Der Abgang von Trumps Chefstrategen Steve Bannon wird Ansicht von Stelzenmüller jedoch inhaltlich keine Veränderungen im Weißen Haus mit sich bringen. Bannon habe Trump zwar versucht zu instrumentalisieren, doch der Präsident habe auch ohne ihn klare Vorstellungen. Trump sei schon immer ein Ethnonationalist gewesen, der Sympathien für die Idee der "Weißen Vorherrschaft" habe. Das hätte der inhaltliche Widerruf seiner zwischenzeitlich beschwichtigenden Worte zu Charlottesville gezeigt.
Stefan Heinlein: Das Personalkarussell in Washington dreht sich immer schneller. Viele der politischen Freunde und Weggefährten von Donald Trump, mit denen er antrat, um gemeinsam dem politischen Establishment in Washington das Fürchten zu lehren, haben den US-Präsidenten inzwischen freiwillig verlassen, oder es wurde ihnen der Stuhl vor die Tür gesetzt. Keine Personalie sorgt jedoch in den USA derzeit für so viele Schlagzeilen wie jetzt der Abgang von Steve Bannon, dem Chefideologen im Oval Office. Für viele seiner Kritiker ganz einfach der dunkle Lord im Weißen Haus, ein stramm nationalistischer Einpeitscher, das Gehirn hinter dem Populisten Donald Trump.
Darüber möchte ich jetzt reden mit Constanze Stelzenmüller von der Denkfabrik Brookings Institution in Washington. Ich grüße Sie, Frau Stelzenmüller!
Constanze Stelzenmüller: Ich grüße Sie. Guten Morgen.
"Ein Ethnonationalist war Trump schon immer"
Heinlein: Ist Trump ohne Bannon jetzt ein Bauch ohne Kopf?
Stelzenmüller: Ach, ich glaube, das ist eine Übertreibung des Sachverhaltes. Es ist sicherlich so, dass Bannon ein ungeheuer strategisch denkender Kopf war und jemand, der Trumps Anlagen und Meinungen noch verstärkt hat und versucht hat, sie zu instrumentalisieren. Aber man sollte nicht denken, dass Donald Trump ohne ihn sozusagen keine Ideen mehr hat. Im Gegenteil! Man hat gerade in der Pressekonferenz am Mittwoch, die inzwischen berühmt berüchtigt ist, die die Rücknahme der Rücknahme beinhaltete, wo der Präsident sich hingestellt hat und gesagt hat: All diese beschwichtigenden Dinge, die ich nach meinen ersten, Anstoß erregenden Kommentaren über die Demonstrationen und den Tod der jungen Frau in Charlottesville gesagt habe, das nehme ich zurück und in Wirklichkeit bin ich eigentlich der festen Überzeugung, dass ich ganz am Anfang das Richtige gesagt habe. Das sind Ideen und Meinungen, die dieser Präsident schon seit vielen Jahrzehnten geäußert hat. Er war legendär dafür, dass er gelegentlich, wenn er Aufmerksamkeit erregen wollte, dass er dann eine ganzseitige Anzeige in der New York Times geschaltet hat, um seine Ansichten zu erklären. Also ein Ethnonationalist war er schon immer und offensichtlich hat er auch schon immer Sympathien gehabt für die sogenannten White Supremacist.
Heinlein: Also sind Trump und Bannon trotz dieser Trennung weiter Brüder im Geiste?
Stelzenmüller: Ich glaube, ja, und Bannon scheint ja ausweislich der Interviews, die er nach seinem Hinauswurf gegeben hat, zu glauben, dass er dem Präsidenten noch besser dienen kann, zurück an seinem alten Organ "Breitbart" ist, einem Internet-Nachrichtenportal, das ja besonders rechts und besonders lautstark agiert.
"Trump hat es noch nie geschätzt, wenn ihm das Scheinwerferlicht gestohlen wird"
Heinlein: Was sind denn nun aus Ihrer Sicht, Frau Stelzenmüller, die Gründe für diese Trennung? Sind das eher politische oder dann doch persönliche Differenzen und hat Steve Bannon ganz einfach an Wert verloren für Donald Trump? Er gilt ja als der Macher des Wahlsieges und jetzt, nachdem Donald Trump das Weiße Haus erobert hat, ist er dann doch irgendwie verzichtbar geworden.
