Archiv

US-Demokraten
"Das Schiff hat diesen Schuss ertragen und segelt weiter"

Der Skandal um interne Mails der Parteispitze hat die Demokraten belastet. Die Affäre sei am Montag eine unerwartete Überraschung und eine Breitseite gewesen, sagte der US-Politologe Andrew Denison. Doch am Ende sei die Partei geeint aufgetreten.

Andrew Denison im Gespräch mit Bettina Klein |
    Der US-Politikberater und -wissenschaftler Andrew Denison.
    Der US-Politikberater und -wissenschaftler Andrew Denison. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Bettina Klein: Die Clinton-Festspiele finden derzeit in Philadelphia statt. Jedenfalls war das so gedacht: der Parteitag der US-Demokraten als eine Art Krönungsmesse für die Kandidatin Hillary. Was dann im Vorfeld herausdrang an unfairen Methoden, mit denen das Partei-Establishment versuchte, ihren Rivalen Bernie Sanders zu diskreditieren, das hat einen kräftigen Schatten auf den Beginn der Veranstaltung geworfen. Aber Sanders hat trotz allem der künftigen Kandidatin in seiner Rede noch einmal seine Unterstützung zugesichert. Dass der Parteiapparat ganz überwältigend Hillary Clinton unterstützt, war ohnehin klar, und ihr Rivale Bernie Sanders hatte lange vermutet, dass dabei auch mit unfairen Methoden gespielt würde. Das scheinen nun, die gerade erwähnten E-Mails zu belegen. Was steckt dahinter? Russland, weil Moskau Donald Trump nutzen möchte? So spekulieren derzeit die Demokraten. Am Telefon ist der US-Politikwissenschaftler Andrew Denison. Ich grüße Sie!
    Andrew Denison: Ich grüße Sie, Frau Klein.
    Klein: Herr Denison, wer immer hinter diesem möglichen Hackerangriff und der Veröffentlichung der E-Mails steckt, die E-Mails zeigen auf jeden Fall eigentlich genau das, was Bernie Sanders seit Monaten der demokratischen Partei unterstellt, nämlich mit unlauteren Methoden gegen ihn vorzugehen. Er sollte demnach bewusst diskreditiert werden, auch übrigens mithilfe von Clinton zugeneigten Journalisten. Was sagt das aus über die Integrität der demokratischen Partei Ihrer Meinung nach?
    Denison: Ja, da sind schon Fragezeichen zu stellen, denn wir sehen, dass die Behauptungen von Bernie Sanders und seinen Anhängern zum Teil gestimmt haben, dass diese Parteiorganisation Partei genommen hat, obwohl sie das nicht machen sollte. Langfristig haben wir bei beiden Parteien, republikanisch und demokratisch, gesehen, dass die Parteiorganisationen letztendlich nicht eine ehrenvolle Rolle gespielt haben in diesem Wahlkampf.
    Klein: Aber die Demokraten stellen sich ja gerne so hin und tun so, als seien sie die moralisch Aufrechten. Das hat sich jetzt nicht so ganz bestätigt, oder?
    Denison: Nein, das hat sich nicht bestätigt. Sie haben gezeigt, dass sie auch unfaire Methoden benutzen, und das ist eine Last auf Hillary Clinton, kein Zweifel. Natürlich versuchen sie, erstens das zu kritisieren, (...*) die Konsequenzen sind gezogen, man hofft, die Einheit kommt wieder. Auf der anderen Seite stellt das die Frage auf und ich denke, das gilt auch für die Demokraten, auch die Unterstützer von Sanders, wer macht denn hier mit bei diesem Wahlkampf. Bei Clintons Festspielen könnte man sagen, hier gibt es einen Überraschungsgast, so einen dunklen Ritter, der Wladimir Putin, und das haben wir nicht erwartet in diesem Wahlkampf der Überraschungen.
    "Die Demokraten haben auch die Ernsthaftigkeit der Lage erkannt"
    Klein: Das ist noch nicht bestätigt, aber dahin gehen jetzt die Vermutungen, haben wir gehört, auch von IT-Experten. Aber es ist schon interessant, dass der Skandal jetzt darin gesehen wird, Russland hat da versucht, mitzuspielen und zu einem bestimmten Zeitpunkt die E-Mails aufzudecken, was sicherlich ein Skandal wäre. Aber das Eigentliche, was der Inhalt der E-Mails ist und was die belegen, darüber wird jetzt eigentlich nicht mehr so viel gesprochen. Ist das eigentlich gerecht?
