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US-Präsidentschaftswahl
Mehrzahl der Wähler stimmte für Clinton

Überraschende Auswertung der US-Präsidentschaftswahl: Die Mehrzahl der Wähler stimmte für Hillary Clinton. Dass Donald Trump die Wahl trotzdem gewann, liegt am Wahlsystem. Abgesehen davon wählten Trump gerade mal 27 Prozent der wahlberechtigten Amerikaner.

    Auf dem großen TV-Bildschirm wird der Sieg Hillary Clintons in New York angezeigt.
    In New York lag Hillary Clinton vorne - mit einem anderen Wahlsystem hätte sie das auch im ganzen Land getan. (dpa/picture-alliance/Jason Szenes)
    230.041 Wähler machen den Unterschied. Das ist die Zahl der Stimmen, die zwischen Donald Trump und Hillary Clinton liegen. Dabei liegt nicht etwa Wahlsieger Trump vorne, sondern Clinton. Für sie machten 59.923.081 Bürger ihr Kreuz auf dem Wahlzettel, für Trump genau 230.041 weniger. Clinton kam damit auf 47,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, Trump nur auf 47,5 Prozent.
    Entscheidend ist dieser absolute Stimmenwert aber nicht. Denn die Wahlen werden auf der Ebene der Bundesstaaten gewonnen (und verloren). Wer hier jeweils die Mehrheit holt (Ausnahmen sind Maine und Nebraska), bekommt automatisch alle Wahlmännerstimmen zugeschlagen – und die sind entscheidend. 270 braucht man in dem Gremium, Trump kommt auf 279, Clinton nur auf 228.
    Schon im Jahr 2000 hatte der spätere Präsident weniger Stimmen als sein Herausforderer. George W. Bush lag sogar fast 544.000 Stimmen zurück.
    Verzerrungen auch in Deutschland
    Ähnliche Verzerrungen wie durch das "Electoral college", also das Gremium mit Wahlmännern und Wahlfrauen, gab es allerdings in anderer Form auch in Deutschland. Weil die Abgeordneten des Bundestags auf Länderebene, also in 16 getrennten Listen, gewählt werden, konnte es hier vorkommen, dass weniger Stimmen in einem Bundesland einer Partei im Bundestag einen zusätzlichen Sitz verschafft haben. Dieser Effekt des negativen Stimmengewichts wurde durch ein neues Wahlsystem mittlerweile weitgehend beseitigt.
    Zurück in die USA: Verrechnet man die abgegebenen Stimmen mit der Wahlbeteiligung, lässt sich für die beiden Kandidaten Clinton und Trump eine deutlich geringere öffentliche Unterstützung konstatieren. Wahlberechtigt waren knapp 219 Millionen Amerikaner. Um wählen zu können, müssen sie sich allerdings vorher registrieren – das taten nur 146 Millionen. Zur Wahl gingen dann tatsächlich aber nur 125,7 Millionen Menschen, so dass die Wahlbeteiligung schließlich bei 55,6 Prozent lag. Rechnet man Trumps Stimmen darauf um, stehen 27 Prozent der Amerikaner tatsächlich hinter ihm.
    Die Wahlbeteiligung liegt in den USA grundsätzlich niedriger als in Deutschland. Im Jahr 2012 gingen nur 61,8 Prozent der Wahlberechtigten tatsächlich an die Urne, bei der ersten Wahl des heutigen Amtsinhabers Barack Obama waren es 63,6 Prozent. Als Bill Clinton 1992 gewählt wurde, waren es immerhin 67,7 Prozent.
    Wählen die Wahlleute, wie sie sollten?
    Am Gremium des "Electoral college" gibt es immer wieder Kritik, weil es nicht demokratischen Standards entspreche. Da die Wähler nicht direkt für ihren Kandidaten stimmen können, sondern nur für Wahlleute, die dann wiederum ihre Stimme für den entsprechenden Kandidaten stimmen, besteht die Chance, dass diese sich umentscheiden. Es gibt keine Verfassungsvorschrift und auch kein Bundesgesetz, das das verhindern könnte. Immerhin schreiben einige Bundesstaaten das verbindliche Votum vor.
    In der Realität kommt ein Abweichen allerdings sehr selten vor. Laut den US National Archives haben in 99 Prozent der Fälle die Wahlmänner abgestimmt wie angekündigt. Das liegt schon daran, dass sie in der Regel eine führende Position in ihrer Partei innehaben oder seit Jahren der Partei gegenüber loyal waren. Ein Abweichen vom angekündigten Votum hätte damit schwere Konsequenzen für ihre Parteikarriere oder ihr öffentliches Ansehen.
    Hinzu kommt, dass die Zahl der Wahlmänner zwar tendenziell der Zahl der Einwohner der 50 Bundesstaaten sowie von Washington, D.C. entspricht. Tatsächlich gibt es aber große Unterschiede. So kommen auf jeden Wahlmann in Wyoming etwa 190.000 Wähler, auf jeden in Kalifornien dagegen 677.000 Wähler. Das heißt, dass eine Wählerstimme in Wyoming bei der Präsidentschaftswahl mehr wert ist als eine in Kalifornien.
    Setzt man Wählerstimmen und Wahlmännerstimmen ins Verhältnis, zeigt sich, dass Clinton für jeweils fast 263.000 Stimmen von Wählern eine Stimme eines Wahlmanns bekam. Trump brauchte lediglich knapp 214.000 Stimmen.