Am Telefon ist die Politikwissenschaftlerin Nicole Renvert von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Schönen guten Tag, Frau Renvert!
Nicole Renvert: Ich grüße Sie!
Barenberg: Gehen wir auf diesen Streit um Haushalt und die Grenzmauer etwas näher ein. Wie sehr können die Demokraten im Kongress denn Trump überhaupt unter Druck setzen?
Renvert: Es zeigt sich ja, dass sie schon die Muskeln spielen lassen können, dass sich eben die Situation, wie wir sie vor den Midterm Elections im Herbst hatten, grundsätzlich umgekehrt haben. Obwohl Trump derjenige ist, von dem die Haushaltssperre ausgeht, sind die Demokraten in einer sehr starken Situation, jetzt Kompromisse einzufordern. Denkbar wäre zum Beispiel, dass sie das Dreamers-Projekt, also ihr Herzensprojekt an eine mögliche Beteiligung an der Grenzsicherung verknüpfen und damit eben ihren Wählern ein Versprechen einlösen, was für die Demokraten sehr positiv sein könnte.
Barenberg: Nun haben wir gerade gehört, dass ein Kompromiss zwar gesucht wird, aber wir wissen ja auch, dass Donald Trump nicht gerade für seine Kompromissfähigkeit bekannt ist. Ist schon erkennbar, zeichnet sich schon ab, wie er mit der neuen Macht der Demokraten umgehen wird?
Renvert: Er hat seine Rhetorik verschärft. In seinen ersten Twitter-Nachrichten im neuen Jahr ist er noch härter und noch kompromissloser in seinen Aussagen, als wir das von ihm schon gewohnt waren in den letzten zwei Jahren. Was daran liegt, dass 2019 ein hartes Jahr für ihn wird. Die Sonderermittlungen gegen ihn werden unangenehmer. Es ist zu befürchten, dass sich auch die wirtschaftliche Situation nicht unbedingt in den USA ins Positive weiterentwickelt. Viel von seinen Versprechungen ist bisher nicht in den Lohntüten seiner Wählerschaft angekommen, trotz bestimmter Maßnahmen, die er getroffen hat. Das alles wird für ihn schwierig. Der harte Wind, der ihm jetzt von den Demokraten entgegenbläst, das wird Begleitmusik im Jahr 2019 bleiben.
"Das Repräsentantenhaus ist sehr mächtig"
Barenberg: Und im Moment ist seine Position ja, gebt mir das Geld für die Mauer an der Grenze zu Mexiko, dann beenden wir den Regierungsstillstand, sonst nicht. Wird er diesen Hebel aus der Hand geben?
Renvert: Das ist eine ganz schwierige Frage, denn für Donald Trump ist die Mauerdiskussion so entscheidend wie für Obama die Diskussion um seine Gesundheitsversicherung. Es ist ein absolut wichtiges Versprechen, und es hat sich ja auch gezeigt, dass er vor Weihnachten bereit war, einen temporären Haushalt zu verabschieden, auch ohne den Mauer-Deal durch zu bekommen, er aber ein Getriebener ist von denjenigen, die aus seiner Wählerschaft ganz klar einfordern: Wir haben dich deswegen gewählt, dass du dieses Mauerprojekt umsetzt, und wir erlauben keine Kompromisse und keinen Spielraum. Das heißt, Trump ist in diesem Fall jemand, der ganz klar dieser Gruppe seiner Wählerschaft einen Gefallen schuldet. Und indem er wieder zurückgenommen hat, diese Haushaltssperre nicht durchzusetzen, hat sich ja gezeigt, dass er dort ganz klar liefern muss. Und deswegen wird er an diesem Projekt festhalten. Wie er es verkauft, auch einen möglichen Kompromiss, den es ja immer geben kann, ist eine Frage, ob es Trump tatsächlich gelingt, die Schuld für diesen Government Shutdown in die Schuhe der Demokraten zu schieben.
Barenberg: Die Macht der Demokraten ist ja auch nicht grenzenlos. Sie können einen Beschluss im Repräsentantenhaus erreichen, aber das reicht ja nicht aus. Der Senat muss zustimmen, der Präsident muss Gesetze unterschreiben. Ist der Hebel der Demokraten, wieder auf diese Seite geschaut, doch am Ende gar nicht so wirkungsvoll, wie man annehmen könnte?
Renvert: Das ist absolut richtig. Es gibt natürlich im Senat immer noch die Mehrheit der Republikaner, aber das Repräsentantenhaus ist sehr mächtig. Was allerdings auch passiert, ist, dass insgesamt der Ruf der Regierung, eben auch des Kongresses durch einen Government Shutdown immer Schaden nimmt. Die Anerkennung des Kongresses als wichtige politische Institution, die leidet unter einem solchen Government Shutdown, egal, wer ihn initiiert hat.
