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US-Frauen-Colleges
Erfolgreich studieren ohne Männer

1900 konnten sich an den Hochschulen in Heidelberg und Freiburg erstmals auch Frauen einschreiben. In den USA gründeten sich schon drei Jahrzehnte zuvor gleich sieben reine Frauen-Colleges. Fünf dieser privaten Frauencolleges mit "single-sex-education“ und horrenden Studiengebühren gibt es noch heute.

Von Axel Schröder |
    Studentinnen sitzen in einem Hörsaal
    "Weil hier nur Frauen studieren, gibt es weniger Hindernisse für uns, erfolgreich zu studieren", sagt eine Studierende in Wellesley. (Jan Woitas / picture alliance / ZB)
    Anna Luisa Winters sitzt auf einem der vielen gediegenen Sofas im Aufenthaltsraum des Wellesley Colleges. Nach einem Jahr an der FU Berlin absolviert sie zwei Semester am privaten Frauencollege bei Boston:
    "Es ist auf jeden Fall eine andere Atmosphäre! Auch die Dinge, über die geredet wird. Aber ich glaube, das, was ich am meisten schätzen werde, ist, dass ich in Bezug auf Gender Issues in den zwei Semestern in Wellesley durch die Interaktion mit verschiedenen Menschen so viel erlebt und gelernt habe. Das hätte ich mir niemals anlesen können."
    Ihre Kommilitonin nickt. Abi Azrak schiebt ihre Lehrbücher beiseite, lehnt sich zurück. Auch sie ist begeistert von der besonderen Atmosphäre am College:
    "Weil hier nur Frauen studieren, gibt es weniger Hindernisse für uns, erfolgreich zu studieren. Man steht hier nicht dauernd im Wettbewerb. Und die Fähigkeiten, die hard skills, die man hier erlernt, kann man später in allen möglichen Bereichen gut gebrauchen. Man wird hier gut auf die Zukunft nach dem Examen vorbereitet."
    Und der alte Campus unterstützt die gute Lernatmosphäre. Studiert wird in viktorianischen Bauten aus dem vorletzten Jahrhundert, hohe Bäume spenden Schatten. Mittendrin der futuristische Mensaneubau, gespendet von einer erfolgreichen Wellesley-Absolventin. Eine eigene Schwimm- und eine Turnhalle stehen zur Verfügung und rings um den kleinen angrenzenden See joggen morgens und abends Studentinnen, an freien Tagen wird gesegelt. - Profitiert vom Studium allein unter Frauen hat auch die Geschichtsprofessorin Mary Lefkowitz. Sie hat selbst in den 50er- und 60er-Jahren in Wellesley studiert und unterrichtet dort noch immer.
    "Klug zu sein und eine Menge zu wissen, ist hier kein Problem. Man muss hier nicht zurückstecken, den Männern den Vortritt lassen. Ich denke, dass passiert auch heutzutage immer noch fürchterlich oft. Das gilt nicht immer und überall. Und natürlich gibt es fantastische Frauen, die in Harvard, Yale, Princeton oder anderen Universitäten studieren. Aber vor allem im letzten Jahrhundert haben die Frauen-Colleges es besser hinbekommen, den Frauen eine professionelle Ausbildung zu ermöglichen."
    Bis zu 41.000 Euro Studiengebühren pro Jahr
    Wellesley wurde 1870 als eine von sieben Frauen-Universitäten gegründet. Alle anderen Standorte verweigerten weiblichen Studierenden eine akademische Ausbildung. Fünf dieser reinen Frauen-Colleges gibt es noch in den Vereinigten Staaten, an zweien dürfen mittlerweile auch Männer studieren. Anachronistisch findet Mary Lefkovitz die "single-sex-education" nicht. Aber in 25, vielleicht auch erst in 50 Jahren könnte das anders aussehen, so die Professorin. Wellesley gilt als Elite-College, als Sprungbrett für eine steile Karriere. Zwei US-Außenministerinnen, Madeleine Albright und Hillary Clinton, haben hier studiert. Sichergestellt wird die Qualität der Lehre durch eine im Vergleich zu staatlichen deutschen Universitäten mehr als üppige finanzielle Ausstattung. Während beispielsweise die Hamburger Universität einen Jahresetat von rund 500 Millionen Euro hat, verfügt Wellesley pro Jahr über 140 Millionen Euro. Rund ein Drittel. In Hamburg werden damit allerdings 42.000 Studenten ausgebildet, in Wellesley sind gerade mal 2.300. Dafür fallen dort Studiengebühren von 41.000 Euro pro Jahr an, inklusive Unterkunft auf dem Campus.
    "Aber wir haben eine Gesellschaft, die den Studentinnen hilft, die dieses Geld nicht aufbringen können. Also kann hier auch jemand studieren, der nur sehr begrenzte finanzielle Mittel hat."
    Tatsächlich bekommen knapp 60 Prozent der Wellesley-Studentinnen finanzielle Unterstützung vom College. Im Schnitt wird ihnen die Hälfte der Studiengebühren erlassen. Möglich macht das das immense Vermögen des Colleges von 1,1 Milliarden Euro. Vermehrt wird dieses Geld durch Zinserträge und Aktiengeschäfte. Während der Finanzkrise hatte es deshalb auch Wellesley schwer. Aber mittlerweile, so Mary Lefkovitz, geht es wieder bergauf. Und für zusätzliche Mittel sorgen auch die vielen Großspenden für das College. Vor allem von Frauen, die Karriere gemacht haben. Nach einer Ausbildung in Wellesley.