Die Amerikaner haben schon lange keine so hoffnungsvollen, zugewandten, mitfühlenden Worte von ihrem politischen Personal gehört wie an diesem Nachmittag aus Wilmington in Delaware: Dort stellten sich – unter Ausschluss des Publikums und unter Einhaltung der Abstandregeln – Joe Biden und seine Running Mate Kamala Harris erstmals als Spitzenteam der Demokraten vor.
Scharf grenzten sie sich von der Trump-Administration ab, die alles eingerissen habe, was ihr sie als politisches Erbe des Landes anvertraut worden sei, wie Joe Biden sagte. Es gehe darum, im Falle eines Wahlsieges zunächst das Durcheinander zu beseitigen, das Donald Trump und Mike Pence angerichtet hätten.
Coronakrise, Wirtschaftskrise, Klimakrise – Joe Biden stellte Präsident Trump ein vernichtendes Arbeitszeugnis aus und warf ihm vor, bei der Bekämpfung der Pandemie völlig versagt zu haben. Bis heute gebe es weder Führung, noch einen Plan, wie man dieser Krise Herr werden könne.
Biden: Harris könnte die Rolle als US-Vizepräsidentin ausfüllen
In einer sehr persönlichen Passage seiner Rede ließ Biden wissen, weshalb er sich für Kamala Harris auf diesem exponierten Posten entschieden hat: Dass sie sehr eng mit seinem verstorbenen Sohn Beau zusammengearbeitet habe – sie als Justizministerin in Kalifornien, er als Justizminister in Delaware – habe durchaus eine Rolle gespielt, gestand er ein. Aber besonders wichtig sei ihm gewesen, zu wissen, dass sie vom ersten Tag an ihre Rolle als Vizepräsidentin ausfüllen könne. Er erwarte von ihr, dass sie die Letzte im Raum sei, ehe er eine Entscheidung treffe – sie solle mit ihm um Ergebnisse ringen und ihm die härtesten Fragen stellen.
Joe Biden, aber auch Kamala Harris setzen auf Hoffnung statt auf Angst, auf Vernunft statt auf Impulse. Und sie präsentieren sich als Team, das Menschlichkeit und Empathie als Teil politischer Lösungen sieht. Kamala Harris bedankte sich bei Joe Biden für sein Vertrauen – und schilderte die Qualitäten des Präsidentschaftskandidaten durch die Brille seines verstorbenen Sohnes Beau, der ihm sehr ähnlich gewesen sei.
Verständnis von Politik als Dienst an der Gemeinschaft
Kamala Harris schilderte ihre Lebensgeschichte und erinnerte daran, dass ihre Eltern aus völlig unterschiedlichen Teilen der Welt als Einwanderer in die USA gekommen seien – die Mutter aus Indien. Der Vater aus Jamaica. Beide hätten sich in den 60er-Jahren als Vorkämpfer für die Bürgerrechte gefunden. Die Mutter habe sie darauf eingeschworen, den Marsch für mehr Gerechtigkeit niemals aufzugeben.
Daraus leitete Harris ihr Verständnis von Politik als Dienst an der Gemeinschaft ab: Das sei ihr Leitbild in ihrer gesamten juristischen Karriere gewesen, aber auch als Politikerin. So werde es auch im Weißen Haus sein.
Sehr eindringlich appellierte Harris an die Wähler, ihr Wahlrecht tatsächlich wahrzunehmen – man brauche am 3. November nicht nur einen Sieg, sondern ein zweifelfreies Mandat, sagte sie mit Blick auf Donald Trumps Andeutungen, möglicherweise das Wahlergebnis nicht zu akzeptieren.
Trump über Bidens Running Mate
Donald Trump, der Kamala Harris bereits mit wüsten Beschimpfungen belegt hat, hat sichtbar noch kein Konzept gefunden, wie er mit dieser Vizepräsidentschaftskandidatin der Demokraten umgehen soll. Aus Kreisen der Republikaner verlautete, er habe inständig darauf gehofft, dass sich Joe Biden eine andere Running Mate aussuchen würde.