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US-Präsidentschaftswahl
"Trump ist ein Kotzbrocken, aber außenpolitisch wählbar"

Der Politikwissenschaftler Christian Hacke würde bei dieser US-Wahl zumindest mit Blick auf die Außenpolitik für Donald Trump stimmen. Der sei zwar "ein Kotzbrocken", sagte Hacke im DLF. Aber die Amerikaner hätten Respekt vor dem Typus "Self-made man", den man in Deutschland nicht möge.

Christian Hacke im Gespräch mit Dirk Müller |
    Sie sehen Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Leesburg, Virginia, kurz vor der Wahl.
    Außenpolitisch sei Donald Trump wählbar, findet der Politologe Christian Hacke. (picture-alliance / dpa / Michael Reynolds)
    Hacke argumentierte, vielen Wählern sei möglicherweise der "Sprung ins kalte Wasser" mit einem Präsidenten Trump lieber als noch einmal acht Jahre Demokraten. Acht Jahre unter Barack Obama, in denen die USA nicht besonders weit vorangekommen seien und sich durch eine konfrontative Außenpolitik ausgezeichnet hätten. Das liberale Amerika von früher, das seine Generation noch kenne, das gebe es nicht mehr, sagte Hacke. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich seien immer größer geworden.
    Gerade die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, stelle für viele ein Feindbild dar. Sie stehe für eine gewisse Doppelmoral und unter anderem für eine gescheiterte Außenpolitik mit Blick auf den Arabischen Frühling und eine konfrontative Position zu Russland und Präsident Putin. Hacke betonte, er sei kein Trump-Anhänger.
    "Nur Trump kann Trump besiegen"
    In Deutschland habe es zuletzt eine Idealisierung von Clinton und eine Dämonisierung von Trump gegeben - und dagegen wende er sich. Denn Trump stehe für eine "Unterseite" der amerikanischen Zivilsation, die immer da gewesen sei. Amerika könne brutal und rücksichtslos in der Wirtschaft agieren, wie Trump das personifiziere. Nur hätten wir das immer ausgeblendet. "Wir in Deutschland" aber wollten das Unangenehme der amerikanischen Gesellschaft wegschneiden - und kämen daher zu einem schiefen Bild.
    Zum Ausgang der Wahl sagte Hacke, nur einer könne Trump besiegen - und das sei Trump selbst. Jeder andere, der anständig aufgetreten wäre und Clinton nett behandelt hätte, hätte die Wahl haushoch gewonnen.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Die Amerikaner wählen schon, schon längst, die Wahllokale haben zuerst an der Ostküste geöffnet, die letzten schließen dann in Alaska ihre Türen, sieben Uhr morgen Früh deutscher Zeit, wenn wir das richtig recherchiert haben. Die Bürger haben die Wahl zwischen Hillary Clinton und Donald Trump - nach einem Wahlkampf, der so heftig, so kontrovers geführt wurde, der so oft unter der Gürtellinie lag, wie kaum eine andere Auseinandersetzung in den Vereinigten Staaten in den zurückliegenden Jahren.
    Mitgehört am Telefon hat nun der Politikwissenschaftler, Konfliktforscher und ausgewiesener US-Kenner Professor Christian Hacke. Guten Tag.
    Christian Hacke: Seien Sie gegrüßt, Herr Müller.
    "Außenpolitisch gesehen würde ich für Donald Trump stimmen"
    Müller: Herr Hacke, bleiben wir ein bisschen im Konjunktiv. Wen würden Sie wählen?
    Hacke: Oh ha, Sie sind gut. Mir würde es wie jedem Amerikaner gehen. Ich wüsste wirklich nicht, was ich tun sollte. Und wenn ich zur Wahl gehen würde, ich weiß es nicht bis zur letzten Sekunde. Er ist natürlich ein Kotzbrocken, das ist klar und das sagen viele Amerikaner, aber er hat Emotionen, er bleibt stur bei seinem Programm und es gibt viele, die sagen werden, ach dann lieber den Sprung ins kalte Wasser, mal sehen was der Wandel mit ihm bringt, als noch mal acht Jahre Demokraten, für die Hillary Clinton steht, und das sind acht Jahre, wo Amerika nicht weiter vorangekommen ist, sondern alles, was wir gehört haben, im Inneren wird es schlechter und eine Außenpolitik, die sehr konfrontativ gegenüber Russland aufgestellt ist. Außenpolitisch gesehen würde ich für Donald Trump stimmen.
