deutschen Philosophen, die eine starke Rechtslastigkeit haben – das sind die Gedanken, das ist das Gedankengut, aus dem er sich speist. Er ist nicht kalkulierbar, weil er sich gegen Kompromisse, gegen Politik als eine Art zu einer Lösung hin orientierten Gemeinschaftsprozesses stemmt, und das hat ihn so extrem gefährlich gemacht, weil Trump mit dieser Politik ja durchaus im Wahlkampf, als es darum ging, Leute hinter sich zu einen, sozusagen einen Kampf zu führen, um die Siegespalme zu erringen – das war damals für ihn sehr erfolgreich, hat aber im Grunde genommen praktisch das politische Washington fast zum Erliegen gebracht, denn dort kommt es darauf an, dass man mit dem Rest der Welt zusammenarbeitet, dass man versucht, pragmatische Lösungen zu finden. Und eigentlich möchte Bannon das alles völlig auf den Kopf stellen. Nur, er hat nie erklärt, was er eigentlich dann an die Stelle setzen möchte. Er möchte zerstören, aber weiß selbst nicht, wohin er dann will.
"Er ist gefeuert worden, das ist ziemlich eindeutig"
Heinlein: Herr Lenz, was ist da nun passiert im Weißen Haus gestern und in den letzten Tagen? Glauben Sie, dass Bannon gefeuert wurde, oder ist er freiwillig gegangen, hat das Handtuch geworfen, wie er ja steif und fest behauptet?
Lentz: Das politische Washington vermutet, dass Kelly eine ganz klare Entscheidung getroffen hat und dass ihm Trump dabei nicht in die Arme gefallen ist. Denn er konnte diese Entscheidung nicht treffen, ohne dass der Präsident dem zugestimmt hat. Der Präsident hat sich zurückgehalten. Bannon wird jetzt daraus eine Story machen nach dem Motto, ich habe ja schon immer mit dem Gedanken gespielt, mich zurückzuziehen. Aber das stimmt so nicht, denn er hat selbst gegenüber Vertrauten noch vor wenigenTagen gesagt, dass er nicht daran denke, zurückzutreten. Also er ist gefeuert worden, das ist ziemlich eindeutig. Die lakonische Erklärung war, man habe sich im beiderseitigen Einvernehmen getrennt und man wünsche ihm viel Glück. Das ist im Grunde genommen immer das, worauf man sich politisch einigt, wenn der eine gehen muss und der andere die Entscheidung getroffen hat, in diesem Fall der neue Stabschef Kelly.
"Gespannt, ob es jetzt einen pragmatischeren Prozess geben wird"
Heinlein: Ist also das Weiße Haus tatsächlich eine Schlangengrube? So hat es ja unser Korrespondent formuliert. Tobt da ein offener Machtkampf zwischen den verschiedenen Lagern? Ob das ein offener Machtkampf oder ein verdeckter Machtkampf ist, es ist ein Machtkampf. Es gibt verschiedene Zentren der Macht. Man darf die Familie Trumps dabei nicht außer Acht lassen, die ja zum Beispiel versucht hat, zum Beispiel die Klimaentscheidung gegen Paris noch abzuwenden. Auch die ist ein Machtzentrum. Und dann gibt es das Machtzentrum um die, sagen wir mal, die Militärgruppe, Mattis, McMaster und jetzt auch Kelly, die Pragmatiker sind, die versuchen, moderate Politik durchzusetzen. Und über allem schwebt Trump. Und Trump gibt jeweils der einen oder anderen Gruppe seine Gunst, und von daher bleibt das Ganze auch nach wie vor unkalkulierbar, und wir werden gespannt sein, wie jetzt der Weggang von Bannon, der sicherlich die radikale Spitze des Eisbergs war und ist, sich jetzt auf den Rest der Mannschaft auswirkt, ob es jetzt einen pragmatischeren Prozess geben wird, der jetzt das Weiße Haus auch begleiten könnte.
Iran, Nordkorea, NAFTA: "In den letzten Tagen sozusagen eine Beruhigung"
Lentz: Ist also, wie Sie sagen, der künftige Kurs des Weißen Hauses mit Donald Trump tatsächlich völlig unkalkulierbar, ist nicht absehbar, welche Gruppe, die Sie gerade geschildert haben, künftig das Ohr des Präsidenten hat? Denn er braucht ja Berater in vielen Dingen. Gerade außenpolitisch ist er ja weiterhin sehr unerfahren.
Heinlein: Man kann das eigentlich nur an dem ablesen, was nicht passiert ist. Es hat zum Beispiel in Richtung Atomabkommen Iran keine Eskalation mehr gegeben. Hier ist im Moment sozusagen Stillstand der Rechtspflege. Man hört wenig davon, und das lässt vermuten, dass da praktisch eine pragmatische Lösung gesucht wird. NAFTA soll neu verhandelt werden, das Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada. Da gibt es auch durchaus moderate, versöhnliche Töne in Richtung auf die beiden wichtigsten Nachbarn der USA in Nordamerika. Denken Sie an Nordkorea. Da hat es erst eine extreme Verschärfung auch im Ton gegeben, und in den letzten Tagen sozusagen eine Beruhigung. Das macht zumindest den Eindruck, als ob diese Gruppe um den Verteidigungsminister, um den Stabschef und um den Außenminister herum jetzt ihren moderaten Einfluss auf Trump mehr zur Geltung bringen. Man kann das nur hoffen.
Lentz: Im Deutschlandfunk der Direktor des Aspen-Instituts in Berlin, Rüdiger Lentz. Herr Lentz, ganz herzlichen Dank für diese Informationen, für dieses Gespräch, und ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Heinlein: Danke, Ihnen auch!
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