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US-Musikerin Torres 
Kathartische Wege ins Unbewusste

Mackenzie Scott alias Torres befreit sich durch Musik von erlittenem Leid, von Strenge und konservativer Körperfeindlichkeit im Süden der USA. Auch deswegen ist das dritte Album der 26-Jährigen Gitarristin und Sängerin eine tanzbare Feier des weiblichen Körpers.

Von Anja Buchmann |
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    "Ich wollte auf der Gitarre schreiben und zur Gitarre singen": US-Musikerin Mackenzie Scott alias Torres (Ashley Connor)
    Musik: "Sprinter"
    Im Kölner Club "Gebäude 9". Soundcheck von Torres vor ihrem abendlichen Auftritt. Es gibt technische Probleme, die Band ist bereits eine Stunde in Verzug. Endlich kommt Mackenzie Scott zum Interview in den Vorraum.
    "Hello, check, check the level... hello, hello Cologne…"
    Da sitzt sie, an einem kleinen Tisch in der Bar vom "Gebäude 9". 28 Jahre alt, schulterlange blonde Haare, die sie sich hinter die Ohren streicht, freundlich-distanziert. Mackenzie Scott alias Torres. Warum eigentlich der spanische Künstlername?
    Von Britney Spears zum Musical
    "Es war der Vorname meines Großvaters. Er war mexikanisch und spanisch, aber ich bin das nicht, wir sind nicht biologisch verwandt. Ich wurde adoptiert."
    Adoptiert und aufgewachsen im kleinen Städtchen Macon, Georgia, in einer Baptisten-Familie. Eine liebevolle, aber strenge Kindheit, geprägt von Messebesuchen und vielen Stunden in der kirchlichen Jugendgruppe. Sie beginnt früh, Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben, lernt Klavier und Querflöte und hört viel Musik.
    "Meine erste CD war eine Enya-CD: Ich glaube, es war "Only Time". Meine Mutter hat mir diese CD gegeben. Das muss der erste Song gewesen sein, den ich wirklich geliebt habe. Ich war sieben oder acht Jahre alt."
    Und schon früh zeigt sich ein Hang zur Performance - wenn auch zunächst im kleinen privaten Rahmen.
    "Ich bin in meinem Schlafzimmer aufgetreten. Vor dem Spiegel, nur für mich. Ich habe mir vorgestellt, Schauspielerin zu sein, Filme zu machen, alles was mit Entertainment zu tun hat. Als ich richtig jung war, habe ich Britney Spears-Platten gehört, habe so getan als sei ich sie. Ich war ein Popstar in meinem Schlafzimmer."
    Musik: "Moon & Back"
    "Moon & Back" aus Torres' Debütalbum, veröffentlicht im Jahr 2013. Ein Song aus der Perspektive ihrer biologischen Mutter, die sie früh zur Adoption frei gegeben hat, und zwar an ihre Bibellehrerin, in deren Familie Mackenzie Scott dann aufwuchs. Irgendwann hat sie von ihrer Adoptivmutter ein Tagebuch ihrer leiblichen Mutter bekommen, in der diese von der Situation erzählt, ihr Kind weggeben zu müssen. Daraus entstanden: das Stück "Moon & Back". Zunächst aber hat Mackenzie Scott ausschließlich Texte geschrieben und sich parallel immer mehr für Musik interessiert. Nach der Enya-CD und der Britney Spears-Phase war das vor allem Musiktheater.
    "Total für Musicals begeistert"
    "In der Schulzeit habe ich mich total für Musicals begeistert. Besonders "Phantom of the opera" hatte es mir angetan. Ich habe die Musik gehört, den Film und die Bühnenversion gesehen. Für mich war es die schönste Musik überhaupt, damals. Und irgendwann war es mir nicht genug, sie nur zu hören. Also habe ich begonnen, bei Vorspielen mitzumachen, um selbst zu spielen. Ich musste selbst singen und vor Menschen aufführen."
    Musicals: prägende musikalische Wurzeln, die Mackenzie Scott immer wieder in ihren Interviews anführt. Außenstehende würden anhand ihrer aktuellen Musik nicht vermuten, dass dieses Genre für die Musikerin eine große Rolle spielte.
    "Es ist lustig: Ich denke, es gibt Einflüsse, aber andere Menschen hören das nicht. Zum einen ist meine Gesangsstimme schon mal recht opernhaft. Und ich mag den Performance-Aspekt aus dem Musiktheater. Ich nehme das auch in meine Auftritte mit rein. Die ausladenden Gesten mit meinem Körper, ich mag es mich zu bewegen und ein bisschen zu tanzen. Da ist viel Spiel dabei."