"Eine ganz große Herausforderung für die Demokraten"
Barenberg: Wir wissen ja auch, dass die Demokraten im neuen Kongress, im neuen Repräsentantenhaus mit vielen neuen auch Abgeordneten vertreten sind. Die haben alle auch politische Ziele. Die wollen die Infrastruktur in den Vereinigten Staaten auf Vordermann bringen. Sie haben ein anderes Projekt genannt, die Dreamer, da geht es um Einwanderer vor allem aus Lateinamerika und deren Aufenthaltsstatus. Wie können die Demokraten die Balance halten zwischen Kompromissen, um eigene Ziele durchzusetzen, und Konfrontation und Kontrolle, wie sie es ja auch versprochen haben?
Renvert: Es ist immer eine Frage der Führung. Was die Demokraten dringend brauchen, ist eine inhaltliche Erneuerung. Die Themen liegen ja auf der Hand. Es gibt viele Themen, die die Demokraten sehr positiv besetzen könnten. Sie brauchen das Personal dafür, und sie müssen sich geschlossen zeigen. Da sehe ich eine große Gefahr, dass ihr Portfolio so breit ist und es eben genau diese Spannung gibt: Wo können wir uns als gute Teamplayer zeigen, Themen voranbringen, aber auch ganz klar unsere Position behaupten. Das wird auch für die Demokraten eine ganz große Herausforderung im neuen Jahr.
Barenberg: Und die wichtigste Funktion in diesem Zusammenhang, die wichtigste Rolle wird Nancy Pelosi spielen. Was trauen Sie ihr zu?
Renvert: Nancy Pelosi ist sicherlich sehr erfahren, aber eben auch nicht ganz unumstritten. Sie ist schon sehr lange im Kongress, und man hat eben den Eindruck, dass auch bei den Demokraten eine neue Führungspersönlichkeit gesucht wird, ein Strahlemann wie Obama, der tatsächlich beim nächsten Präsidentschaftswahlkampf so viele hinter sich versammeln kann, dass er eine wirkliche Alternative der Erneuerung gegenüber Trump darstellt. Und durch den sehr schmutzigen Wahlkampf, der geführt wurde, sind eben die alten Demokraten, und dazu zählt eben auch Nancy Pelosi, noch stark von dieser Kampagne des Trump-Teams belastet, dass es eben alte Eliten sind, die dort die Meinungen vertreten. Und was die Demokraten eben brauchen, sind schon auch neue Köpfe, und dazu zählt Nancy Pelosi nicht mehr.
"Demokraten werden sehr hart kämpfen müssen"
Barenberg: Gehört denn Elizabeth Warren, die Senatorin, dazu? Sie ist ja die erste Demokratin, die ihre Kandidatur für die nächste Präsidentschaftswahl angekündigt hat. Es wird erwartet, dass noch ein Dutzend mindestens anderer Kandidatinnen und Kandidaten folgen werden. Wie müsste dieses Rennen zwischen moderaten und links profilierten Kandidatinnen und Kandidaten, sag ich mal, ausgehen?
Renvert: Das Feld wird sich sicherlich noch mehrfach verändern. Aber sie hat natürlich eine sehr kluge Beobachtung gemacht, nämlich dass der mittlere Westen, also die Staaten, die eigentlich zwischen Washington und Los Angeles oft ganz unbeachtet bleiben, das Kernland der USA viel stärker in politische Überlegungen einbezogen werden müssen. Sie setzt ja sehr stark auf die Karte, wir müssen eben schauen, was sind die Bedürfnisse im Rust Belt, in den Regionen, denen es wirklich nicht gut geht. Das ist schon mal eine gute Voraussetzung, einen cleveren und einen ehrlichen Wahlkampf zu führen, mit Themen, die wichtig sind für die Leute, die sich eigentlich wenig für Politik interessieren, die aber ganz konkrete Nöte und Sorgen haben, bei denen sie den Eindruck haben, das nimmt in Washington niemand ernst. Und wenn ihr das gelingt oder einem anderen Kandidaten gelingt, tatsächlich auch Lösungen anzubieten, dann sehen die Chancen gar nicht so schlecht aus für die Demokraten.
Barenberg: Bisher hatte man nicht gerade den Eindruck, dass die Demokraten da auf einem Erfolg versprechenden Weg sind. Aber Sie trauen der Partei doch einiges zu?
Renvert: Ich glaube ganz stark daran, dass es einen Erneuerungsprozess geben muss und dass die Demokraten sehr hart kämpfen müssen, um die Beliebtheit zu bekommen, die sie brauchen, und auch die Glaubwürdigkeit zu bekommen. 2019 wird ein schwieriges Jahr auch für die Demokraten. Sie haben als Erstes die große Aufgabe zu erfüllen, regierungsfähig in einer Regierung Trump mit zu bleiben. Und der Haushaltsstreit, und das ist ja hier das Ausgangsthema, der macht das Ganze nicht leichter, auch nicht für die Demokraten.
Barenberg: Nicole Renvert von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, hier live im Deutschlandfunk im Gespräch. Ich danke dafür!
Renvert: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.