    Denison: Das würde ich so sagen, und daher denke ich, dass die Demokraten auch die Ernsthaftigkeit der Lage erkennen, wie jetzt hier Republikaner und Demokraten aufeinander zuprallen in der Zuspitzung der Gegensätze in Amerika. Wie seit langem nicht mehr sehen sie, was auf dem Spiel steht, und sehen auch plötzlich, dass es eine Herausforderung ist, die Beziehung zwischen Putin und Donald Trump. Es gibt zum Beispiel Josh Marshall von TPM, Talking Points Memo, der zeigt die finanzielle Verwicklung zwischen Donald Trump und russischer Industrie. Die sind sehr ernst zu nehmen.
    Klein: Da würden Sie auch sagen, da ist es richtig, jetzt aufseiten der Demokraten Burgfrieden zu schließen, die ganze Affäre unter den Tisch zu kehren und sich darauf zu konzentrieren, dass man gemeinsam gegen Trump (und auch gegen Putin) jetzt vorgeht?
    Denison: Letztendlich, Frau Klein, haben sie das gestern Abend gemacht. Bernie Sanders, der hat eine Rebellion der Rebellierenden in Amerika geleitet. Da waren viele enttäuscht. Sie haben weiter rebelliert, haben ihn nicht gebeugt. Einige würden sogar Trump statt Hillary Clinton unterstützen. Man hört den republikanischen Spruch, "schließt sie ein", "lock her up", auf den Straßen in Philadelphia und darum herum. Aber am Ende des Abends, da ist Senator Warren und Bernie Sanders und vor allem Michelle Obama, denke ich, haben wir eine Partei gesehen, die geeint ist und die jetzt weiß, was auf dem Spiel steht.
    Klein: Das heißt, es wird jetzt wirklich, wie ich es eingangs nannte, wie es ja auch manche in den USA nennen, auf die erwartete Krönungsmesse hinauslaufen, auch vor dem Hintergrund, dass die Demokraten durchaus auch mehr "Stars" aufzubieten haben? Barack Obama ist ganz sicherlich einer, aber auch aus dem Show Business werden viele erwartet. Das heißt, da wird es dann doch gelingen, auch Trump insofern die Show zu stehlen, wenn man jetzt mal den Wettbewerb zwischen den beiden Parteiversammlungen anschaut?
    Denison: Ja gut, Show und Komödie, das gehört zur Politik. Senator Al Franken ist ein Komödiant und neben ihm stand ein anderer und die haben gesagt, hey, Leute, Bernie Sanders oder Bust, hört auf damit, das ist ja Unsinn. Wir sind jetzt hier gemeinsam und haben was vor. Aber die wichtigsten Redner werden Barack Obama sein und auch Tim Kaine, der Vizekandidat jetzt, und natürlich auch Hillary Clintons Rede, und Hollywood kann nicht mit denen konkurrieren. Festzuhalten ist dieser Montag, eine unerwartete Überraschung mit dem E-Mails-Skandal, eine Breitseite. Ich denke, das Schiff der demokratischen Partei hat diesen Schuss ertragen und segelt weiter.
    "Clinton ist auf der einen Seite eine Ikone"
    Klein: Abschließend, Herr Denison. Es erstaunt ja hierzulande viele, dass gerade junge Frauen Hillary Clinton die Unterstützung bisher entzogen haben, die sich in großer Mehrheit für Bernie Sanders ausgesprochen haben im Vorwahlkampf. Wie viele von denen werden jetzt auf Clinton einschwenken, denken Sie?
    Denison: Wir haben diese berühmten 22 Prozent der Sanders-Anhänger, die werden Trump unterstützen, und einige werden vielleicht nicht abstimmen gehen. Aber unter den Frauen, weil es historisch ist, und das dürfen wir nicht übersehen. Michelle Obama hat gestern Abend gesagt, was Hillary Clinton für ihre Tochter bedeutet. Natürlich: Sie ist eine Ikone auf einer Seite, zur Institution geworden, und auch Kompromisse muss man dann machen. Aber auf der anderen Seite: Sie war Blitzableiter oder Hauptfeindbild der Republikaner seit 25 Jahren und viele junge Leute sind aufgewachsen mit diesem ständigen Donner, Hillary ist korrupt, und daher verstehe ich die Zweifel. Es ist trotzdem historisch, dass eine Frau jetzt kurz davor steht, amerikanische Präsidentin zu werden.
    Klein: Und Sie glauben, das werden jetzt auch zunehmend jüngere Frauen erkennen?
    Denison: Ja, eindeutig.
    Klein: Andrew Denison, der US-Politikwissenschaftler, heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk zum Parteitag der Demokraten in Philadelphia. Danke Ihnen für das Gespräch heute Mittag.
    Denison: Es war mir ein Vergnügen. Schönen Tag noch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    (* Anmerkung der Redaktion: Nebensatz nicht verständlich.)