Archiv

US-Politikwissenschaftler
"Obama ist besser als sein Ruf"

Die Bilanz gegen Ende der zweiten Amtszeit von US-Präsident Barack Obama fällt gemischt aus. Obama habe stärker polarisiert als jeder andere Präsident zuvor, sagte der US-Politikwissenschaftler Andrew Denison im DLF. Mit seiner Großherzigkeit und Großzügigkeit habe er versucht, Amerika besser zu machen. Seine größte Schwäche sei aber seine mangelnde Geduld gewesen - die sich gerächt habe.

Andrew Denison im Gespräch mit Dirk Müller |
    Der US-Politikberater und -wissenschaftler Andrew Denison.
    Der US-Politikberater und -wissenschaftler Andrew Denison. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Wenn am 8. November die nächste Präsidentschaftswahl stattfindet, dann ist die Amtszeit des ersten schwarzen Präsidenten beendet. In seiner letzten Rede zur Lage der Nation zog Obama selbst eine Bilanz. Obama habe darin selbst bedauert, dass er das dualistische Hin und Her in Washington nicht habe überwinden können. Das sei auch einer Schwäche Obamas selbst geschuldet: der fehlenden Geduld mit Andersdenkenden. Die Republikaner seien kein einfacher Gegner, räumte der bekennende Demokrat Denison ein. Dennoch hätte Obama durch einen anderen Umgang mit den Republikanern vielleicht eine Einwanderungsreform, die auf seiner politischen Agenda gestanden habe, durchbringen können.
    Gezeigt habe sich in der siebenjährigen Amtszeit auch, dass ein Krieg anzufangen leichter sei als ihn zu beenden. Die Truppen 2011 aus dem Irak abzuziehen sei nicht richtig gewesen. Das zeige sich jetzt durch das Erstarken der Terrormiliz IS.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Diese Rede ist nicht nur in den USA ein großes Ereignis; es geht schließlich um das Vermächtnis des Präsidenten: als Hoffnungsträger, als Friedensnobelpreisträger, als Träger einer besseren, toleranteren Welt. Er hat die Erwartungen überall hochgeschraubt und dann doch so viele enttäuscht, oder vielleicht musste er sie enttäuschen. Zum letzten Mal wendet sich Barack Obama in einer Rede zur Lage der Nation an die Amerikaner. Aber was kann und was soll der Mann im Weißen Haus in den kommenden Monaten politisch noch erreichen? Seine Ansprache ist vor gut zwei Stunden zu Ende gegangen.
    Die Rede zur Lage der Nation, zum letzten Mal diese Option für Barack Obama, dessen Amtszeit in einem Jahr abläuft. Wie gut war Barack Obama? Darüber sprechen wir nun mit dem amerikanischen Politikwissenschaftler Andrew Denison. Guten Morgen.
    Andrew Denison: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Ist der Präsident doch besser als sein Ruf?
    Denison: Ist der Präsident besser als sein Ruf? Er wird geliebt und gehasst zugleich in Amerika. Er ist meiner Meinung nach - gut, ich bin Demokrat - besser als sein Ruf. Er hat auch eine Rede heute gegeben, die noch mal unterstrichen hat, was er alles geschaffen hat, aber vielleicht noch wichtiger, was für eine Philosophie der Politik ihn treibt, und das ist eine großherzige, großzügige Politik, die versucht, Amerika immer inklusiver zu machen. Und ich denke, da hat er auch ein Zeichen gesetzt.
    Obama wird geliebt und gehasst zugleich in Amerika
    Müller: Ist das jetzt, Herr Denison, noch wichtig, nach sieben Jahren zu erfahren, was ihn umtreibt und was er sich vorstellt?
