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US-Luftangriff in Syrien
"Ein militärisch bescheidener Schlag"

Die USA, Großbritannien und Frankreich haben Ziele in Syrien attackiert. "Das ist eine Wiederholung des Musters des vergangenen Jahres", sagte Nahost-Experte Markus Kaim im Dlf. Man können nicht plausibel machen, dass dadurch der weitere Einsatz von Chemiewaffen zukünftig verhindert würde.

Markus Kaim im Gespräch mit Peter Sawicki |
    Markus Kaim, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
    Markus Kaim, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) (foto-swp)
    Peter Sawicki: Donald Trump hat seine Drohungen also wahr gemacht. Zunächst hat er sie per Twitter losgeschickt, vergangene Nacht hat Washington zusammen mit Frankreich und Großbritannien Ziele in Syrien attackiert, als Vergeltungsmaßnahme für den mutmaßlichen Giftgasangriff der syrischen Regierung gegen das eigene Volk. Was bedeutet das Ganze jetzt aber für den Syrien-Krieg insgesamt?
    Darüber sprechen wir jetzt mit dem Nahost-Experten Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik, schönen guten Morgen, Herr Kaim!
    Markus Kaim: Schönen guten Morgen, ich grüße Sie!
    Sawicki: Ist Donald Trump nun doch ein Mann, der Wort hält?
    Kaim: So richtig sicher bin ich nicht, weil nach dem, was in den letzten Tagen aus Washingtons Rhetorik gekommen ist, aus Paris an Rhetorik gekommen war, ist es ein militärisch bescheidener Fall. Wir hatten eigentlich damit gerechnet, dass es um eine größere militärische Kampagne gehen würde, die wirklich die gesamte militärische Handlungsfähigkeit, die syrischen Streitkräfte schwächen würde, mit einer besonderen Fokussierung auf die Chemiewaffenfähigkeiten. Und das ist jetzt doch vergleichsweise vereinzelt dann sehr stark geblieben. Und vor allem die wichtige Frage ist, welche politische Wirkung geht davon aus. Und die halte ich doch für sehr bescheiden.
    Sawicki: Also auch für keine Strategie für Sie erkennbar jetzt?
    "Wiederholung des Musters des vergangenen Jahres"
    Kaim: Was wir gesehen haben heute Morgen, ist ja eine Wiederholung des Musters des vergangenen Jahres: ein vereinzelter Militärschlag gegen eine militärische Einrichtung, heute Morgen jetzt auch noch die Forschungseinrichtung, als Reaktion auf einen mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen. Und im vergangenen Jahr ist das begründet worden mit der Signalwirkung, die davon ausgehe, ein politisches, kraftvolles Signal solle das sein, an Assad Chemiewaffen nicht weiter einzusetzen. Was wir im vergangenen Jahr gesehen haben, dass Chemiewaffen aber weiterhin zum Einsatz gekommen sind. Also man kann nicht plausibel machen, weshalb diese vereinzelten Militärschläge denn [Anm. Aufnahme unverständlich] militärische Wirkung erzielen würden, dass Chemiewaffen nicht mehr eingesetzt würden. Oder gar dass sie politische Wirkung erzielt hätten in dem Sinne, dass das Assad-Regime sich von konzessionsbereiter im Friedensprozess unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen gezeigt hätte. Also politisch wie militärisch ist der Angriff vom vergangenen Jahr verpufft. Und von daher bin ich heute Morgen etwas verwundert, dass sich genau dieses Muster wiederholt, wahrscheinlich in der Erwartung, dass es jetzt ein anderes Ergebnis geben soll, was ich aber nicht wirklich sehe.
    Sawicki: Warum genau? Weil Syrien sich auch der weiteren Unterstützung von Russland sicher sein kann? Oder ist das am Ende sozusagen ... Oder glauben Sie, dass Donald Trump da auch keine weiteren Schritte unternehmen wird?
    Kaim: Wenn ich die Ankündigung heute Morgen richtig interpretiert habe, ist die Rede von ... oder hat das Pentagon angegeben, dass keine weiteren Schläge erfolgen werden. Also eine ausgedehnte Militärkampagne, die wirklich das Blatt wenden würde – ist das überhaupt noch möglich, in Syrien ist nichts zu erwarten –, und eine ausgedehnte Militärkampagne, die wirklich ein Heben in Richtung Politik sein könnte, die eine neue politische Dynamik entfaltet, sehe ich auch nicht. Und von daher, glaube ich, werden auch diese Militärschläge vergleichsweise wirkungslos verpuffen. Und mein Eindruck ist heute Morgen, dass die amerikanische Regierung sich eben auch von der Rhetorik der russischen Seite hat beeindrucken lassen, dass eine Eskalation drohe. Ich glaube, andernfalls hätte man von einer anderen Form militärischen Vorgehens ausgehen können. Und das erklärt, glaube ich, auch diese zurückgenommene Reaktion.
