Der erfolgreichste Football-Trainer der letzten Jahre hat einen siebten Sinn für alles mögliche. Vor allem aber fürs Geld verdienen. Mit einem Jahresgehalt von 9,3 Millionen Dollar befindet er sich in derselben Liga wie die Chef Coaches in der NFL. Mit einem Unterschied: Nick Saban trainiert eine College-Mannschaft aus jungen Studenten, ist Angestellter des Bundesstaats Alabama und kommt bei seiner Entlohnung auf einen Betrag, von mehr als dem Zehnfachen des Universitätspräsidenten.
Unverwüstlich ist er auch nicht. Ende November wurde er positiv auf Covid-19 getestet. Das Resultat habe ihn überrascht, sagte er in einer Video-Pressekonferenz.
Coronatests werden verweigert
Die Offenheit des teuren Star-Trainers ist das eine. Das andere ist der Mangel an öffentlich verfügbaren Daten über erkrankte Spieler. Als die Football-Saison im September wieder in Schwung kam, verweigerte rund die Hälfte der Spitzenteams jedwede Auskunft über Testresultate.
Recherchen der New York Times deuteten an, weshalb: Seit Herbstbeginn haben sich landesweit wohl mehr als 6000 Spieler infiziert. Der Grund: Obwohl Diskussionen über Lockdown und Fernunterricht im Frühjahr dafür sorgten, dass die meisten Bildungseinrichtungen Vorlesungen und Seminare abbliesen, sahen die Sportabteilungen eine sehr viel größere Gefahr als die Ansteckung durch das Virus. Es geht ums Geld.
Und auch um politische Währung. Wie der scheidende Präsident demonstrierte, der im Wahlkampf fälschlicherweise behauptet hatte, er habe einen Einfluss auf die Entscheidungen der College-Verantwortlichen gehabt. Donald Trump flog zum traditionellen Spiel zwischen den Offiziersakademien von Heer und Marine und erhielt rauschenden Applaus.
Das Wichtigste ist die Fernsehübertragung
Wie existenziell das Thema ist, wurde deutlich, als zumindest eine der Teil-Ligen im Frühjahr den Sportbetrieb aussetzte, die sogenannte Big Ten Conference, die mit Universitäten wie Michigan, Ohio State und Penn State so etwas wie das Fundament der Football-Tradition an amerikanischen Universitäten bildet. In die Proteste gegen die Maßnahme schalteten sich sogar Eltern ein. Wie hier im August vor dem Büro der Big-Ten-Conference am Stadtrand von Chicago:
"Football ist hart. Wir kennen das Risiko. Das sage ich meinen Kindern ständig. Als ich am College mit dem Spiel aufgehört habe, hatte ich bereits Operationen an der Wirbelsäule und der Schulter. Drei Conferences werden spielen. Werden sie die Saison beenden? Keine Ahnung. Aber lasst es uns wenigstens probieren."
Die Big-Ten-Verantwortlichen ließen sich umstimmen. Und Kallenbergers Sohn Mark, einer der Muskelmänner in der Offensive Line, stand im November zum ersten Mal für die Universität Iowa von Anfang an auf dem Platz. Die Spiele werden vor leeren Zuschauerrängen ausgetragen, aber – was wichtiger ist für die Einnahmesituation - von den Fernsehsendern wie gewohnt live übertragen.
"Ich finde das jetzt schon ziemlich schlimm"
Ende November bekam das Problem eine neue Facette. Nun geht es um College-Basketball. Doch gleichzeitig stieg die Zahl der Virus-Infektionen und der Sterbefälle landesweit. Wieder gab es besorgte Stimmen. Wie von einem der hochbezahlten Erfolgstrainer, Mike Krzyzewski von der Universität Duke, der in einer Videopressekonferenz sagte:
"Jeder macht sich Sorgen wegen der Sicherheit und der Gesundheit unserer Spieler und Trainer. Ich hätte gerne, dass wir mal genau ermitteln, wo wir im Moment stehen. Wir haben pro Tag 2000 Tote. Und jemand hat gesagt, die nächsten sechs Wochen werden die schlimmsten sein. Ich finde das jetzt schon ziemlich schlimm."
Aber wieder wirkten die Verantwortlichen so, als wären sie nicht in der Lage, die Risiken ehrlich zu bewerten.
"Collegesport ist eine Industrie"
Marc Edelman, Jura-Professor am Baruch College in New York und Spezialist für Sportrecht und Sportkommerz weiß warum: "Collegesport ist eine Industrie, die 13 Milliarden Dollar im Jahr umsetzt. Und wenn man sich bestimmte Hochschulen wie die University of Texas anschaut, die erzielt ihre Einnahmen zu mindestens 98 Prozent mit Football und Männer-Basketball. Der Betrag ist höher als der, den einige der Teams in der National Hockey League einspielen. Eigentlich müsste das als Riesengeschäft eingestuft und auch so behandelt werden."
Aber das wird es nicht. Es gibt keine Gewerkschaften für die Spieler. Und kein Gehalt. Sie bekommen bestenfalls ein Stipendium und freie Kost und Logis auf dem Uni-Gelände. Mitspracherecht haben sie keines. Und die staatlichen Universitäten wie Alabama oder Texas oder Iowa wirken in solchen Zeiten am rücksichtslosesten. Während Privat-Unis wie die zur Ivy League gehörenden Hochschulen im Nordosten der USA den Sportbetrieb komplett eingestellt haben.
Marc Edelman: "Man möchte meinen, dass öffentlich finanzierte Institutionen sich anders verhalten. Aber bei denen es geht nur ums Gewinnen um jeden Preis, finanziell und auf dem Platz. Collegesportler werden dort nicht wie normale Menschen behandelt. Das Konzept existiert einfach nicht."
Schlimmer noch wenn sie verletzt werden.
"Viele Universitäten sind versichert und sorgen darüber für die akute medizinische Behandlung. Aber nicht für Hilfe bei Langzeitschäden und späteren Einkommenseinbußen."
Ein Gesetz, das in dieser Woche im amerikanischen Kongress eingebracht wurde, soll zumindest einen Teil der Verhältnisse ändern und Collegesportlern eigene Einkommensmöglichkeiten gestatten und Standards zum Schutz ihrer Gesundheit schaffen. Dass der Entwurf schon bald die entscheidenden Gremien passiert, ist allerdings unwahrscheinlich. Bislang haben sich nur Demokraten für die Idee stark gemacht. Aus den Reihen der Republikaner gibt es noch keine Reaktion.