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US-Klimapolitik
"Kämpfe verlagern sich auf die Bundesstaaten"

Parallel zu den Kongresswahlen wurde in einigen US-Bundesstaaten auch über Volksbegehren zum Thema Klimapolitik abgestimmt. Die Ergebnisse zeigen: Auf absehbare Zeit fallen die USA als Partner für den globalen Klimaschutz aus, sagte der Politikwissenschaftler Arne Jungjohann im Dlf.

Arne Jungjohann im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Ein Kohlekraftwerk in der Nähe das Capitols in Washington
    Ein Kohlekraftwerk in der Nähe das Capitols in Washington (dpa / picture-alliance / Matthew Cavanaugh)
    Susanne Kuhlmann: Wahl ohne Sieger, oder jeder ist ein Sieger – die Demokraten sichern sich die Mehrheit im Repräsentantenhaus, die Republikaner behalten die ihre im Senat. Soweit das Ergebnis der Kongresswahlen in den USA. Ab Januar, wenn die neugewählten Demokraten ins Repräsentantenhaus einziehen, könnten sie zum Beispiel Untersuchungen gegen den Präsidenten einleiten. Vielleicht auch im Zusammenhang mit seiner Klimapolitik? – Am Telefon in Stuttgart begrüße ich den Politikwissenschaftler Arne Jungjohann. Er ist Mitglied der Grünen Akademie bei der Heinrich-Böll-Stiftung, für die er von 2007 bis 2013 in Washington D.C. war. Guten Tag, Herr Jungjohann.
    Arne Jungjohann: Guten Tag, Frau Kuhlmann.
    "Kämpfe verlagern sich auf die Bundesstaaten"
    Kuhlmann: Welche Rolle spielte der Klimaschutz im Wahlkampf?
    Jungjohann: Präsident Trump setzt ja alles daran, Obamas Klimaschutz-Vorgaben abzuwickeln. Deshalb richten sich mittlerweile alle Augen auf die Bundesstaaten, denn dort regieren zum Teil progressive Gouverneure, die mit großem Einsatz versuchen, dort einzuspringen, wo die Bundesebene versagt. Und die wollen auch dem Rest der Welt signalisieren, dass wir die USA nicht abschreiben sollten.
    Aber zur Ehrlichkeit gehört auch, dass gestern Nacht alles hätte perfekt laufen müssen, um das klimapolitische Totalversagen von Trump zu kompensieren. Und weil allen klar ist, dass Klimaschutz im Kongress und im Weißen Haus auch faktisch nicht mehr stattfindet, verlagern sich all die Kämpfe, die wir aus der Hauptstadt kennen, auf die Bundesstaaten. Jedes Bürgerbegehren, was dort zur Abstimmung steht, das ist eine kleine Ersatzschlacht für den eigentlichen großen Streit der Parteien um den Klimaschutz.
    Kuhlmann: Wie fällt die bisherige Bilanz des Präsidenten in Sachen Klimapolitik denn aus? Er wollte ja Obamas Klimapolitik zurückdrehen.
    Jungjohann: Trump geht dort ja eher hemdsärmelig als strategisch vor. Aber dennoch arbeitet seine Administration konsequent daran, die bestehende Klimapolitik zu demontieren. Aber Amerika ist ja auch als Land der Checks and Balances bekannt. Das heißt, das politische System der USA zeigt gerade eine überraschende Widerstandsfähigkeit gegen diese ideologischen Angriffe.
    Die gute Nachricht ist, dass Trump das Klima-Erbe seines Vorgängers nicht vollständig rückgängig machen können wird. Aber die schlechte Nachricht ist auch, dass das zu wenig ist, um den Herausforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden, denn dafür müssten die USA nicht nur bestehende Klimaregeln konsequent durchsetzen, sondern sie müssten auch ausgeweitet werden und beschleunigt werden.
    "Demokratie verkommt zum Ausverkauf"
    Kuhlmann: Bei diesen Zwischenwahlen konnten die Wähler auch über etliche Volksbegehren zum Thema Klimapolitik abstimmen. Die Entwicklung erneuerbarer Energien war zum Beispiel ein Thema und auch das Fracking. Was ist dabei herausgekommen?
    Jungjohann: Nicht viel Gutes, muss man sagen. Ich würde das vielleicht an drei Beispielen verdeutlichen. Im Bundesstaat Washington an der Westküste, da stand eine Ökosteuer zur Abstimmung. Die Abstimmung ging verloren. – Im Bundesstaat Arizona stand zur Wahl, dass die Energieversorger dort bis 2030 dazu verpflichtet werden, die Hälfte ihres Stroms aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Die Abstimmung ging verloren. – Im Bundesstaat Colorado wollte ein Bürgerbegehren erreichen, dass dort neue Fracking-Bohrungen weitgehend verboten werden. Da gibt es schon 50.000 Fracking-Brunnen. Die Industrie will noch mehr und auch diese Abstimmung ging verloren.
    Dahinter wird ein Muster erkennbar. Es ist so: Für jeden Dollar, den die Umweltverbände in solche Kampagnen investieren, setzt die Industrie 40 Dollar dagegen. 40:1 ist der Faktor, über den wir hier reden, und das ist hoch problematisch. Das ist ein Signal dafür, dass der, der am meisten auf den Tisch legt, auch die Gesetze bekommt, die er braucht. Aus meiner Sicht verkommt die Demokratie so zum Ausverkauf.
    "Wir müssen uns auch selbstkritisch an die eigene Nase fassen"
    Kuhlmann: Wie wird sich diese Wahl auf die internationale Klimapolitik auswirken?
    Jungjohann: Aus meiner Sicht wird die US-Regierung weiter auf absehbare Zeit als Partner für den globalen Klimaschutz ausfallen. Zum einen wird dies dazu führen, dass sich andere Staaten hinter den Amerikanern verstecken werden, und zum anderen fehlt uns auch Geld bei der Klimafinanzierung, denn die USA drücken sich davor, ihren Teil dazu beizusteuern.
    Aber ich glaube, am Ende des Tages müssen wir uns auch selbstkritisch an die eigene Nase fassen. In Paris haben wir beschlossen, auch diese Bundesregierung, alles dafür zu tun, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, und bis heute haben nur 16 Länder überhaupt dafür Pläne beigesteuert, Deutschland immer noch nicht, und ich glaube, das ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung und für die Große Koalition. Aus meiner Sicht sollte diese Wahl ein Ansporn sein für Deutschland, endlich ernst zu machen mit dem Klimaschutz, und dazu gehört ein schneller Kohleausstieg. Dazu gehört ein nationales Klimagesetz und dazu gehört das Ende des Verbrennungsmotors.
    Kuhlmann: Arne Jungjohann von der Heinrich-Böll-Stiftung war das. Vielen Dank nach Stuttgart.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.