    Musik: "Greener Stretch"
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    Sie beginnt früh Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben (Ashley Connor)
    Eine Akustik-Gitarre besaß Mackenzie Scott schon in jungen Jahren, aber erst als Jugendliche hat sie sich näher mit dem Instrument beschäftigt. Die E-Gitarre kam später hinzu, als sie ihr Songwriting-Studium an der Belmont University in Nashville begann.
    "Es gab eine Art gesunden Wettbewerb mit meinen männlichen Kollegen, die E-Gitarre spielten. Also habe ich auch damit angekommen, so dass ich den gleichen Raum besetzen konnte, wie sie. In der Stadt Nashville, wo es eine durchaus konkurrierende Musikszene gab. Aber davor: Ich habe in der Highschool mit akustischer Gitarre begonnen. Ich wollte einfach das Songwriting ausprobieren und die Gitarre sollten ein Vehikel für meine Songs und meinen Gesang sein. Ich hatte keine Lust, Songs auf dem Klavier zu schreiben und mit dem Klavier zu präsentieren. Ich wollte sie auf der Gitarre schreiben und zur Gitarre singen."
    Ihre Songs, die Torres zum Ende ihrer Uni-Zeit auf ihrem Debüt veröffentlichte, bewegten sich noch deutlich in akustischen musikalischen Bahnen. Irgendwo zwischen Singer/Songwriter-Fingerpicking und verzerrten Indie-Rock-Gitarren, mit gelegentlichen geräuschhaften Ausbrüchen. Zudem: eine sehr persönliche Platte, in der die Musikerin ihr durchgeschütteltes Seelenleben in abgründigen und oft verzweifelten Songtexten präsentiert.
    "Mein Geschmack entwickelt sich immer weiter, auch was die klanglichen Aspekte angeht, und ich versuche, jedes Album etwas anderes zu machen. Das erste Album war sehr dramatisch, aber auch sehr aufrichtig. Es ging um Liebe und gebrochene Herzen, die erste Liebe… es war ein bisschen naiv, aber auch erschöpft. Ich glaube, ich war einfach so, zu College-Zeiten."
    Musik: "Honey"
    Schreiben als Selbstverwirklichung
    "Ich versuche immer, mich ein bisschen besser kennen zu lernen. Das ist eine große Selbstverwirklichung, wenn man andere, und besonders sich selbst beobachtet. Und beim Schreiben an sich, nicht nur beim Songwriting, geht es darum, sich selbst zu erforschen: sein Verhalten, seine Reaktionen bei bestimmten Situationen. Und darin einen Sinn zu erkennen, in einer prägnanten, poetischen Art und Weise."
    Und das tut die Musikerin. Zunächst, auf dem ersten Album, sehr direkt, sehr persönlich. Eine Art von Katharsis, mit der sie aber zunehmend professioneller umgeht. Ihre Songs haben immer persönliche Anteile, entwickeln sich aber mit der Zeit derart, dass sie nicht nur Ausdruck von konkreten selbst erlebten Situationen und Gefühlen sind.
    "Was ich gelernt habe, ist: Wenn Du davon leben willst, eine Karriere mit Musik zu starten, dann muss Du immer schreiben. Du musst 100 Geschichten oder Gedichte oder Songs schreiben, um zwei oder drei zu haben, die für ein Album zu gebrauchen sind. Du musst eine Athletin sein. Oder ein Hund. Es ist ermüdend, Du musst schreiben, wenn Du isst, wenn Du spazieren gehst, Du musst in Deinem Kopf schreiben, wenn Du Auto fährst, wenn Du schläfst und träumst und aufwachst und Deinen Kaffee trinkst. Du musst unermüdlich sein. Und dahin kommst Du nicht, wenn Du nur dann schreibst, wenn Du inspiriert bist."
    Wut und Power-Chords
    2015 veröffentlicht Torres ihr zweites Album "Sprinter", eine oft wütende Befreiung von erlittenem Leid und Zwängen: die Adoption, ihre Kindheit und Jugend in einer baptistischen Familie in Georgia, Strenge und konservative Körperfeindlichkeit im Süden der USA. Musikalisch bedeutet das: Power Chords, ein sehr präsentes Schlagzeug und expressiver Gesang; dazu kleine klangliche Finessen, wie Filter und dezente Keyboards im Hintergrund. Eine sehr gelungene Platte mit großer Dynamik; neben den wütenden Songs und Passagen entstehen sphärische Dream Pop-Klangbilder. Rob Ellis, bekannt als Musiker der Band von PJ Harvey, produzierte die Musik. Mit dabei auch der Portishead-Musiker Adrian Utley an Gitarre und Moog-Synthesizer, in dessen Studio in Bristol ein Teil der Songs aufgenommen und verfeinert wurde.
