"Das ist eine ganz heikle Argumentation, die er hier vornimmt", sagte Jäger. Im Kern bestehe das Ergebnis einer Wahl ja darin, dass sie einen legitimen Regierungschef hervorbringe. In der Regel werde die Legitimität nicht in Zweifel gezogen. Im Fall Al Gore gegen George W. Bush im Jahr 2000 habe es allerdings schon mal eine Auseinandersetzung über die Legitimität der Präsidentschaftswahl gegeben. Trump behalte sich vor, das erneut zu thematisieren, so Jäger.
Allerdings könne es gut sein, dass Trump diese Vorwürfe auf die Füße fielen. "Es ist ja schon mehrfach passiert, dass er gedacht hat, ich mach hier einen guten Punkt, und am Ende geht der Schuss nach hinten los."
Insgesamt bewertet Jäger, der an der Universität Köln lehrt, die Debatte zwischen Trump und Clinton als "ein wenig sachlicher" und auch politischer. Die Kandidaten seien selten ausfällig geworden und hätten sich selten beleidigt. In der Sache gebe es aber wenig neue Erkenntnisse.
Kleines Wunder für Trump-Sieg nötig
So wolle Clinton jetzt beispielsweise nicht mehr die Kurden in Syrien und im Irak bewaffnen, was ihr nach der letzten TV-Debatte Kritik eingebracht hatte. Auch ihr Vorschlag einer Flugverbotszone führte zu Bedenken, das würde einen Krieg mit Russland provozieren.
In der E-Mail-Affäre ist Clinton nach Ansicht Jägers geschickter vorgegangen. In einer anderen Situation hätte sie unter stärkerem Druck gestanden, gegen einen anderen Kandidaten hätte sie stärker auftreten müssen. Da sich Trump aber so viele Vorwürfe habe anhören müssen, habe sie immer wieder ablenken können. So sei es den Republikanern nicht gelungen, die E-Mail-Affäre ins Zentrum zu schieben.
"Dass Trump gewinnt, da müsste wahrscheinlich noch ein kleines Wunder geschehen", findet Jäger. So oder so würde aber keiner der beiden Kandidaten das geteilte Land wieder zusammenführen. Die Republikaner hätten sich jetzt schon darauf festgelegt, Clinton eine zweite Amtszeit zu verweigern, sie würden Obstruktionspolitik machen.
Das komplette Interview zum Nachlesen:
Mario Dobovisek: Las Vegas, Glitzer, Glamour, Show, die Stadt der schrillen Superlative vom falschen Elvis bis zum falschen Eiffelturm, in der Nacht Austragungsort des letzten der drei Fernsehduelle im US-Wahlkampf: zwischen Hillary Clinton auf der einen Seite und Donald Trump auf der anderen. Um drei Uhr deutscher Zeit ging es los. Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität in Köln, hat das Duell verfolgt. Guten Morgen, Herr Jäger.
Thomas Jäger: Guten Morgen!
Dobovisek: Wie hat sich das Duell von den anderen beiden unterschieden?
Jäger: Es war ein wenig sachlicher als die anderen beiden. Es war etwas politischer. Die Kandidaten sind nur wirklich ganz selten ausfällig geworden, haben sich nur ganz selten beleidigt. In der Sache hat es keine neuen Erkenntnisse gebracht. Nur wenn man genau hinsieht sieht man, dass doch die eine oder andere Position aus dem zweiten schon wieder geschliffen wurde.
Dobovisek: Zum Beispiel?
Jäger: Zum Beispiel, dass Hillary Clinton nicht mehr die Kurden bewaffnen will. Die Außenpolitik hat eine große Rolle gespielt in dieser Debatte. Und es ging dabei um den Islamischen Staat, den Kampf in Syrien, es ging um Russland insbesondere. Und da gab es ja doch vor allem von linker Seite in den Vereinigten Staaten nach dem zweiten Duell kräftige Kritik an Hillary Clinton, weil sie diesen Doppelvorschlag gemacht hat: Bewaffnung der Kurden und eine Flugverbotszone. Und von links wurde argumentiert, das führt uns in den Krieg mit Russland. Und Russland spielte dann auch eine große Rolle, weil das der Moment war, als sich Donald Trump wirklich provozieren ließ.
