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US-Physikern soll die Kernfusion auf dem Labortisch gelungen sein

Physik. - Es war der größte Flop in der Geschichte der Nachkriegsphysik: 1989 hatten zwei Physiker behauptet, ihnen sei die so genannte kalte Kernfusion im Reagenzglas gelungen. Nach einem halben Jahr entpuppte sich die wissenschaftliche Sensation als Seifenblase. Entsprechend skeptisch reagiert die Fachwelt nun auf einen Artikel im Wissenschaftsmagazin Science vom kommenden Freitag: Darin berichtet ein amerikanisch-russisches Physiker-Team, es hätte eine Kernfusion auf dem Labortisch auslösen können.

    Bei den Versuchen von Rusi Taleyarkhan vom Oak Ridge National Laboratory in Tennessee und Kollegen ging es allerdings nicht um eine kalte Kernfusion, vielmehr wollen sie im Laborversuch eine so hohe Temperatur erreicht haben, dass eine Kernfusion zu beobachten war. Diese Hitze wurde mit Hilfe der so genannten Sonolumineszenz erzeugt. Darunter versteht man die Umwandlung von Schall in Licht: Beschallt man eine Flüssigkeit, entstehen in ihr Bläschen, die sich ausdehnen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist das Vakuum innerhalb der Bläschen so stark, dass sie in sich zusammenfallen. Dabei wird Energie in Form von Licht frei.

    Die Physiker um Taleyarkhan wandelten diesen Versuchsaufbau etwas ab: Sie schossen zunächst Neutronen in die Flüssigkeit, Aceton in diesem Fall. Dabei entstanden winzig kleine Bläschen. Die Schallwellen ließen diese Bläschen im folgenden auf das 10.000fache wachsen. Bei der Implosion dieser Bläschen soll dann so viel Hitze entstanden sein, dass Isotope des Wasserstoffs, Deuterium, zu einem anderen, Tritium, verschmolzen sind - dass also eine Kernfusion stattgefunden hat. Als weiteres Indiz für eine Kernfusion werteten die Physiker die Entstehung von Neutronen bestimmter Energie, die während des Versuchs nachgewiesen worden seien.

    Das Ergebnis der Forscher enthält allerdings einige Unstimmigkeiten, kritisiert unter anderen Hans-Stephan Bosch vom Institut für Plasmaphysik in Garching: "In dem neuen Papier werden die Bedingungen in den Blasen nicht gemessen, sondern es werden nur die Fusionsprodukte nachgewiesen. Aber genau diese Messung wird ja von Experten aus dem selben Labor angezweifelt." Der Leiter des Oak Ridge National Laboratory hatte eine zweite Arbeitsgruppe eingesetzt, die das Experiment vor einer Veröffentlichung wiederholen sollte, um bei diesem sensiblen Thema auf Nummer Sicher gehen zu können. Doch es konnte die Neutronenausbeute nicht bestätigen und fand auch nicht genug Tritium, um eine Kernfusion belegen zu können. Der Sonolumineszenz-Experte Professor Detlef Lohse von der Universität Twente in Enschede kommt denn auch zu dem Schluss: "Mein Gesamturteil ist, dass es unverständlich ist, dass dieses Paper gegen den Rat beider Referenten von Science publiziert wurde."

    [Quelle: Christiane Knoll]