Die Kandidatin ist heiser: "My voice is a little raspy", aber sonst sei alles in Ordnung mit ihr, so Hillary Clinton. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn ihre Nominierungskampagne läuft unrund, und das bereits seit Wochen. Die jüngste Hiobsbotschaft für Clinton: Gestern sah eine NBC-Umfrage in Iowa Clinton erstmals hinter ihrem linken Konkurrenten Bernie Sanders. Iowa ist der zweite Bundesstaat, in dem Anfang nächsten Jahres Vorwahlen stattfinden und hat unter Umständen Signalwirkung auf den weiteren Verlauf der sogenannten Primaries. Im ersten Bundesstaat, in New Hampshire liegt Sanders bereits seit dem letzten Wochenende vorne.
Doch in fast allen anderen Umfragen unter den Demokraten ist Hillary Clinton in Führung. Frauen stehen mit großer Mehrheit hinter ihr, und man traut ihr Entschiedenheit und Härte in internationalen Krisen zu.
"Ich habe die Vision, die politischen Rezepte, die Fähigkeiten und das Durchhaltevermögen, um uns wieder auf den richtigen Weg zu führen."
Clintons Kompetenz wird nicht angezweifelt
Ihre Kompetenz bestreiten nicht einmal ihre Gegner. Richtig zünden will ihr Wahlkampf aber nicht. Die demokratische Basis ist nach links gerutscht, ähnlich wie die der Republikaner nach rechts. Die Herzen vieler eingefleischter Demokraten fliegen Bernie Sanders zu. Er bezeichnet sich selber als progressiv, ja, als demokratischer Sozialist.
Er sei ein stolzer Linker, so Sanders. Der 74-Jährige ist seit Jahrzehnten für den Bundesstaat Vermont im Kongress und dort nie durch legislative Erfolge aufgefallen. Er ist ein Linkspopulist, der gegen Banken und Reiche wettert und einer großflächigen Umverteilung das Wort redet. Das kommt gut an bei der demokratischen Basis, macht ihn aber für die politische Mitte unwählbar - dort werden aber auch in den USA Wahlen gewonnen - woran Hillary Clinton jetzt immer öfter auf ihren Kundgebungen erinnert.
"Man wirft mir oft vor, zu gemäßigt zu sein, zu sehr in der politischen Mitte. Dazu bekenne ich mich auch. Um politisch etwas bewegen zu können, muss man Menschen zusammenbringen, anstatt sich von den Seitenlinien aus anzuschreien."
Doch die Mitte nur rhetorisch zu reklamieren, reicht nicht, um zu überzeugen und Emotionen zu wecken. Hillary Clinton beziehe zu selten klar Stellung, sagt diese Demokratin am Rande einer Bernie-Sanders-Kundgebung.
Clintons allgemeine Sympathiequote gesunken
Bernie Sanders brauche keine Umfrage, um zu wissen, wo er politisch stehe. Die vorsichtige, abwägende, durchgeplante Wahlkampfstrategie Clintons droht, sie ins Hintertreffen zu bringen. Im letzten halben Jahr ist ihre allgemeine Sympathiequote in den Umfragen um zehn Prozent gesunken - was viele Demokraten tief beunruhigt.
Immer öfter wird deshalb der Ruf nach Joe Biden, dem Vizepräsidenten laut. Ihm traut man zu, Wähler der Mitte anzusprechen. Biden traf sich jüngst mit der linken Senatorin Elizabeth Warren, die prompt als seine mögliche Vizepräsidentschaftskandidatin gehandelt wird. Seitdem wollen die Spekulationen nicht verstummen, dass Biden in das Rennen einsteigt. Der Vizepräsident, emotional immer noch schwer angeschlagen vom Tode seines Sohnes Beau Biden vor drei Monaten, hält sich die Möglichkeit offen.
Ob er kandidiere, müsse man seine Frau fragen, so Joe Biden. Je weiter Hillary Clinton absackt, desto wahrscheinlicher wird allerdings eine Kandidatur Bidens. Die ersten Vorwahlen sind im Februar, ein Wahlkampf ist eine organisatorische Mammutleistung. Viel Zeit für eine Entscheidung bleibt ihm nicht mehr.