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US-Forscher
Dem Ziel näher, erstmals Energie aus einer Kernfusion zu gewinnen

2009 wurden in den USA der stärkste Laser der Welt in Betrieb genommen. Seine Aufgabe: Das Sonnenfeuer auf der Erde zünden, durch kontrollierte Verschmelzung von Wasserstoffkernen. Nach zahlreichen Rückschlägen meldete die National Ignition Facility nun, man sei dem Ziel deutlich näher gekommen.

Von Frank Grotelüschen |
Blick in die untere Hemisphäre der Zielkammer der National Ignition Facility, NIF
Blick in die Zielkammer der National Ignition Facility, NIF (Damien Jemison / Lawrence Livermore National Laboratory)
Die Halle auf dem Gelände des Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien ist so groß wie drei Fußballfelder und hoch wie eine Kathedrale. In ihrem Inneren befinden sich 192 Metallröhren, durch die ungemein starke Laserblitze schießen. National Ignition Facility, kurz NIF, so heißt die gigantische Anlage in einem der großen Militärforschungszentren der USA.
"NIF ist der stärkste Laser der Welt", erklärt Direktor Mark Herrmann: "Seine 192 Laserstrahlen können wir so bündeln, dass wir dieselben Bedingungen wie im Inneren eines Sterns schaffen oder wie bei der Explosion einer Kernwaffe."

Temperaturen von über 50 Millionen Grad

Die 192 Laserblitze zielen auf eine winzige Kapsel, darin steckt gefrorener Wasserstoff – der Brennstoff für die Kernfusion. Die Wucht der 192 Laserstrahlen lässt die Kapsel schlagartig implodieren, es entsteht ein Druck von 100 Millionen Bar und eine Temperatur von mehr als 50 Millionen Grad. Im Prinzip genug, um eine Fusionsreaktion zu zünden und den Wasserstoff zu Helium zu verschmelzen, wobei jede Menge Energie frei würde. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht, erklärt Herrmann: "2009 haben wir die Anlage in Betrieb genommen. Wir arbeiten also seit vielen Jahren an der Fusion und haben durchaus Fortschritte gemacht, wissenschaftliche Fortschritte."
Bis dato verlief dieser Fortschritt eher langsam. Eines der Probleme: Bei jedem Schuss zerriss es die Brennstoffkügelchen so früh, dass nur wenige Atomkerne verschmelzen konnten, die Zündung brach ab. Doch dann kam der 8. August: "Bei diesem Experiment haben wir einen deutlichen Anstieg der Fusionsleistung geschafft. Zwar noch keine Zündung, aber die Leistung war mehr als 25 Mal höher als noch vor einem Jahr. Das war definitiv eine Überraschung."

Höhere Leistung als bei vorherigen Experimenten

Die Erleichterung ist groß bei Mark Herrmann und seinen Leuten. Nach all den Jahren hatten viele nicht mehr daran geglaubt, dass NIF soweit kommen würde. Möglich wurde der Sprung durch ein Bündel an Maßnahmen, so der NIF-Direktor: "Wir haben jetzt eine bessere Kapsel mit deutlich weniger Fehlern auf der Oberfläche. Die befüllen wir mit dem Brennstoff durch ein viel dünneres Röhrchen. Auch das ist eine Verbesserung Und: Wir konnten den Laserpuls ein wenig strecken und dadurch die Laserenergie effizienter nutzen."
Doch bei aller Begeisterung: Das Ziel der Zündung ist noch nicht erreicht. Schließlich waren es nur 70 Prozent der reingesteckten Laserenergie, die als Fusionsenergie wieder herauskamen – für die Zündung müssten es mehr als 100 Prozent sein. Und das mit NIF zu erreichen, sei alles andere als ein Selbstläufer, sagt Mark Herrmann.
"Es dauert Monate, so eine Kapsel zusammenzubauen. Deshalb können wir frühestens Ende Oktober versuchen, das Experiment zu reproduzieren. Ob das dann klappt, ist nicht unbedingt klar, oft treten Probleme auf oder etwas geht kaputt. Und wann genau wir die Zündung schaffen, kann ich nicht sagen, das hängt von vielen Faktoren ab. Das wird in den nächsten Jahren ein wichtiger Teil unseres Forschungsprogramms sein."

Im Oktober soll das Experiment reproduziert werden

Mit schnellen Anschlusserfolgen ist also nicht unbedingt zu rechnen. Doch für NIF ist auch die Fast-Zündung ein Erfolg, allerdings für seine Hauptmission, die Militärforschung. Schließlich ist ein zündendes Wasserstoffkügelchen im Grunde nichts anderes als eine Wasserstoffbombe im Miniaturformat.
"NIF bildet die Bedingungen einer nuklearen Explosion nach. Dadurch können wir unser Atomwaffenarsenal auch ohne Kernwaffentests einsatzfähig halten. Und durch unseren jüngsten Fortschritt können wir nun Fragen beantworten, die sich bislang nicht beantworten ließen."

"Ein Moment ähnlich wie bei der Mondlandung"

Andere Fachleute dagegen sehen den Erfolg eher durch die zivile Brille. "Für uns war das schon so ein Moment wie ähnlich wie bei der Mondlandung", sagt der Physikprofessor Markus Roth von der TU Darmstadt: "Es war ja so, dass immer wieder die Kritik geäußert wurde, dass man mit den Lasern eine solche Fusion gar nicht zünden könnte. Und dieses ist jetzt widerlegt."
Markus Roth will – basierend auf der Laserfusion – ein Kraftwerk bauen, das klimafreundlichen und unerschöpflichen Strom liefert. Dazu hat er ein Start-up namens Focused Energy gegründet. In drei Jahren will es eine Testanlage bauen, die in gewisser Hinsicht sogar besser ist als NIF in Kalifornien – sie soll mehrere Hundert Experimente pro Tag schaffen statt nur eines alle paar Wochen. Außerdem habe die Lasertechnik enorme Fortschritte gemacht, ebenso die Produktion der Brennstoffkügelchen, sagt Roth – und formuliert einen ehrgeizigen Plan: "Wir gehen davon aus, wenn wir mit unserer Testanlage die Fortschritte machen, die wir im Auge haben, dass wir zum Ende des Jahrzehnts darüber verhandeln sollten, wo wir den Standort eines ersten Demonstrations-Kraftwerks installieren."
Das mag ziemlich optimistisch klingen, doch eines scheint klar: Der Erfolg von NIF dürfte der Laserfusion neuen Auftrieb geben und Start-ups wie Focused Energy helfen, weitere Investoren zu gewinnen.