    Denison: Doch. Ich denke, er geht zwar die Fragen der amerikanischen Angst an, aber er will auch eine Alternative bieten, ein Amerika, das auf die Erfolge seiner sieben Jahre aufbauen kann in einer nächsten Präsidentschaft. Er hat die Möglichkeiten Amerikas unterstrichen in den langen Perspektiven, aus Wandel sich zu stärken, hat gleichzeitig aber gesagt, Amerika muss nicht in harsche Grabenkämpfe verfallen, und indirekt hat er damit auch den gegenwärtigen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump kritisiert.
    Müller: Ist das aber nicht das große Problem von Barack Obama, dass er stärker polarisiert hat als vielleicht jeder andere Präsident zuvor?
    Denison: Ja, Herr Müller. Das könnte man schon sagen. In seinem Duktus, in seiner historischen Errungenschaft, als erster schwarzer Präsident an die Macht zu kommen, hat er nicht nur Unterstützung in Amerika und weltweit gefunden, sondern auch in Amerika eine starke Opposition provoziert. Genau wie George W. Bush uns Obama gegeben hat, so schwingt das Pendel im gewissen Sinne wieder zurück in Amerika und wir sehen die Unterstützung für so politisch unkorrekte Kandidaten wie Trump oder Senator Cruz. Obama selbst sagt ja, was er am meisten bedauert ist, dass er die Polarisierung in Washington nicht überwinden konnte, sagt am Ende aber, er meint, im Land selbst sind die Gräben nicht zu tief wie in Washington.
    Es geht hin und her
    Müller: Also könnte man das so sagen: Barack Obama trägt die Verantwortung dafür, ist verantwortlich dafür, dass die Republikaner alles blockieren können?
    Denison: Ja, er provoziert. So ist die Politik. Es ist ein dualistisches Hin und Her. Es gab Zeiten, wo Republikaner und Demokraten überhaupt nichts machen konnten. Wir haben aber gerade im November gesehen, wie der neue Repräsentantenhausführer Paul Ryan, der Republikaner, mit Barack Obama einen Haushalt verabschiedet mit Steuererhöhungen - wer hätte das gedacht - und Erhöhung auch für Staatsausgaben. Es geht hin und her, aber die Republikaner merken, wenn sie nur blockieren, dann kriegen sie den schwarzen Peter als die, die nichts machen wollen, und das wollen sie auch in diesem Wahljahr vermeiden.
    Müller: Wenn wir noch einmal zurückblicken auf die letzten sieben Jahre, vielleicht dann auch mit Blick auf die kommenden paar Monate, ein paar Monate, die vielleicht für ihn noch bleiben. Hat er viel zu viel versprochen?
    Denison: Politiker versprechen immer zu viel. Sonst wären sie wahrscheinlich nicht Politiker. Es gibt Enttäuschung. Er hat viel versprochen. Aber das, würde ich sagen, war nicht seine größte Schwäche, sondern wenn er Schwäche hat, dann war sie in seiner mangelnden Geduld, mit Andersdenkenden im Kongress umzugehen, die zu hoffieren und ständig zuzuhören, was eigentlich dazu gehört, wenn man mit dem Kongress was machen will.
    Müller: Zu wenig Geduld hat gerade der, der für Toleranz, Offenheit und fürs Zuhören steht?
    Denison: Ja, ja. Und nicht diese Bereitschaft, einen Extraweg zu gehen, um den Gegner reinzuholen. Es war kein einfacher Gegner, das muss man dazu sagen, und Amerika hat in einem gewissen Sinne den Luxus in den letzten Jahren, sich so zu blockieren, weil es gab keine existenziellen Krisen. Nichts desto trotz: Obama wollte zum Beispiel eine Einwanderungsreform und das ist gescheitert. Die Leute sagen, wäre er vielleicht mit dem Kongress anders umgegangen, hätten wir jetzt diese Einwanderungsreform.
    Er war kein einfacher Gegner
    Müller: Sie haben gesagt, Andrew Denison, Sie sind überzeugter Demokrat. Sie haben ja auch für Obama ganz klar ohne Wenn und Aber votiert, das zweimal. Das haben Sie im Deutschlandfunk ja auch schon immer bekannt. Enttäuscht worden sind Sie auch, haben Sie auch gesagt. Guantanamo, war das eine große Enttäuschung?
