Ein beglaubigte Endergebnisse der Wahl aus allen Bundesstaaten soll es zwar erst zum 8. Dezember geben, doch auf der Grundlage von Prognosen und Vorhersagen haben die großen US-Medien Joe Biden bereits am 7. November zum Wahlsieger erklärt.
Inzwischen kommt der Kandidat der Demokraten bereits auf 290 Stimmen der Wahlleute im Electoral College. Für die Mehrheit in der Wahlleuteversammlung, die den Präsidenten am 14. Dezember bestimmen soll, reichen 270 Stimmen. Das Ergebnis der Abstimmung wird am 6. Januar im Kongress bekanntgegeben - erst dann herrscht absolute Rechtssicherheit.
Amtsinhaber Donald Trump konnte zuletzt erwartungsgemäß noch die Wahl in Alska für sich entscheiden - und damit drei Wahlleute hinzugewinnen, kommt damit nach aktuellem Stand (13.11.) aber nur auf insgesamt 217 Wahlleutestimme.
Trump weigert sich jedoch weiterhin, seine Niederlage einzugestehen und spricht - bisher ohne Beweise vorzulegen – von Wahlbetrug. Laut seiner Sprecherin Kayleigh McEnany hat er die Hoffnung auf einen Verbleib im Weißen Haus tatsächlich noch nicht aufgegeben. "Natürlich glaubt er, dass er noch eine Chance hat", beteuerte sie bei Fox News. Trumps Team hat in mehreren Bundesstaaten Klagen gegen die Stimmauszählung eingereicht.
In fast keinem US-Bundesstaat ist die Auszählung der Stimmen abgeschlossen, in den meisten hat einer der beiden Kandidaten jedoch bereits einen so großen Vorsprung, dass er als Wahlsieger gilt.
Nach der knappen Entscheidung in Arizona und der Bestätigung von Bidens Sieg in Georgia durch Neuauszählung gilt die Vergabe der Wahlleutestimmen nur in North Carolina als offen. In dem Staat an der Ostküste zeichnet sich ein Sieg für Trump ab. Der US-Präsident führt mit rund 74.900 Stimmen Vorsprung und hält damit einen Anteil von 50,0 Prozent. Biden kommt auf 48,7 Prozent. Doch Briefwahlstimmen mit Poststempel vom 3. November können noch bis zum 12. November eingehen – und müssen bis zu dieser Frist auch berücksichtigt werden. Dass Biden in North Carolina noch aufholt, gilt aber als unwahrscheinlich.
Damit würde Trump 15 weitere Wahlleutestimmen erhalten. Diese könnten aber nur entscheidend werden, wenn es seinem Team gelänge, die Wahlergebnisse in andern Bundesstaaten anzufechten.
In welchen Bundesstaaten klagt Trump?
Bereits im Wahlkampf hatte Trump Misstrauen am Wahlprozess gesät, indem er wiederholt unbelegte Manipulationsvorwürfe erhob – insbesondere in Bezug auf die Briefwahl. Immer wieder behauptete der Präsident, ein Wahlsieg sei im nur durch Wahlbetrug zu nehmen. Ein Narrativ auf das Trump zurückgriff, als sich in mehrere "Swing States" abzeichnete, dass sein Vorsprung aus der Wahlnacht mit der Auszählung der Briefwahlstimmen schrumpfte.
Ein Szenario, das erwartet worden war, da republikanische Wählerinnen und Wähler traditionell eher persönlich an den Wahlurnen abstimmen, Unterstützerinnen und Unterstützer der Demokraten dagegen häufiger per Briefwahl. Ein Trend, der durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde.
In drei Staaten des sogenannten "Rust Belt", wo Trump vor vier Jahren noch die Wahl gegen Hillary Clinton gewonnen hatte, wendete sich schließlich das Blatt: Biden wurde in Michigan, Wisconsin und Pennsylvania zum Sieger erklärt. Trump zieht das öffentlich in Zweifel und spricht immer wieder von massivem Wahlbetrug, mit dem versucht werde, ihm den Sieg zu stehlen. Weder er noch seine Anwälte haben dafür aber bislang Belege vorgelegt.
In allen drei Staaten reichte das Team von Donald Trump Klagen ein: in Michigan, um die Auszählung zu stoppen, in Georgia, um angeblich zu spät eingetroffene Stimmzettel von der Auszählung auszuschließen und in Pennsylvania um die rechtliche Regelung zu kippen, nach der alle Briefwahlstimmen, die bis zum 6. November eingegangen sind, gezählt werden müssen. Auch in Nevada versuchten die Anwälte Trumps juristisch gegen die Auszählung vorzugehen. Alle Klagen wurden von den zuständigen Gerichten abgewiesen – in Pennsylvania außerden noch eine zweite Klage gegen das Ergebnis.