Dobovisek: Wie hat sich das ausgedrückt?
Jäger: Er wurde die Marionette Putins genannt und dahinter steckt, dass die amerikanischen Geheimdienste Russland hinter der Hacker-Aktion gegen die demokratischen Computer vermuten. Und das kommt Frau Clinton momentan wirklich ganz ungelegen, dass interne Mails jetzt bekannt werden, dass sie das eine oder andere erklären muss, was sie eigentlich nicht so gerne erklären will, was sie vor den Wall-Street-Banken gesagt hat, dass sie eine private Meinung hat und eine öffentliche Meinung hat. Das tut ihrer Glaubwürdigkeit nicht gut.
Dobovisek: Nun gelang es Clinton aber immer, Vorwürfe sofort abzubügeln, auch gerade zum Thema Russland berief sie sich auf die 17 Geheimdienste der USA. Hat sie das einfach geschickter gemacht als Trump?
Jäger: In dem Fall war sie geschickter, aber das reichte ihr auch. Wahrscheinlich hätte sie in einer anderen Situation unter stärkerem Druck und auch gegen den anderen Kandidaten noch stärker auftreten müssen. Hier reichte es. Trump hat sich so viele Vorwürfe anzuhören, dass sie immer wieder ablenken kann, dass sie immer wieder auf ein anderes Feld kommt. Und es scheint den Republikanern noch nicht gelungen zu sein, die E-Mail-Affäre wirklich ins Zentrum des Wahlkampfes zu schieben.
Dobovisek: Was mich etwas überrascht ist die Deutlichkeit, mit der Trump sich vorbehält, das Wahlergebnis überhaupt anzuerkennen, als er zum Beispiel vom Moderator darauf angesprochen wurde. Hören wir da mal kurz rein:
O-Ton TV-Duell:
Dobovisek: Er wird sich das Ergebnis dann noch anschauen, behält sich vor, das Ergebnis anzuerkennen. Was bedeutet das, Herr Jäger?
Jäger: Das erste ist: Er bleibt sich treu. Er hat in der ersten Debatte der Republikaner, als es darum ging, seid ihr alle bereit, den Kandidaten zu unterstützen, der am Ende rauskommt, als einziger gesagt, das überlege ich mir noch, da will ich mal sehen, ob ich nicht als Unabhängiger antrete. Und so ist das jetzt auch. Er muss diese Idee von der Manipulation der Wahlen in den USA aufrecht erhalten. Und dem nimmt er natürlich den Boden unter den Füßen weg, wenn er jetzt sagt, ich erkenne das Ergebnis in jedem Fall an, auch wenn ich der Ansicht bin, es ist manipuliert.
Dobovisek: Zweifelt Trump damit nicht auch die Grundfeste der US-Demokratie an?
Jäger: Ganz heikle Argumentation Trumps
Jäger: Das ist eine ganz heikle Argumentation, die er hier vornimmt, weil im Kern besteht dann das Ergebnis des Wahlkampfes ja darin, dass bestimmte Verfahren, nämlich die Wahl selbst einen legitimen Regierungschef hervorbringt. Und gewöhnlich hat ja ein großer Teil der Bevölkerung genau diesen Regierungschef oder vielleicht demnächst die Chefin nicht gewählt. Aber die Legitimität wird nicht in Zweifel gezogen. Und das zweifelt er hiermit an. Wir hatten ja schon einmal, etwa als es die Auseinandersetzung zwischen Al Gore und George W. Bush gab, ein Problem, wo genau darum die Frage ging: Ist derjenige, der jetzt ins Amt gekommen ist, wirklich legitim, dort wo er ist. Und Trump behält sich das wohl vor und behält sich wohl auch vor, nach einer verlorenen Wahl das groß zu thematisieren.
Dobovisek: Wird ihm das am Ende auf die Füße fallen?