    Müller: Jetzt weiß ich gar nicht, wo ich weitermachen soll. Bleiben wir erst mal bei Ihrer ersten Aussage, Herr Hacke. Das ist ja sehr selten auch bei uns im Deutschlandfunk gewesen, wobei wir uns bemüht haben, ja möglichst vielseitig die Stimmen einzufangen, aber es waren ja viele naturgemäß deutsche Gesprächspartner, sind Sie ja auch, der aber viel in den USA auch war, dort auch gearbeitet hat, das Ganze jetzt verfolgt. Sie sind einer der wenigen, die im Grunde jetzt suggeriert haben, na ja, Donald Trump wäre für mich durchaus auch eine Alternative, wäre für mich wählbar. Weil Hillary Clinton so "schlecht" ist?
    Hacke: Na ja. Ich meine, sie ist natürlich das Feindbild für viele schlechthin. Ob nun Doppelmoral, ob die Clinton Fundation, ob vieles mehr, ob ihre gescheiterte Politik als Außenministerin mit Blick auf Arabischen Frühling, ihre konfrontative Position gegenüber Putin, das finde ich alles ist schon sehr problematisch. Hier würde eine Fortsetzung, eine Kontinuität von liberal-hegemonialer Amerika-Politik stattfinden, die ich für die gegenwärtige internationale für sehr problematisch und schwierig halte. Während auf der anderen Seite man Trump - ich weiß, dass er hoch problematisch ist. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber außenpolitisch gesehen steht er mehr für Protektionismus, Nationalismus, und diese Elemente, die sind auch alle nicht lupenrein sauber. Aber ich habe große Angst vor einer weiteren Konfrontation mit den Russen und deshalb würde ich so entscheiden, wie ich es eben angedeutet habe.
    "Das ist nicht mehr das liberale Amerika, was meine Generation kennt"
    Müller: Das ist für Sie auch ein entscheidender Punkt, dass die beiden sich offenbar so ganz gut verstehen, zumindest fernmündlich, wie auch immer. Wir reden jetzt von Wladimir Putin und Donald Trump, die beide sich eine gewisse Anerkennung attestiert haben. Reicht das schon, um so weit zu gehen, auch als Politikwissenschaftler?
    Hacke: Nein, Herr Müller, das reicht natürlich nicht. Aber immer vorausgesetzt, dass der Mann sich vom doch, sagen wir mal, sehr irrwitzigen Wahlkämpfer zu einer vernünftigen, halbwegs vernünftigen Persönlichkeit entwickelt. Natürlich habe ich genauso Bauchschmerzen, wenn ich daran denke, der Mann würde Atomwaffen entscheiden. Ich bin kein Trump-Anhänger. Ich antworte nur auf Ihre Frage, weil zwischen schlimm und schlimmer, wen würde ich wählen. Und ich denke, dass viele Amerikaner sagen, noch mal acht Jahre Demokraten, das wollen wir nicht haben, und Hillary Clinton steht auch für Plutokratie in den USA. Das ist, Herr Müller, nicht mehr das liberale Amerika, was meine Generation kennt. Das ist Plutokratie pur und die Reichen sind immer reicher geworden, die Armen immer ärmer. Trump ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat diesen Zuspruch aufgrund der massiven strukturellen Probleme, in denen die USA sitzen. Und der Rassismus ist größer geworden und die Bilanz von Obama ist innen- und außenpolitisch ja nun auch nicht gerade eine besonders gute. Also alles mal gemütlich!
