Bettina Klein: Botschafterin Hutchison, vielen Dank, dass Sie uns dieses Interview geben. Ich möchte mit einer Frage beginnen, die für die USA sehr wichtig ist, aber in Deutschland hoch umstritten: Die Lastenteilung in der NATO und der Anteil, den jedes Mitgliedsland für die Verteidigung ausgibt. Deutschland wird das Zwei-Prozent-Ziel wahrscheinlich nicht bis 2024 erreichen. Es könnten 1,5 Prozent werden, aber der Trend geht nach oben. Wie groß ist diese Problem noch für Sie?
Kay Hutchison: Danke, Bettina, für die Gelegenheit mit Ihnen und Ihren Hörern in Deutschland zu sprechen.
Die zwei Prozent sind eine wichtige Zahl, aber sie ist nicht aus der Luft gegriffen. Es ist das, worauf sich alle unsere Verbündeten geeinigt haben beim Gipfel in Wales. Es ist das, was unsere Allianz braucht, um sich und ihre Mitglieder zu verteidigen gegen jede Art von Kriegsführung, hybride oder über das Internet. Wir haben festgelegt, dass wir das brauchen. Der Grund, weshalb wir Deutschland bitten, das zu erfüllen: Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in Europa. Neben den Vereinigten Staaten ist es diejenige, die am meisten beitragen könnte. Sie sind jetzt bei 1,3 Prozent, bewegen sich Richtung 1,5. Aber Amerika ist bei über drei Prozent. Und es ist für uns alle, also Nordamerika und Europa, damit wir stark genug sind, um Russland abzuschrecken.
Russland hat einen schädlichen Einfluss ausgeübt, hybride Kriegsführung, Angriffe gegen Bürger wie in Großbritannien. Wir müssen Stärke zeigen, damit wir nicht in etwas noch Ernsteres hineingeraten, das noch mehr Ausgaben fordern würde. Wenn wir in einen wirklichen Konflikt hineingeraten, dann würde das viel mehr als zwei Prozent kosten.
Wir wünschen uns, dass Deutschland Führung übernimmt. Deutschland hat die stärkste Wirtschaft, es geht Ihnen gut als Land und sie sollten im Bündnis führen. Mir wurde oft gesagt, wenn nicht mal Deutschland zwei Prozent zahlt, weshalb sollten wir das tun? Es ist nicht so, dass die Deutschen in anderen Bereichen nichts tun, denn sie tun sehr wohl etwas. Sie führen zum Beispiel in Afghanistan, sie trainieren afghanischen Soldaten zusammen mit Italien, der Türkei, und den USA. Sie tragen ihren Teil bei zur Abschreckung in Litauen zum Beispiel. Deutschland führt dort wie Amerika in Polen führt. Sie machen eine Menge guter Dinge, aber ihre Möglichkeiten sind größer als das. Ich war froh, dass Kanzlerin Merkel gesagt hat, es ist wahr, sie könnten und sollten mehr tun und sie hat recht.
"Deutschland sollte eine Führungsrolle in der EU haben"
Klein: Es gibt viele Punkte, die die Deutschen hier anführen. Einer, der viel in der Öffentlichkeit diskutiert wird: Wegen unserer Geschichte sind wir zögerlich, stärker in militärische Ausgaben zu investieren. Und zwei Prozent wären schon etwa 70 Milliarden pro Jahr. Können Sie das aus einer historischen Perspektive nachvollziehen? Die Regierung ist sich nicht sicher, ob unsere Nachbarn in der EU oder NATO darüber so glücklich wären.
Hutchison: Ich glaube, so sollte man das nicht sehen. Ich verstehe es, aber ich glaube Deutschland sieht gar nicht, dass es über seine Vergangenheit hinaus gewachsen ist. Es ist demokratisch, es hat Wächter der Demokratie. Wenn Deutschland eine echte Führungsrolle in Europa, in der EU hat, und es sollte eine Führungsrolle haben, kann man die nicht übernehmen, wenn man sich selbst nicht verteidigen kann oder in diesem Bereich nur begrenzte Ressourcen hat. Wenn Ihre Ausrüstung nicht funktioniert und Sie können nicht wirklich beitragen zu den Einsatzmöglichkeiten werden Sie nicht in einer Führungsrolle gesehen, aber ich glaube, dass sich Europa das wünscht. Weil Deutschland so erfolgreich aus seiner dunklen Geschichte gekommen ist, weil es die Wiedervereinigung geschafft hat. Das war so ein wichtiger und großer Schritt.
Ich war in Ost-Berlin letztes Jahr. Ich war so erstaunt über den Unterschied im Vergleich zum ersten Mal als ich dort war in den 90ern. Es ist lebendig, es ist aufregend, die Wirtschaft boomt. Es gibt keinen Grund, warum Deutschland nicht die Führungsrolle in Europa innehaben sollte, aber das bedeutet auch, dass man in der Lage sein sollte, sich selbst zu verteidigen.
"Iran ist keine Demokratie und glaubt nicht an Menschenrechte"
Klein: Viele Europäer machen sich große Sorgen wegen einiger fundamentaler Meinungsverschiedenheiten, wenn es um politische Entscheidungen geht, die US-Präsident Trump gefällt hat. Machen Sie sich Sorgen, dass das transatlantische Bündnis Gefahr läuft, zu zerbrechen oder vielleicht sogar schon zerbrochen ist?
Hutchison: Nein, ich glaube das ist eine angespannte Zeit. Ich könnte nicht sagen, dass das es das nicht ist, denn wir haben in der Tat Meinungsverschiedenheiten mit vielen unserer europäischen Verbündeten. Aber das transatlantische Bündnis wird daran nicht zerbrechen. Wir haben zwei Weltkriege überlebt. Wir sind stark mit Europa und wir werden mit Europa stark sein. Auch wenn es in der Vergangenheit unterschiedliche Allianzen gab. Sehen Sie sich das Vereinigte Königreich und Amerika an. Wir haben Großbritannien im 18. Jahrhundert in einer absoluten Revolution verlassen. Das Vereinigte Königreich ist heute einer unserer stärksten Verbündeten. Wir hatten einen Krieg mit Deutschland, wir hatten einen Krieg mit Japan. Beide sind heute sehr starke Verbündete. Ich glaube wir können uns keinen Bruch vorstellen, der schwieriger zu überwinden wäre als der Zweite Weltkrieg oder unsere Revolution mit den Briten. Ich glaube das zeigt die Stärke in unserer gemeinsamen Entschlossenheit, dass wir Demokratien sind. Wir sind für Menschenrechte, für die Freiheit unserer Menschen.
Diese starke Verbindung wird nicht an Spannungen zerbrechen, von denen ich glaube, wir werden sie bewältigen. Das gilt für die Handelsabkommen, denn wir werden zusammen reden. Auch was den Iran betrifft, denn Großbritannien, Frankreich und Deutschland stimmen mit uns überein, dass es sehr besorgniserregend ist, dass Iran Terrorgruppen unterstützt, und eine ballistische Rakete testet, und auf dem Weg ist – zumindest teilweise – eine Nuklearwaffe zu besitzen, was sehr gefährlich ist. Iran ist keine Demokratie und glaubt nicht an Menschenrechte. Wir haben also nur eine unterschiedliche Herangehensweise mit unseren europäischen Verbündeten, aber wir sind einig bei dem gemeinsamen Ziel zu verhindern, dass Iran sich nuklear bewaffnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.