    Musik: "New Skin"
    "If you never know the darkness, then you're the one who fears the most": "Wenn Du die Dunkelheit nie kennen gelernt hast, ist Deine Angst am Größten", singt die damals 23-Jährige Mackenzie Scott alias Torres in "New Skin" aus ihrer zweiten Platte "Sprinter". Das Album bekommt gute Kritiken, die Musikerin tourt durch die USA, u.a. als Vorgruppe der Band Garbage, hat Auftritte in Europa. Eigentlich könnte sie den eingeschlagenen musikalischen Weg weiter gehen. Aber: Sie will sich noch einmal verändern. Das dritte Album, "Three Futures" gerät deutlich elektronischer und tanzbarer.
    Dance und Krautrock
    "Das ist das Album, was ich immer machen wollte. Es ist ausgefeilter, die Gitarrenparts sind vielfach durch verschiedene Synthesizer-Pedals gespielt. So dass sie nicht mehr nach Gitarre klingen. Es ist einerseits ein Dance-Album, andererseits auch ein Krautrock-Album, was die Rhythmen angeht. Und es ist meine erste Platte, auf der ausschließlich Synth-Bässe zu hören sind anstelle der Bassgitarre, das mag ich sehr gern. Also klanglich hat sich einiges geändert, aber was mein Songwriting und meine Texte angeht, das bin einfach Ich. Da hat sich nicht viel geändert. Es ist immer eine Reflexion über mich, wenn ich schreibe. Ich glaube, das neue Album ist etwas erwachsener."
    Musik: "Tongue slap your brains out"
    "Ich habe mir vorgestellt, ein Haus zu bauen. Die Mauern zu errichten, und sie mit Melodien zu behängen, wie Vorhänge. Aber es braucht erst die Grundmauern und ein Dach. Ich habe nicht immer so geschrieben und vielleicht mache ich es auch nicht immer wieder so. Aber es ist so: Wenn Du die Reihenfolge veränderst, wie Du einen Song schreibst, kommt ein ganz anderes Ergebnis dabei raus. Es macht mich sicherer, diesen Rhythmus, diesen Puls zu fühlen."
    Und der Rhythmus steht im Fokus von "Three Futures" - zumindest bildete er das Grundgerüst, denn die Songs hat Torres großenteils aus den Beats eines kleinen Drumcomputers entwickelt.
    "Früher habe ich immer mit Fingerpicking auf der Gitarre begonnen, aus dem ich dann die Songs entwickelt habe. Aber das fühlte sich irgendwann mehr an, wie: Lücken füllen. Ich meine, es macht Spaß, Power Chords auf der Gitarre zu spielen, aber es ist jetzt nicht besonders einfallsreich. Das wollte ich nicht mehr, ich wollte diese Struktur, in die ich mich einspinnen und wieder herausgehen konnte. Gitarre und Stimme sollten mehr miteinander verwoben sein."
    Musik: "Bad Baby Pie"
    Das Bild eines Hauses mit seinen Grundmauern, Dach und verschiedenen Zimmern war Mackenzie Scott nicht nur eine musikalische Hilfe; auch inhaltlich wollte sie verschiedene seelische Räume darstellen: Bewusstseinszustände von Angst, Verzweiflung und Eifersucht, aber auch von Kraft und Stärke. Und: Das Album sollte eine Feier des Körpers sein. Denn Scham und weibliche Enthaltsamkeit bzw. Zurückhaltung wurden ihr selbst jahrelang eingetrichtert. Inzwischen hat sie sich mehr oder weniger davon befreit und inszeniert sich im Video zum Song "Skim" sinnlich – und lesbisch.
    Musik: "Skim"
    "Ich weiß immer, wenn etwas nicht so klingt, wie ich es haben will, wie es richtig ist. Und ich werde so lange dran arbeiten bis es so ist, wie ich es für mich höre. Ich möchte Dinge nicht verkomplizieren. Aber ich mache nie etwas, das leichter ist, nur um der Einfachheit willen."
    Musik: "Cowboy Guilt"