    Und nur eins noch: Wir haben in Deutschland eine gewisse Idealisierung der letzten Wochen und Monate von Hillary Clinton gehabt und eine Dämonisierung von Donald Trump, und das ist das einzige, wo ich ein bisschen gegenvotieren würde.
    Müller: Ich verpasse fast schon die Fragen, weil ich gar nicht mehr das Gefühl habe, dass wir im Interview sind. Ich versuche, das jetzt nachzuholen. - Das wollte ich Sie auch fragen, das stimmt wirklich: Warum sehen die Deutschen das immer so anders? 90 Prozent, haben wir jetzt gelesen, würden für Hillary votieren. Das war bei Barack Obama auch so. Das war damals 90 Prozent gegen George Bush auch so. Die Amerikaner sind meistens irgendwie fifty fifty. Wissen die Amerikaner nicht, was in ihrem Land passiert, oder wissen wir es besser?
    Hacke: Nein, nein. Herr Müller, das hat zu tun mit unserer Sicht der USA. Wir lieben dieses liberale Amerika und was aus der "New York Times", wohl anständig, sauber und elegant. Das ist auch Hillary Clinton. Wir vergessen dabei, Trump ist nicht nur Ausnahme; Trump ist auch Amerika. Aber das ist nicht wie Jekyll und Hyde, wir wollen nicht gleich übertreiben, aber es ist eine Unterseite der amerikanischen Zivilisation und der Politik und der Wirtschaft, die schon immer da war. Amerika kann brutal und rücksichtslos in der Wirtschaft agieren, wie er das meinetwegen personifiziert. Er kann in einer Weise auftreten, die international nicht nur Freude macht. Nur wir haben das immer ausgeblendet und ich würde sagen, ich habe das auch in meinen Betrachtungen zu den USA zu wenig gesehen in der Vergangenheit, wie ich auch zu wenig gesehen habe bis zum 11. September und danach die unglaubliche Bedeutung von Religion in der amerikanischen Politik. Wir schneiden ein bisschen was weg, was unangenehm ist in der amerikanischen Gesellschaft, in der amerikanischen Politik, und idealisieren ein bisschen das Liberale, was die Frau Clinton vertritt, auch zurecht, und deshalb kommen wir oft zu einem schiefen Bild.
    Großer Respekt vor dem self-made man
    Müller: Wie kommt es denn, dass Clinton mit Wall Street verbunden wird und der Milliardär Donald Trump dafür stehen soll, dass er sich auch für die ärmeren, für die unterprivilegierten Weißen stark machen kann?
    Hacke: Die Amerikaner mögen natürlich - das ist immer noch anders als bei uns -, Amerikaner sehen so aus und sprechen so wie wir, aber sie sind anders. Und Amerikaner haben natürlich auch nach wie vor einen großen Respekt vor dem self-made man. Der hat Amerika groß gemacht in der Geschichte. Der hat die Wirtschaft vorangebracht, von Rockefeller, wie sie alle heißen. Und da ist natürlich auch eine Hemdsärmeligkeit dabei und das wird in gewisser Weise bewundert. So einen Typus mögen wir natürlich nicht. Aber wir dürfen nicht vergessen: In Amerika gehört er dazu und genießt großes Ansehen.
    Müller: Jetzt bekomme ich schon strafende Blicke von unserem Sendefahrer, wir müssen auf die Zeit achten, haben nur noch ein paar Sekunden. Aber ich muss Sie das fragen: Wie geht das Ganze aus?
    Hacke: Nur einer kann Trump besiegen, nämlich er selbst. Jeder andere, der nett gewesen wäre zu Frau Clinton, sie anständig behandelt, wie ein Gentleman das tut, hätte diese Wahl haushoch gewonnen. Wenn er es nicht tut, dann hat er nur gegen sich selbst verloren, denn alles sprach dafür, gegen die neue Dynamik, dass ein Wandel notwendig ist, und nun warten wir ab.
    Müller: Der Politikwissenschaftler und US-Kenner Professor Christian Hacke. Danke für die Zeit, Ihnen einen schönen Tag und wir hören uns die nächsten Tage wieder.
    Hacke: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.