    Sawicki: Glauben Sie, dass eine Eskalation grundsätzlich noch möglich ist, weil es ja jetzt nach dem aktuellen Stand heißt, dass russische Einrichtungen, russische Soldaten ja nicht in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Also wie kann Moskau da jetzt konsequenterweise drauf reagieren?
    "Beide Seiten achten peinlich darauf, eine direkte militärische Konfrontation zu vermeiden"
    Kaim: Ich glaube, es ist kein Zufall, dass russische Einrichtungen, russische Staatsbürger nicht getroffen sind, weil tatsächlich das System der Grundmuster, der Supermachtkooperation beziehungsweise -konfrontation jetzt im Syrien-Krieg, dass beide Seiten vergleichsweise peinlich darauf achten, eine direkte militärische Konfrontation oder gar Eskalation zu vermeiden. Die fliegen beide im syrischen Luftraum und sprechen sich vergleichsweise präzise ab, was Flugzeiten und Flugrouten betrifft. Und ich wäre nicht verwundert, auch wenn das heute Morgen nur eine Mutmaßung ist, dass die amerikanische Seite bei ihrer Zielauswahl der Luftschläge von heute Morgen ganz bewusst eben auch die Gefahr vermeiden wollte, russische Einrichtungen zu treffen, Militäreinrichtungen oder russische Bürger in Mitleidenschaft zu ziehen. Also da sehen wir auch dieses Grundmuster der Deeskalation weiter.
    Sawicki: Nun haben wir ja jetzt auch gehört oder hören wir auch gerade, lesen gerade, dass es in der Region ja auch durchaus kritische Reaktionen, verärgerte Reaktionen auf diese Angriffe gibt, beispielsweise im Iran. Könnte sich das also doch in irgendeiner Form dann noch ausweiten, wenn Iran möglicherweise auch Schritte unternimmt dagegen?
    US-Soldaten in Syrien "dankbares Ziel für Guerilla-Angriffe"
    Kaim: Ich glaube, das werden wir erst in den nächsten Tagen sehen. Ich glaube, wir gucken jetzt auf eine Form der militärischen Auseinandersetzung mit Luftstreitkräften, mit Raketen. Man darf aber nicht vergessen, dass die USA 2.000 amerikanische Soldaten in Nordsyrien stationiert haben, die ein dankbares Ziel für Guerilla-Angriffe aller Art sind. Und ich glaube, wenn der Iran sich rächen will oder Vergeltung üben will, dann würde er das aufgrund seiner überschaubaren militärischen Fähigkeit nicht im großen Stile tun, sondern aller Voraussicht nach sich eher einer Guerillataktik bedienen. Und von daher, glaube ich, ist das letzte Wort auch im militärischen Sinne in dieser Auseinandersetzung noch nicht gesprochen.
    Sawicki: Was bedeutet das insgesamt für die Region auch im Hinblick möglicherweise auf den Konflikt des Irans mit Israel?
    Kaim: Das ist noch mal eine ganz andere Dimension des Konfliktes. Gegenwärtiges Zuspitzen hat ja auch etwas zu tun mit dem Vormarsch oder dem Aufbau der militärischen Infrastruktur des Irans in Syrien, der Luftangriff oder mutmaßliche Luftangriff Israels auf eine syrische Luftwaffenbasis vor zehn Tagen ist ja damit erklärt worden, dass man eben tatsächlich den Vormarsch und diesen Ausbau dieser Position einhegen und begrenzen wollte. Ich glaube, das ist die nächste Unterfront, wenn ich das so sagen darf, des syrischen Bürgerkrieges. Und hier droht eine weitere Eskalation, von der wir noch kein Ende sehen.
    Sawicki: Markus Kaim, der Nahost-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank für Ihre Zeit!
    Kaim: Danke!
    Sawicki: Und für die etwas schlechte Leitungsqualität möchten wir Sie um Entschuldigung bitten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.