Sie sind beinahe ein Genre für sich, die Popsongs übers Radio. Lieder, die förmlich um Airplay betteln, indem sie dem Medium schmeicheln. Aber "Radio" von Sylvan Esso stellt unter ihnen doch eine Ausnahme dar.
"Gib mir eine neue Single, mach mir ein neues Baby",
"Gib mir eine neue Single, mach mir ein neues Baby",
singt da Sylvan Essos Stimme Amelia Meath:
"Ich werd all die Süßigkeiten essen, während du mich aufs Kreuz legst."
Und dann erklärt sie sich auch noch zur Sklavin des Radios: Slave to the radio.
Als wir Meath in London gemeinsam mit Nick Sanborn, ihrem Partner bei Sylvan Esso treffen, erinnert sie sich zurück an jenen Moment zu Hause, letztes Jahr in Durham, North Carolina, als ihr diese Zeilen in den Kopf schossen:
"Ich habe das vor allem aus Wut geschrieben, weil ich einen unglaublichen Druck spürte. Wir hatten gerade erst ein Jahr von einem zweieinhalb Jahre langen Tournee-Zyklus hinter uns und es ärgerte mich, dass ich wieder ans Songschreiben denken musste. Ich hatte fünf Tage Pause - und an einem davon saß ich auf der Veranda und schrieb diesen Song."
Als wir Meath in London gemeinsam mit Nick Sanborn, ihrem Partner bei Sylvan Esso treffen, erinnert sie sich zurück an jenen Moment zu Hause, letztes Jahr in Durham, North Carolina, als ihr diese Zeilen in den Kopf schossen:
"Ich habe das vor allem aus Wut geschrieben, weil ich einen unglaublichen Druck spürte. Wir hatten gerade erst ein Jahr von einem zweieinhalb Jahre langen Tournee-Zyklus hinter uns und es ärgerte mich, dass ich wieder ans Songschreiben denken musste. Ich hatte fünf Tage Pause - und an einem davon saß ich auf der Veranda und schrieb diesen Song."
Elektronischer Sound statt Vintage-Ästhetik
Popstars, die sich über ihren harten Beruf beschweren, finden zu Recht wenig Mitgefühl. Aber es lohnt sich, vor dem Urteilen die bisherige Geschichte von Sylvan Esso in Betracht zu ziehen.
Es ist gerade einmal fünf Jahre her, da sang Amelia Heath noch im Folk-Trio "Mountain Man" Musik, wie aus den Appalachen des vorigen Jahrhunderts. Auch Nick Sanborn spielte damals Bass bei der psychedelischen Folk-Band "Megafaun". Doch dann kam Meath nach einer Tour bei Sanborn in North Carolina vorbei, um mit ihm ein paar Solo-Songs aufzunehmen. Dabei flog die ganze Vintage-Ästhetik aus dem Fenster und wich einem elektronischen Sound.
Amelia und Nick erfanden sich gemeinsam neu als Sylvan Esso - und ein streaming-freundlicher Song, wie dieser namens "Coffee", eroberte die Playlists. Alles lief prächtig, jenseits der Pop-Welt war Hillary Clinton indessen auf dem Weg zur ersten weiblichen US-Präsidentin, herausgefordert vom progressiven Bernie Sanders. Interessante Zeiten, doch in die Musik, die Sylvan Esso für ihr zweites Album schrieben, schlichen sich düstere Vorahnungen ein.
Es ist gerade einmal fünf Jahre her, da sang Amelia Heath noch im Folk-Trio "Mountain Man" Musik, wie aus den Appalachen des vorigen Jahrhunderts. Auch Nick Sanborn spielte damals Bass bei der psychedelischen Folk-Band "Megafaun". Doch dann kam Meath nach einer Tour bei Sanborn in North Carolina vorbei, um mit ihm ein paar Solo-Songs aufzunehmen. Dabei flog die ganze Vintage-Ästhetik aus dem Fenster und wich einem elektronischen Sound.