    Denison: Guantanamo war wieder ein republikanischer Kongress. Ich habe immer gesagt, ich komme ja aus Wyoming, wir sollten die Insassen alle zum Gefängnis in Roland bringen in Wyoming, denn wir haben genug bewaffnete Bürger. Ich glaube, es wird keine Gefahr sein. Aber glauben oder nicht, Herr Müller, wenn der Kongress sagt, wir wollen diese Leute nicht in Amerika haben, dann gibt es irgendwelche Gefahren, die durch Terroristen entstehen. Auf der anderen Seite die Leute zurückzuschicken - wir wissen, wie schwierig es ist in Deutschland, Leute zurückzuführen in ihre Heimatländer, wenn wir sie nach Libyen zurückschicken, dann ist das ein Problem. Also es ist ein negativer Strich. Schwieriger liegt ihm der Zustand vom Irak, denke ich, auf dem Herzen. Wenn er aus dem Amt geht, ist Mossul noch unter Kontrolle von ISIS. Ich denke, da wird er dagegenstreben, das zu beenden, diese Besatzung. Aber er hat sicher noch seine Herausforderungen und die kommen auch aus zurückliegenden Fehlern.
    Müller: Reden wir über die internationale Politik, über die Terrorpolitik, über die Anti-Terror-Politik. Er wollte den Rückzug aus Afghanistan, er wollte den Rückzug aus dem Irak. Das hat er alles versprochen. Das hat er in großen Teilen auch gemacht, die Truppen zurückgeholt. Das war auch mehrheitlich in den Vereinigten Staaten lange Zeit zumindest unumstritten. Jetzt ist er in diesem Dilemma, dass alle irgendwie wieder zurück müssen, dass der Kampf weitergeht?
    Denison: Ja. Es ist einfacher, einen Krieg anzufangen, als den zu beenden. Ein Kritikpunkt natürlich ist, dass er 2011 nicht härter mit Irak verhandelt hat, um amerikanische Truppen dort zu behalten. Wir hoffen, in Afghanistan hat er die Lehre gezogen und Truppen bleiben, auch europäische Truppen, und das ist gut. Er ist ein Risiko eingegangen, dass Irak schon selbst sich regieren könnte. Dieses Risiko ist schiefgegangen. Er ist einer, der auf der Seite irrt, weniger Truppen reinzuschicken statt mehr wie sein Vorgänger. Aber man kann da auch irren und ich denke, wenn er zurückschaut wünschte er schon, er hätte 2011 und _12 mehr im Irak getan, um ISIS und deren Erfolg zu verhindern.
    Es ist einfacher einen Krieg anzufangen
    Müller: Wir stehen ja heute Morgen alle auch hier in Deutschland, in Europa, weltweit unter dem Eindruck der jüngsten Anschläge, des jüngsten Anschlags in Istanbul mit zehn Toten. Werden die Vereinigten Staaten den Kampf gegen IS verstärken?
    Denison: Ich denke schon, und je mehr die Europäer auch diesen Kampf verstärken wollen, desto bereiter ist Obama, das zu machen. Denn hier auch ist er der Meinung, da kann Amerika nicht führen. Er sagte auch in seinem State oft he Union, wir sollen nicht Weltpolizist werden, da müssen andere auch mitmachen. Aber ja, das ist auch ein Angriff auf Amerika, wenn Deutsche sterben, und es wird die amerikanische Militäraktion gegen ISIS nur stärken.
    Müller: Wie gut war Barack Obama? Dazu haben wir die Meinung gehört des amerikanischen Politikwissenschaftlers Andrew Denison. Danke dafür, Ihnen noch einen schönen Tag.
    Denison: Ihnen auch, Herr Müller.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.