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US-Demokraten im Vorwahlkampf
Im Schlingerkurs zum Frontalangriff?

Die Demokraten scheinen sich im Vorwahlkampf zu verzetteln: Die TV-Debatte zeige, dass man uneinig sei, welche Strategie man gegen Donald Trump wählen solle, so das einhellige Urteil. Michael Werz, Berater der Demokraten, erwartet dennoch, dass die Demokraten noch zum großen Schlag gegen den US-Präsidenten ausholen.

Von Thilo Kößler |
Präsidentschaftsdebatte der US-Demokraten in Detroit am 31. Juli 2019
"Notwendiger Umbruch innerhalb der Partei": Noch sind sich die US-Demokraten unsicher, mit welcher Strategie sie US-Präsident Donald Trump aus dem Amt jagen wollen. (picture alliance / ZUMA Press / Brian Cahn)
Am Ende der Redeschlacht war es Senator Cory Booker aus New Jersey, der die Befürchtung äußerte, man habe mit diesen beiden TV-Debatten dem politischen Gegner in die Hände gespielt.
"Es muss verhindert werden, dass die Republikaner aus den innerparteilichen Streitigkeiten der Demokraten politisches Kapital schlagen."
Tatsächlich lautete das Urteil einhellig, die Demokraten hätten sich mit diesen Debatten keinen Gefallen getan und eher geschadet als genützt. Das unübersichtliche Format mit sage und schreibe 20 Kandidaten an zwei aufeinander folgenden Debatten-Abenden habe eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung unter den Top-Bewerbern unmöglich gemacht, schrieb zum Beispiel Dan Balz, der Chefkorrespondent der Washington Post. Statt gemeinsam zum Generalangriff auf Donald Trump zu blasen, hätten sich die Demokraten gegenseitig beharkt und das desaströse Bild einer zutiefst gespaltenen Partei abgegeben.
Beginn einer strategischen Neuausrichtung?
Doch Michael Werz will von Flügelkämpfen innerhalb der demokratischen Partei nichts wissen.
"Das sind weniger Flügelkämpfe als die Frage, inwieweit sich die demokratische Partei neu positioniert."
Michael Werz ist Mitarbeiter des Think Tanks "Centre for American Progress", der der demokratischen Partei nahesteht. Michael Werz ist einer jener Politik-Nerds in der Hauptstadt Washington, die die Demokratische Partei politisch und strategisch beraten. Das Fernsehformat aus zwei Diskussionsrunden mit allen zwanzig Bewerbern sei notwendig gewesen, sagt Werz, um den Nominierungsprozess bereits zu diesem frühen Zeitpunkt vor einem Millionenpublikum so transparent wie möglich zu machen.
"Zum zweiten ist die Vielzahl der Kandidatinnen und Kandidaten auch Ausdruck eines dramatischen und, wie ich finde, notwendigen Umbruch-Prozesses innerhalb der Demokratischen Partei, die sich von dem wirtschaftsliberalen und auch sehr traditionellen Konsens der Clinton-Jahre verabschiedet hat und dabei ist, neue Fragen zu stellen wie das soziale Gefüge der USA – die soziale Polarisierung ist viel extremer als in Europa, die Verwerfungen sind enorm – wie mit diesen Volk umgegangen wird. Und das ist ein wichtiger Prozess, und den kann man auch nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen."
Wahl 2020 als Referendum über Trump
Doch jetzt wird sich das Bewerberfeld schnell lichten, ist Michael Werz überzeugt: Zum einen geht vielen Aspiranten das Geld aus – jeder Bewerber muss seinen Wahlkampf selbst finanzieren. Zum zweiten hat die Parteiführung vor der nächsten Debatte im September die Hürde höher gehängt: Zugelassen werden nur Bewerberinnen und Bewerber, die mindestens 130.000 Spender vorweisen können und in mehreren Umfragen auf eine Zustimmungsrate von mindestens zwei Prozent kommen.
"Ich rechne damit, dass das Feld mindestens bis September um die Hälfte schrumpfen wird. Wenn es dann in die ersten wirklichen Vorwahlen innerhalb der demokratischen innerparteilichen Auseinandersetzungen geht, wird es vielleicht noch drei oder vier, vielleicht fünf Kandidatinnen und Kandidaten geben."
Je näher der Zeitpunkt der Democratic Convention, des Nominierungsparteitages im Juli nächsten Jahres in Milwaukee rückt, desto lauter wird die Frage nach einer schlüssigen Strategie im Wahlkampf gegen Donald Trump gestellt werden. Bisher hat noch keine Bewerberin und kein Bewerber eine Antwort darauf gefunden, wie die Wahl im November 2020 am wirkungsvollsten zu einem Referendum über diesen 45. Präsidenten gemacht werden kann. Aber genau das wird zum entscheidenden Kriterium für die Nominierung werden.
"Es wird eine Wahl sein, die unter dem Titel einer Wechselwahl geführt werden muss, und die Frage ist, wer am besten in der Lage ist, auszufüllen, was es heißt, diesen Wechsel zu bewirken."
Bisher habe die demokratische Partei noch kein Patentrezept im Umgang mit Donald Trump gefunden, räumt Michael Werz ein. Der Präsident verfüge mit der republikanischen Partei über eine enorme Machtbasis und mobilisiere mit seinem beispiellosen Politikstil seine Wählerschaft. Die Zweifel und die Ratlosigkeit bei den Demokraten sind unüberhörbar – wie zum Beispiel umgehen mit Donald Trumps Tweets, die seit Beginn seiner Amtszeit die politische Agenda der USA bestimmen?
Knappe Mehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren
"Das Problem liegt darin, dass man auf viele seiner Äußerungen eigentlich nicht antworten sollte, aber antworten muss. Darum ist es diese ambivalente Situation, dass man eigentlich nicht darauf reagieren sollte, um diesen Argumenten nicht noch weitere Plattformen zu bieten. Zum anderen aber in gewisser Weise gezwungen ist, darauf zu reagieren", so Werz.
Zu diesen politischen Zweifeln der Demokraten im Umgang mit Donald Trump gehört auch die Frage, ob es nicht doch an der Zeit ist, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einzuleiten. Insbesondere Nancy Pelosi, die demokratische Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus, befürchtet, das Verfahren werde an der republikanischen Mehrheit im Senat scheitern und den Demokraten am Ende politisch auf die Füße fallen. Doch das Repräsentantenhaus ist mittlerweile anderer Meinung: 118 von 235 demokratischen Abgeordneten sprechen sich nach Stand vom Freitagabend für ein Impeachment aus, eine Stimme mehr als die Hälfte.
Die Verstöße Donald Trumps gegen die Verfassung und die Regeln der Amtsführung seien allzu offensichtlich, argumentieren sie. Auch der Parteistratege Michael Werz hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Demokraten das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump noch vor der heißen Phase des Wahlkampfs einleiten.
"Insofern sagen auch viele Abgeordnete vollkommen zu Recht: Wir sind gewählt worden, wir sind vereidigt worden auf die amerikanische Verfassung, und wir müssen den Verfassungsprinzipien entsprechend handeln und können jetzt nicht einfach so tun, dass wir in die andere Richtung blicken, nur weil uns das unter Umständen politisch zu riskant ist."