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US-Fußballerinnen
Spiel mit falschen Zahlen

Nachdem Frauen in Einzelsportarten das Prinzip der gleichen Bezahlung durchsetzen konnten, mühen sich Athletinnen in den Mannschaftssportarten weiterhin um Gleichbehandlung. Die Speerspitze derzeit: Die US-Fußballerinnen, die im Sommer die WM gewannen und ihren Verband verklagt haben.

Von Jürgen Kalwa |
Megan Rapinoe, Kapitänin des US-Frauennationalteams, hält bei einer Siegesfeier in New York am 11. Juli den WM-Pokal in die Höhe.
Megan Rapinoe, Kapitänin des Weltmeister-US-Teams, kämpft für die gleiche Bezahlung im amerikanischen Fußballverband (imago images / Xinhua / Wang Ying)
Die Ansage auf den Stufen des New Yorker Rathauses beim großen Empfang klang eigentlich unmissverständlich. Die amerikanische Frauennationalmannschaft war gerade in Frankreich Weltmeister geworden. Die Fans waren begeistert. Und so galt es, gute Stimmung zu machen.
"Wir fühlen uns verpflichtet, euch korrekt zu behandeln", versprach der amerikanische Fußball-Präsident Carlos Cordeiro deshalb bei seiner Ansprache. Die Menge war allerdings skeptisch und forderte laut: "Equal pay. Equal pay."
Die gleiche Bezahlung für die Frauen der Nationalmannschaft, die sich seit Jahren im Vergleich zu den Männern von ihrem Verband schlecht behandelt fühlen. Megan Rapinoe, Schaltstelle auf dem Platz und Sprecherin der Gruppe, gab sich allerdings bewusst diplomatisch und lobte den Verbands-Boss: "Er war bei der Weltmeisterschaft jeden Tag an unserer Seite."
Vorkämpferin im Tennis: Billie Jean King
Sie dürfte aber schon im Juli geahnt haben, dass sie und ihre Kolleginnen keine große Hoffnung auf solche Worte geben sollten. Schon auf ihre Klage Monate zuvor hatte der Verband mit Rechenexempeln reagiert, die versuchten, ihre Forderungen kleinzureden. Derselbe Cordeiro war sich ebenfalls nicht zu schade, nur wenige Wochen später einen Repräsentanten anzuheuern, der in der Washingtoner Politik Lobbyarbeit betreiben soll. Der Auslöser: Im Kongress wurde ein Gesetzentwurf eingebracht, der den politischen Druck in Sachen Gleichbehandlung erhöhen soll.
Es steht viel auf dem Spiel. Weshalb der Konflikt jener Phase im kommerziellen Sport ähnelt, die mit dem Namen von Billie Jean King verknüpft ist. Sie hatte in den siebziger Jahren mit einer Handvoll von Tennisspielerinnen beharrlich für finanzielle Gleichbehandlung gekämpft. "Unser Traum war, dass jedes talentierte Mädchen in Turnieren spielen konnte. Und dass wir genug Geld verdienen, um davon zu leben. Weniger für unsere Generation, als für alle, die uns folgen würden."
Einzelsportlerinnen erfolgreich - Teamsportlerinnen kämpfen weiter
So erfolgreich dieses Engagement war - auf die Verhältnisse im Mannschaftssport hatte es keinen Einfluss. Umso markanter artikuliert sich der Widerstand. Wie im Frauen-Eishockey vor der WM 2017, als die amerikanischen Nationalspielerinnen in den Streik gingen, um ihre finanziellen Forderungen durchzusetzen. Derzeit bestreiten die Fußballerinnen mit ihrer Klage so etwas wie die zweite Etappe in diesem Kampf.
Die Lage wirkt allerdings vergleichsweise kompliziert. Unter anderem weil die Frauen von Sportart zu Sportart mit unterschiedlichen ökonomischen Verhältnissen konfrontiert sind. Allerdings: Die Fußball-Nationalmannschaft steht wirtschaftlich ausnehmend gut da. Nicht gut genug, sagt allerdings der Verband, der die Bezahlung der Spielerinnen an Ausschüttungen aus der FIFA-Kasse koppeln will.
Die Logik? Der Weltverband zahlt nach WM-Turnieren den Teilnehmerländern erfolgsbezogene Prämien. An die Männer gingen weltweit zuletzt im Rahmen der Russland-WM insgesamt 400 Millionen Dollar. Den Frauen in Frankreich in diesem Sommer ließ man hingegen gerade mal 30 Millionen Dollar zukommen. Die Männer erhalten dreizehnmal so viel wie die Frauen.
Bewertung der Wirtschaftskraft des Frauenfußballs unmöglich
Worauf diese Disparität fußt, vermag niemand zu sagen. Rachel Bachman, Reporterin beim Wall Street Journal mit Schwerpunkt Sport, fand vor kurzem bei Recherchen heraus: Die Konfusion scheint gewollt. "Die einzige Zahl, die bisher bezogen auf die Einnahmen der Frauen-WM kursiert, ist falsch."
Trotzdem hatte sich bislang niemand von offizieller Seite die Mühe gemacht, den Irrtum zu korrigieren. Der besteht darin, dass eine Zahl von 131 Millionen Dollar im Finanzbericht der FIFA von 2017 beharrlich fehlinterpretiert wurde. Bachman war die erste, die das im September enthüllte. Sie hatte sich in Zürich schlau gemacht: "Wenn ich Ihren Finanzbericht richtig lese, handelt es sich bei dieser Zahl um Ausgaben nicht um Einnahmen. Ein Sprecher bestätigte per Email: Korrekt. Es sind Ausgaben, keine Einnahmen."
So bleibt eine faire Bewertung der Wirtschaftskraft des Frauenfußballs weiterhin so gut wie unmöglich. Denn was Fernsehsender und Sponsoren an die FIFA zahlen, wird nicht nach Wettbewerben aufgeteilt und nicht danach, wer teilnimmt - Männer oder Frauen.
US-Frauen erzielten zuletzt mehr Einnahmen als die Männer
Immerhin signalisieren die Einschaltquoten der letzten beiden Weltmeisterschaften, dass die Frauen in einem Bereich beharrlich aufholen: bei der Publikumsgunst. Inzwischen haben sie einen Zuschaueranteil von einem Viertel des gesamten Fußball-WM-Fernsehpublikums.
Was nicht bedeutet, dass die Nationalspielerinnen in den USA bei der Bezahlung bereits mit einem Viertel zufrieden wären. Schließlich ist klar, was sie US-intern wirtschaftlich leisten: So erzielten sie zwischen 2016 und 2018 einen Hauch sogar mehr an Einnahmen für den Verband als die Männernationalmannschaft.
Ganz zu schweigen davon, dass ihre Arbeitsleistung höher ist als die der Männer. Die kamen bislang bei keinem WM-Turnier auch nur über die Runde der letzten acht hinaus und schafften zuletzt nicht mal die Qualifikation für die Endrunde. Die Frauen wurden in Frankreich zum vierten Mal Weltmeister.