Ungeachtet dessen hat das Wahlkampfteam von Trump weitere juristische Schritte angekündigt. In Georgia nannten die Republikaner die Namen von vier Verstorbenen, für die laut Unterlagen abgestimmt worden sei. Weitere Beispiele würden folgen, hieß es. In Michigan reichten Trumps Anwälte eine weitere Klage ein, mit der sie gegen eine angebliche Behinderung von Beobachtern der Republikaner bei der Stimmauszählung vorgehen wollen.
Beweise für eine weit verbreitete Wahlfälschung liegen nicht vor. Mehrere US-Behörden bezeichneten die Wahlen am 3. November inzwischen als sicherste Abstimmung in der amerikanischen Geschichte. In einer Mitteilung, die unter anderen von Vertretern der Cybersicherheitsagentur des Heimatschutzministeriums sowie der Vereinigungen der Wahlleiter der Bundesstaaten herausgegeben wurde, hieß es: "Es gibt keine Belege dafür, dass ein Abstimmungssystem Stimmen gelöscht oder verändert hätte - oder auf irgendwelche Weise kompromittiert worden wäre."
Zuvor hatten bereits Wahlbeauftragte beider Parteien öffentlich erklärt, die Abstimmung sei gut gelaufen. In Philadelphia, wo es laut Trump und seiner Anhänger besonders massive Wahlmanipulationen gegeben haben soll, betonte der zuständige Behördenleiter Al Schmidt, selbst ein Republikaner, dass dies nicht der Realität entspräche. In der größten Stadt des US-Bundesstaates Pennsylvania soll das Wahlergebnis bis zum 23. November amtlich bestätigt werden.
Auch internationale Wahlbeobachter betonten, keine ernsten Unregelmäßigkeiten entdeckt zu haben. Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) rügten US-Präsident Trump dafür, durch unbegründete Vorwürfe systematischer Mängel, dem Vertrauen der Öffentlichkeit in demokratische Institutionen zu schaden.
Die von Trumps Wahlkampftruppe erhobenen Vorwürfe beziehen sich auf Fehler, die bei Wahlen alltäglich sind: Unter anderem Probleme bei Unterschriften, Poststempel auf Wahlbriefen und möglicherweise ein geringe Zahl falsch gezählter oder verloren gegangener Stimmzettel. Biden führt in den wahlentscheidenden Staaten aber so deutlich, dass entsprechende Korrekturen das Gesamtergebnis nicht mehr ändern werden.
Trumps Versuchen, Bidens Wahlsieg mit juristischen Mitteln noch zu kippen, geben Experten nur geringe bis keine Erfolgsaussichten – zumindest auf bundesstaatlicher Ebene. Gleichwohl könnte der Präsident die Auseinandersetzung bis hinauf zum höchsten US-Gericht, dem Supreme Court eskalieren – Ausgang ungewiss.
Die Kongresswahl wurde am 3. November parallel zur Präsidentschaftswahl abgehalten. Im Vorfeld hatten sich die Demokraten Hoffnungen gemacht, die Mehrheit im mächtigen US-Senat übernehmen zu können. Dort hatten sie 47 Sitze, die Republikaner 53. In Arizona und Colorado gewannen die Demokraten einen Sitz dazu, verloren dafür aber einen Sitz in Alabama. Nachdem sich in einem engen Rennen in North Carolina und auch in Alaska die bisherigen Mandatsinhaber durchgesetzt haben, sind die Republikaner jedoch nur noch einen Sitz von einer neuerlichen Mehrheit entfernt.
Die Demokraten kommen bislang auf 48 der insgesamt 100 Sitze im Senat. Offen ist noch die künftige Besetzung von zwei Sitzen, die dem Bundesstaat Georgia zustehen. Sie werden erst bei einer Stichwahl am 5. Januar vergeben. Sollten die Kandidaten der Demokraten in Georgia beide Mandate erobern, entstünde im Senat eine 50-50-Pattsituation. Für diesen Fall sieht die US-Verfassung vor, dass der Vizepräsident bei den Senatsentscheidungen mit seiner Stimme die Mehrheit herstellt - nach Bidens Amtsantritt wird seine Parteikollegin Kamala Harris das Amt der Vizepräsidentin innehaben.
Sollten die Republikaner ihre Mehrheit im Senat verteidigen, würde dies dem neugewählten Präsidenten das Regieren erheblich erschweren. Zwar konnte dessen Demokratische Partei ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus halten – obwohl sie weit hinter ihren Erwartungen zurückblieben und sogar drei Sitze verloren. Doch kann der Senat Gesetzesvorhaben des Präsidenten und des Repräsentantenhauses blockieren. Zudem bedürfen Nominierungen für Regierungs-, Richter- und Botschafterposten der Zustimmung des Senats.
"Der nächste Präsident wird mindestens von einer Kammer im Kongress blockiert", meinte dazu der Politologe Josef Braml im Deutschlandfunk. Damit bleibe eines der zentralen Probleme der US-Politik bestehen. Das Regierungssystem sei polarisiert, radikalisiert und nicht mehr handlungsfähig.
(Quelle: Wulf Wilde, Tobias Pastoors, Doris Simon, Thilo Kößler, Klaus Remme)