"Die zentralen Werte dieser Nation, unser Ansehen in der Welt, unsere Demokratie, alles was Amerika zu Amerika macht steht auf dem Spiel. Deshalb kündige ich heute meine Präsidentschaftskandidatur an."
Joe Biden hat diese Erklärung schon zweimal abgegeben. 1988 und 2008 hat er bereits Anlauf genommen, um US-Präsident zu werden. Nun, nachdem er acht Jahre Obamas Vize war, der dritte Versuch, ins Weiße Haus zu kommen. Und da gehört nur einer hin, der an beiden Enden brennt, ist Biden überzeugt:
"Es sollte sich niemand für dieses Amt bewerben, der nicht bereit ist 110 Prozent zu geben."
Sollte der 76-Jährige US-Präsident werden, wäre er der älteste Präsident, der je den Amtseid abgelegt hat. Ein Typ, mit dem viele gern mal ein Bier trinken würden. Authentisch, zum Anfassen. Viele Amerikaner würden sagen: der hat das Herz am rechten Fleck.
Einer aus der Mittelklasse, der sich bei Demokraten und Republikanern in seinen 36 Jahren als Senator viel Anerkennung und Sympathie erarbeitet hat. Vor allem unter Arbeitern und Gewerkschaftern hat er viele Unterstützer und könnte so entscheidende Bundesstaaten gewinnen.
Nicht umsonst führt er seit Wochen die Umfragen des überlaufenen demokratischen Bewerberfelds an, obwohl er noch nicht mal seine Kandidatur erklärt hatte. Viele wollen ihn:
"Run Joe Run"
Trump sieht keine Gefahr
Dass Biden gern auch mal was rausrutscht, dass er als Mann der Mitte gilt während seine Partei weiter nach links gerückt ist und dass seine jahrelange politische Arbeit durchaus Angriffspunkte liefert, all das lässt Trump gelassen reagieren, auf die Frage, ob er Biden als Herausforderer fürchten würde:
"Nein, der ist keine Gefahr. Der kann nur sich selbst gefährlich werden."
In den vergangenen Monaten hat Biden versucht, Themen auszuräumen, die ihm auf die Füße fallen könnten. So wird sein Umgang mit Anita Hill in der Me-Too-Ära scharf kritisiert. Sie hatte bei Anhörungen den künftigen Supreme Court Richter Clarence Thomas beschuldigt, sie sexuell belästigt zu haben.
Außerdem haben in den vergangenen Wochen mehrere Frauen gesagt, dass Joe Biden sie unangemessen berührt oder umarmt habe. Die Vorwürfe waren aber nicht sexueller Natur. Doch Biden wusste, dass er sie aus dem Weg räumen musste:
"Die sozialen Normen haben sich verändert und die Grenzen, die den persönlichen Raum definieren haben sich geändert. Ich verstehe das und es ist meine Verantwortung damit künftig achtsamer umzugehen. Das verspreche ich."
Anfang der 1970er-Jahre, als Biden gerade als Senator gewählt war, sterben seine Frau und seine kleine Tochter bei einem Autounfall. Der damals 30-Jährige war von einem Moment auf den anderen alleinerziehender Vater von zwei Söhnen. Deshalb zog er nicht nach Washington, sondern fuhr täglich mit dem Zug zur Arbeit ins Kapitol.
Kampf für etwas sehr Grundsätzliches
Ein zweites Mal hat das Land Joe Biden als trauernden Mann erlebt, als sein Sohn Beau 2015 an einem Gehirntumor stirbt. Biden hat den Respekt vieler Amerikaner - auch den seiner künftigen Konkurrentin Kamala Harris. Eine Frau, die eher den linken Flügel der Demokraten repräsentiert und auch Präsidentin werden will:
"Spring ins Wasser Joe, es ist warm. Ich liebe Joe Biden."
Und nun ist Joe Biden gesprungen. Er will’s nochmal wissen. Und ginge es nicht darum, Trump aus dem Weißen Haus zu jagen, wäre er womöglich gar nicht angetreten. Aber den weißhaarigen, schlanken Mann mit klarem moralischem Kompass treibt der Kampf für etwas sehr Grundsätzliches an:
"Leute, so sind wir nicht. Wir müssen uns daran erinnern, was unser Land so besonders macht. Es sind unsere Werte, woran wir glauben. Es klingt kitschig, aber es ist das amerikanische Kredo. Ernsthaft."
Joe Biden hat viel Erfahrung, ist ein Experte in Sachen Außenpolitik. Er ist ein Arbeitstier und wird sicher nicht darauf hoffen, dass ihm die Kandidatur zufällt. Vor allem weil klar ist, dass in der US-Politik die Zeit der Moderaten und der alten weißen Männer eigentlich gerade zu Ende geht.