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US-Debatte über IS-Terror
Obama soll Warnungen nicht ernst genommen haben

Nachdem Barack Obama den US-Geheimdiensten vorgeworfen hatte, sie hätten die Gefahren durch die IS-Terrormiliz unterschätzt, steht der Präsident nun selbst in der Kritik. Immer mehr Berichte und Protokolle kommen ans Licht, die zeigen, dass Obama selbst die Warnungen seiner Geheimdienste nicht ernst genommen hat.

Von Marcus Pindur, Washington |
    US Präsident Barack Obama gibt ein Statement zu den Luftangriffen auf Ziele von Dschihadisten in Syrien. Er steht an einem Rednerpult im Garten des Weißen Hauses, im Hintergrund ist ein Militärhubschrauber zu sehen.
    US-Präsident Barack Obama gibt sich entschlossen im Kampf gegen IS-Terroristen in Syrien. (afp / Jim Watson)
    Die Kommentare waren einhellig: Entweder sei der Präsident nicht im Bilde gewesen, oder er versuche, jetzt die Verantwortung für das späte militärische Eingreifen gegen die IS-Miliz in Syrien auf die US-Geheimdienste abzuwälzen. Die Interviewäußerungen im Fernsehsender CBS wurden dem Präsidenten in den meisten amerikanischen Medien um die Ohren gehauen. Der Sicherheitsexperte des Online-Magazins "The Daily Beast", Josh Rogan:
    "Es gab wiederholte Warnungen, nicht nur aus den Geheimdiensten, sondern auch von Kongressmitgliedern, dem Außenministerium, der CIA, der Freien Syrischen Armee. Der Präsident versucht nun, sein spätes Eingreifen zu begründen. Er hat die Informationen ignoriert, die nicht in seine Politik passten."
    Obama habe die Berichte über das Erstarken der Terrormiliz beiseite geschoben. In der Tat hatte Obama in einem Interview Anfang des Jahres die IS-Miliz noch als Amateurgruppe bezeichnet – und dies zu einem Zeitpunkt, als die islamistischen Extremisten bereits Falludscha im Irak eingenommen hatte. Warnungen vor dem IS hatte es schon früher gegeben.
    Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein hatte in einer Kongress-Anhörung bereits am 29. Februar gesagt:
    "Es ist besorgniserregend, dass es einen sicheren Rückzugsort oder eine Durchgangsstation in Syrien geben könnte für Terroristen, die die USA oder andere Staaten von dort aus angreifen wollen."
    CIA-Chef warnte Obama vor IS
    Auch CIA-Chef John Brennan hatte in der gleichen Anhörung vor der IS-Miliz gewarnt.
    "Wir sind besorgt, dass Al Kaida Syrien als Ausgangspunkt für die Rekrutierung und für Terroranschläge nützen könnte. Al Kaida und die IS-Miliz machen mir Sorgen."
    Quellen aus den Geheimdiensten weisen darauf hin, dass es eine ganze Reihe von Berichten über die wachsende Gefahr durch die IS-Miliz gegeben habe – und dies bereits vor dem Einmarsch der Terrormiliz in den Irak. Ein Staatssekretär aus dem Außenministerium hatte bereits vor einem Jahr auf die Gefahr durch den IS hingewiesen. Nach Ansicht von Josh Rogan hatten sich weite Teile der Geheimdienste mit ihren Warnungen jedoch bei der Administration nicht durchsetzen können. Und dafür sei Obama verantwortlich.
    "Im Endeffekt entscheidet der Präsident. Er hat die Politik der letzten Jahre zu verantworten. Er hat entschieden, die Rebellen der Freien Syrischen Armee nicht zu bewaffnen. Er hat entschieden, erst so spät zu intervenieren. Er ist verantwortlich, und das weiß er meiner Ansicht nach auch. Aber er versucht, die Verantwortung von sich zu schieben."
    Auch andere Kommentatoren in Washington vermuten, dass Obama seiner politischen Klientel erklären wolle, warum er gerade jetzt in den Konflikt eingreife, nachdem er sich über zwei Jahre dagegen gewehrt hatte, die moderaten Rebellen in Syrien zu unterstützen. Obama erweckt den Eindruck eines Präsidenten, der seinen verspäteten Erkenntnisprozess mit den vermeintlichen Versäumnissen anderer erklären will.