Jäger: Gut möglich. Es ist ja schon mehrfach passiert, dass er gedacht hat, ich mache hier einen guten Punkt, und am Ende ging der Schuss nach hinten los. Das mag sein. Und er wird vor allem die Republikaner damit nicht glücklich machen, die doch als Partei, als etablierte Partei in diesem Parteiensystem mit dieser Idee überhaupt nichts anfangen können, dass man etwa eine Bewegung außerhalb des Parteiensystems ins Leben rufen könnte, weil man nämlich das ganze Verfahren ablehnt.
Dobovisek: Viele führende Republikaner haben sich ja bereits von Donald Trump abgewendet, vor allem nach dem Bekanntwerden seiner sexistischen Äußerungen. War das sozusagen der Todesstoß für Trump? Hat er damit verspielt?
Jäger: Da bin ich mir nicht sicher. Das haben ganz viele gemacht, weil sie fürchteten, ihr Amt zu verlieren. Denn es wird ja parallel das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats gewählt. Insofern ging es für einige wirklich ums politische Überleben, sich von dem Kandidaten fernzuhalten. Aber Trump war die ganze Zeit, was die Meinungsbildung angeht, nicht notwendigerweise auf die etablierten Republikaner angewiesen. Er hat sich ja von Anfang an von ihnen distanziert. Viel wichtiger wäre für ihn gewesen, auf ihre Wahlkampforganisation zugreifen zu können. Das funktioniert scheinbar nicht so wirklich. Aber nehmen Sie den Fall etwa Trump/McCain, den er relativ früh beleidigt hat, von dem er sich sehr früh distanziert hat. Das hat ihm nicht wirklich geschadet, weder in der Wählergunst noch in der republikanischen Partei selbst, die tief gespalten einer ganz ungewissen Zukunft entgegensieht.
Jäger: Beide Kandidaten unbeliebt bis gar verhasst
Dobovisek: Beide Lager, sowohl bei Clinton als auch bei Trump - so war es bei den vergangenen Debatten eben auch - werden ihre Kandidaten jeweils nach dem Duell heute als Sieger sehen. Wenn wir einen Schlussstrich darunterziehen unter alle drei Debatten, die ja wirklich in den USA eine große wahlentscheidende Rolle spielen, wer hat die Nase vorn aus Ihrer Sicht?
Jäger: Die Nase vorn hat Hillary Clinton, so wie sich das in den Umfragen auch zeigt. Das Ergebnis der Umfragen, die man landesweit macht, ist aber nicht ganz so deutlich, wenn man in die Swing States guckt. Da ist es immer noch in ganz vielen knapp. Momentan - das ist das Verrückte an diesem verrückten Wahlkampf - ist ziemlich viel möglich, sowohl dass einige Staaten noch sehr umstritten bleiben können bis zum Ende. Genauso ist aber möglich, dass Hillary Clinton in einem großen Wurf das gesamte Land quasi gewinnt, dass sie selbst in republikanische Staaten wie Arizona und Georgia Erfolg haben kann. Dass Trump gewinnt, da müsste wahrscheinlich noch ein kleines Wunder geschehen.
Dobovisek: Jetzt sind die USA aufgewühlt, gar gespalten, mehr denn je zuvor vor einer Präsidentschaftswahl. So scheint es jedenfalls. Wird das Spuren hinterlassen auch weit über die Wahl hinaus?
Jäger: Ohne Frage, denn gehen wir davon aus, dass Hillary Clinton ins Amt gewählt wird: Die Republikaner haben sich jetzt schon darauf festgelegt, ihr eine zweite Amtszeit zu verweigern. Sie werden Obstruktionspolitik machen. Es wird wesentlich davon abhängen, wie die Senatswahlen ausgehen, denn eine ganze Reihe von Nominierungen, die hängen an der Zustimmung des Senats. Aber es ist nicht zu erwarten, dass diese beiden Kandidaten, die nicht nur im Land, sondern auch im politischen Establishment so unbeliebt bis gar verhasst sind, dass sie das Land zusammenführen werden.
Dobovisek: Der Kölner Politologe Thomas Jäger über das letzte Fernsehduell in den USA vor den Präsidentschaftswahlen am 8. November. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Jäger.
Jäger: Sehr gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.