Stelzenmüller: In der Tat. Er war einer der wesentlichen Macher des Wahlsieges zu einem Zeitpunkt, wo Trump - das wird heute schnell vergessen - weit hinter Hillary Clinton in den Umfragen zurücklag. Er hat geholfen, diesen Wahlkampf mit umzudrehen, und er hat bei zwei anderen Dingen mitgeholfen: der Benennung des Richters Gorsuch für den Supreme Court, den obersten Gerichtshof, und bei der Deregulierung, also der Abschaffung von zwei Verwaltungsregulierungen, die angeblich das Wirtschaftswachstum hemmen, jedenfalls nach Meinung vieler amerikanischer Konservativer. Aber Trump hat es noch nie geschätzt, wenn ihm das Scheinwerferlicht gestohlen wird oder okkupiert wird, und Bannon hat die Medien fasziniert. Es gibt mehrere Bücher über ihn. Jetzt ist gerade ein neues rausgekommen: 'Devil's Bargain'. Und er hat - ich glaube, das ist das Schlimmste, was man tun kann, wenn man nicht in Schwierigkeiten geraten will mit diesem Präsidenten - er ist auf der ersten Seite des Time Magazine erschienen, also sozusagen dargestellt als der eigentliche Präsident im Weißen Haus, und das hat Trump ihm, glaube ich, nie verziehen.
Heinlein: Also persönliche Gründe - politisch passt kein Blatt zwischen den beiden?
Stelzenmüller: Ich glaube, die Unterschiede sind unerheblich. Es gab natürlich noch andere Gründe und das ist, dass Trump einen neuen Stabschef im Weißen Haus eingestellt hat, den General Kelly, der sich dann daran gemacht hat, im Weißen Haus aufzuräumen. Er hat mehrere Leute hinausgeworfen, darunter den inzwischen schon legendären, nur zehn Tage amtierenden Presse- und Kommunikationschef Scaramucci. Und offensichtlich war nach den Medienberichten von heute auch Bannon in seinem Fadenkreuz. Man hatte sich Ende Juli darauf geeinigt, dass er Mitte des Monats gehen würde, und dann haben die Dinge sich beschleunigt, weil Bannon unter anderem einem liberalen Magazin, einem linksliberalen Magazin ein Interview gegeben hat, in dem er die Nordkorea-Politik des Weißen Hauses desavouiert hat und über die Personalpolitik im State Departement und anderswo geredet hat, als würde er die Personalentscheidungen des Weißen Hauses treffen. Das war natürlich sowohl für den Stabschef als auch für den Präsidenten unverzeihlich.
"Diese Administration hat sich doch weitgehend als sehr inkompetent erwiesen"
Heinlein: Der Stabschef Kelly, den Sie jetzt gerade erwähnt haben, der gilt ja eher als ein Vertreter des moderaten Kurses, einer moderaten Linie - im Unterschied zu Steve Bannon, der jetzt gehen musste. Ist das doch ein knallharter Machtkampf über den künftigen Kurs des Weißen Hauses, der US-amerikanischen Politik, den wir gerade dort erleben?
Stelzenmüller: Dazu ist folgendes zu sagen. Leute wie Trump und Bannon lassen natürlich viele Leute, die nicht unbedingt auf ihrer Linie liegen, moderat aussehen. Natürlich ist auch der General Kelly in vielerlei Hinsicht inhaltlich ein hoch konservativer Mann. Aber er ist eben ein professioneller, gut ausgebildeter General, der präzise Vorstellungen hat von Abläufen und Protokollen - und vor allen Dingen dann, wenn es um Entscheidungen geht, die Leben und Tod von Zehntausenden betreffen können oder noch mehr, wie in der Frage, wie mit Nordkorea oder mit Afghanistan umzugehen ist. Dennoch ist nicht klar, dass nur weil Bannon nicht mehr im Weißen Haus ist aus diesem Weißen Haus jetzt so was wie eine klare politische Linie kommen wird.