Amelia und Nick erfanden sich gemeinsam neu als Sylvan Esso - und ein streaming-freundlicher Song, wie dieser namens "Coffee", eroberte die Playlists. Alles lief prächtig, jenseits der Pop-Welt war Hillary Clinton indessen auf dem Weg zur ersten weiblichen US-Präsidentin, herausgefordert vom progressiven Bernie Sanders. Interessante Zeiten, doch in die Musik, die Sylvan Esso für ihr zweites Album schrieben, schlichen sich düstere Vorahnungen ein.
"Schon zwei Tage alte Podcasts fühlten sich irrelevant an"
So klingt "Sound", der überraschend reduziert und brüchig klingende Opener des neuen Sylvan Esso-Albums, das den zur Lage in den USA nur allzu passenden, etwas hilflosen Titel "What Now" trägt.
"Es fühlt sich wirklich so an, als lebten wir nun in der Welt nach Trump. In den Wochen nach seiner Wahl fühlten sich schon zwei Tage alte Podcasts irrelevant an, weil ständig so viel Furchtbares passierte. Und zwar in einer derartigen Geschwindigkeit, dass man es gar nicht mehr verdauen konnte."
"Es fühlt sich wirklich so an, als lebten wir nun in der Welt nach Trump. In den Wochen nach seiner Wahl fühlten sich schon zwei Tage alte Podcasts irrelevant an, weil ständig so viel Furchtbares passierte. Und zwar in einer derartigen Geschwindigkeit, dass man es gar nicht mehr verdauen konnte."
Der Wahlsieg Donald Trumps fiel genau mit der Fertigstellung von "What Now" zusammen. Alle Songs waren bereits im Kasten. Nick Sanborn gibt zu, dass Sylvan Esso von Selbstzweifeln eingeholt wurden: Was, wenn die eigene Platte auch zu jenen neuerdings irrelevanten Relikten aus der Zeit vor Donald Trump gehörte?
"Es gab einen Moment der Sorge, dass wir etwas Irrelevantes gemacht haben könnten. Aber dann sagten einige unserer Freunde: Nein, es ist jetzt eigentlich noch relevanter geworden. Trumps Sieg schien wie der Höhepunkt einer Reihe von Lebenserfahrungen, die alle auf dasselbe hinaus liefen: Nur weil ein Ziel erreicht ist, heißt das nicht, dass man für immer gewonnen hat. Und genauso bedeutet ein Kampf, den man verloren hat, nicht, dass es für immer vorbei ist. Das war von Anfang an Thema dieses Albums gewesen, aber nun hörte ich jeden Song, den wir geschrieben hatten, in einem anderen Licht."
Sanborn hat recht. Sylvan Essos zweites Album ist eine ambivalente Schöpfung. Man kann "What Now" als eine verunglückte Pop-Platte hören, die sich - in ihren sperrigen Momenten - immer wieder selbst sabotiert. Oder man kann dieses Album verstehen: Als eine klingende Entsprechung jenes großen Fragezeichens, das seit der Wahl Donald Trumps über dem liberalen Amerika hängt. Und als eine subtile Ermutigung, sich nicht unterkriegen zu lassen.
"Es gab einen Moment der Sorge, dass wir etwas Irrelevantes gemacht haben könnten. Aber dann sagten einige unserer Freunde: Nein, es ist jetzt eigentlich noch relevanter geworden. Trumps Sieg schien wie der Höhepunkt einer Reihe von Lebenserfahrungen, die alle auf dasselbe hinaus liefen: Nur weil ein Ziel erreicht ist, heißt das nicht, dass man für immer gewonnen hat. Und genauso bedeutet ein Kampf, den man verloren hat, nicht, dass es für immer vorbei ist. Das war von Anfang an Thema dieses Albums gewesen, aber nun hörte ich jeden Song, den wir geschrieben hatten, in einem anderen Licht."
Sanborn hat recht. Sylvan Essos zweites Album ist eine ambivalente Schöpfung. Man kann "What Now" als eine verunglückte Pop-Platte hören, die sich - in ihren sperrigen Momenten - immer wieder selbst sabotiert. Oder man kann dieses Album verstehen: Als eine klingende Entsprechung jenes großen Fragezeichens, das seit der Wahl Donald Trumps über dem liberalen Amerika hängt. Und als eine subtile Ermutigung, sich nicht unterkriegen zu lassen.