Diese Administration hat sich doch weitgehend als sehr inkompetent erwiesen, unfähig, auch Gesetzesvorhaben, die im Interesse eines Großteils der Republikanischen Partei sind, umzusetzen, den Ersatz der Affordable Healthcare Act, also von Obama Care, wie es weithin genannt wird, die Gesundheitsreform. Es gibt auch keine Steuerreform, es gibt auch keine Infrastrukturreform und gleichzeitig haben die Bemerkungen des Präsidenten nach Charlottesville, seine Weigerung, sich von den weißen Ethnonationalisten zu distanzieren und die angemessen zu kritisieren, haben so viele in seiner eigenen Partei empört, so viele in der Wirtschaft empört, dass inzwischen dieses Weiße Haus und dieser Präsident doch weithin isoliert erscheinen. Das hat dieser vergangenen Woche eine besondere Dramatik gegeben, die sie von anderen dramatischen Wochen bisher - und davon gab es wahrlich einige - unterscheidet.
"Fassungslosigkeit, dass es so weit kommen konnte"
Heinlein: Wie tief ist denn nach Ihrem Eindruck der gesellschaftliche Graben in den USA zwischen der Alt-Right-Bewegung, die ja nach Ihren Worten weiter im Weißen Haus verankert ist, und den liberalen Protesten, die wir ja unter anderem in Charlottesville auf der Straße gesehen haben?
Stelzenmüller: Sie ist insofern im Weißen Haus, ich würde nicht sagen, verankert, aber der Präsident hat sich erkennbar geweigert, sich von ihr zu distanzieren, und damit gibt er ihr natürlich Legitimität. Die wichtigsten Vertreter der Alt-Right-Bewegung wie David Duke und wie Richard Spencer konnten ihr Glück kaum fassen vergangene Woche und haben ihm auf Twitter und anderen sozialen Medien ausführlich dafür gedankt. Das ist natürlich fatal für die Legitimität, für das Ansehen dieser Präsidentschaft. Das ist der Grund, warum so viele sehr hochrangige Republikaner, Wirtschaftsführer und andere, Rabbiner, gesellschaftlich bedeutende Leute sich jetzt explizit von ihm abwenden. Ich glaube, man darf die Größe und die Durchschlagskraft dieser Alt-Right-Bewegung nicht überschätzen. Das Amerika von 2017 ist nicht die Weimarer Republik. Hier steht nicht die Revolution auf der Straße bevor. Am Wochenende gab es eine kleine Demonstration der Alt-Right in Boston, gegen die Zehntausende friedlich anmarschiert sind, und dabei ist nichts passiert. Also es ist eindeutig, wo hier das Schwergewicht in der Gesellschaft liegt, und ich würde sagen Gott sei Dank, als jemand, der hier wohnt und arbeitet und das Land sehr schätzt.
Aber andererseits muss man auch sagen: Es ist schon erstaunlich, dass diese Bewegung, dass Leute, die offen antisemitisch mit dem Nationalsozialismus sympathisieren, sich rassistisch, ethnonationalistisch äußern, überhaupt in so hochrangigen Milieus Unterstützung haben. Das hat sich, glaube ich, kein Kenner des Landes, auch ich nicht, vor ein paar Monaten überhaupt vorstellen können. Und die Frage ist, wie man die strukturellen Bedingungen für die politische Polarisierung des Landes, die so was ermöglichen, wie man das wieder in den Griff kriegt. Dafür hat, glaube ich, momentan keine der beiden großen Parteien, weder die Republikaner noch die Demokraten, wirklich eine Lösung. Noch ist die Fassungslosigkeit und das Entsetzen darüber, dass es überhaupt so weit kommen konnte, zu groß.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Constanze Stelzenmüller von der Denkfabrik Brookings Institution in Washington. Vielen Dank für das Gespräch. Bei Ihnen ist noch später Abend. Deshalb gute Nacht nach Washington.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.