Sarah Zerback: Die einen sprechen von Handelsstreit, die anderen bereits von Handelskrieg. Klar ist nur, dass Donald Trump eine Kettenreaktion in Gang gesetzt hat, indem er vor zwei Wochen angekündigt hat, Strafzölle auch auf Stahl und Aluminium zu verhängen. Scharfe Reaktionen aus der EU, aus der Welt folgten, um gegen diese America-First-Politik auch beim Welthandel vorzugehen. Und das wird Thema sein beim Treffen der G20-Staaten nächste Woche, beim EU-Gipfel und auch beim Antrittsbesuch des frisch gekürten deutschen Wirtschaftsministers in Washington. Peter Altmaier wird dort morgen erwartet für Gespräche mit hochrangigen Regierungsvertretern, das hat er gestern angekündigt. Josef Braml ist jetzt am Telefon, USA-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Guten Morgen, Herr Braml!
Josef Braml: Guten Morgen, Frau Zerback!
"Es bleiben die Scharfmacher"
Zerback: Der Bundeswirtschaftsminister also auf Mission, Strafzölle abwehren. Kann diese Mission gelingen?
Braml: Mission Impossible würde ich dazu sagen. Ich glaube, die Würfel sind gefallen. Das haben wir spätestens dann gesehen, als Gary Cohn, der Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates ja dann das Handtuch geschmissen hat. Er wurde entblößt von Trump, vor vollendete Tatsachen gestellt, als Trump eben die Strafzölle auf Stahl und Aluminium bekannt gab. Er meinte ja, dass wir das noch abwenden könnten. An Leuten wie Cohn haben wir uns festgehalten und haben wir auch unsere Wunschträume festgemacht.
Zerback: Kann man tatsächlich sagen – das ist ja das zweite große Thema dieser Wochen –, dass Donald Trump gerade dafür sorgt, dass alle, die ihn noch von seiner protektionistischen Haltung abbringen können, gerade aus dem Weißen Haus entfernt werden?
Braml: Die sind raus, und es bleiben die Scharfmacher wie Wilbur Ross, der Handelsminister, oder, noch heftiger, Peter Navarro, der Direktor des Nationalen Handelsrat. Die hegen ein Nullsummendenken, Merkantilismus, da müssen wir noch einmal tief in unsere Studienunterlagen greifen, wir dachten dieses Gedankengut bereits in den Büchern der Geschichte. Aber nein, das ist nicht nur in Russland jetzt wieder in voller Blüte, sondern auch im ehedem Land der Freien. Da wird jetzt Protektionismus gefahren und nach dem Motto vorgegangen, wenn ich gewinne, musst du verlieren. Also Nullsummendenken.
"Es geht nicht nur um Handelszölle, sondern um die Rule of Law"
Zerback: Also Sie sagen Mission Impossible für den Wirtschaftsminister in Washington. Was er machen könnte, wäre ja, auf Ausnahmen zu drängen, also einen Kompromiss zu erwirken, wie sie die USA ja bereits Kanada und Mexiko gewährt haben. Da hieß es in dieser Woche, dazu könnte Washington eventuell bereit sein, aber nur unter Bedingungen. Welche wären denn das, und wären die für Deutschland akzeptabel?
Braml: Wir haben die Bedingungen gehört, es wurde bereits die Handelspolitik mit der Sicherheitspolitik verknüpft. Wir wurden bereits erpresst. Wenn wir weiterhin Verbündete bleiben wollen, dann müssen wir eben aufhören, so Trump wortwörtlich, "Amerika über den Tisch zu ziehen". Wahre Verbündete machen das nicht, und die zahlen dann auch ihre Sicherheitsleistungen, ihre zwei Prozent des Bruttosozialprodukts, am besten dann in amerikanischen Waffen. Wir können dann nicht irgendwas investieren, wir werden dann wahrscheinlich wohl die F35 kaufen müssen und unsere Pläne, die wir mit Frankreich hegen, hier einen gemeinsamen Kampfjet zu entwickeln, wieder in die Schublade legen. Ich glaube, so tickt Trump. Er erpresst NATO-Verbündete, damit hebelt er auch die Beistandspflicht aus, und, was noch schlimmer ist, er umgeht auch die Regeln der WTO. Die Begründung, das Ganze mit Sicherheitspolitik zu rechtfertigen, hebelt dieses Regelwerk aus. Das heißt, es geht hier jetzt nicht nur um Handelszölle, sondern um mehrere internationale Institutionen, die das Recht hochhalten, die Rule of Law. Aber Trump nutzt hier das Recht des Stärkeren: Wer den größten Militärhammer hat, hat auch das Sagen. Und ich glaube, das werden wir auch erfahren. Ein Land, das militärisch wenig zu bieten hat, muss dann eben für seine Sicherheit zahlen, Tribut zollen.
"Das Land ist mit 20 Billionen massiv in den roten Zahlen"
Zerback: Aktuell sieht es ja danach aus, als sei das ungehört im Weißen Haus, und als könnte die US-Regierung sogar noch weiter verschärfen wollen. Da heißt es jetzt, Donald Trump wolle gezielt gegen Einfuhren aus China vorgehen, also noch mal zusätzlich. Kann er sich diese erneute Machtprobe mit Peking leisten?
Braml: Trump meint, ja. Er denkt, dass Amerika vor allem mit China und auch mit Deutschland Defizite hat im Handel, also weniger importiert als es exportiert. Das heißt, da könnte man gewinnen gemäß diesem Nullsummendenken. Das ist aber falsches Denken, weil was Trump nicht bedenkt, ist, dass die Medaille eine andere Seite hat. Handelsdefizite sind das eine, aber was dem korrespondiert, sind eben dann Defizite im Haushaltsbereich, das heißt, die, die Handelsüberschüsse machen, geben dann ihr Geld wieder dem Land der Freien und finanzieren das Wirtschaften und Haushalten des amerikanischen Staates auf Pump. Das heißt, wenn Trump uns verbietet, mehr in das Land der Freien zu exportieren, dann hindert er uns auch daran, unsere Währungsreserven wieder den USA zu geben. Und die haben es dringend nötig. Trump hat ja gerade eine Steuerreform verabschiedet, braucht noch mehr Geld. Das Land ist mit 20 Billionen massiv in den roten Zahlen. Das ist sehr bedenklich. Und ich glaube, China hat durchaus einen Hebel. Wenn China nicht weiter amerikanische Staatsanleihen kauft oder abstößt, dann gibt es enormen Druck auf die Zinsen in Amerika und damit auch auf das ohnehin schon dahindümpelnde Wirtschaftswachstum in den USA.
"Gewaltenkontrolle umgehen"
Zerback: Und das, was Sie gerade beschreiben, das ist ja auch im eigenen Land, also in den USA, umstritten, unter anderem aus der US-Handelskammer kommt da jetzt scharfe Kritik. Nun ist es ja so, dass Donald Trump tatsächlich diese Strafzölle noch durch den Kongress bringen muss. Könnte da nicht dann doch die vielzitierte Gewaltenkontrolle der USA greifen und ihn in diesem Vorhaben stoppen? Sehen Sie da eine Chance?
Braml: Ich denke, nicht. Er hat es eben bewusst auch mit Sicherheitspolitik begründet, um damit eben auch diese Gewaltenkontrolle zu umgehen. Ich muss jetzt sagen, es gibt ein Gesetz des Kongresses, 62, wo eben dem Präsidenten die Befugnis gegeben wurde, wenn es um nationale Sicherheit geht hier, dann handeln zu können. Normalerweise hat der Kongress ein sehr mächtiges Wort mitzureden, aber nicht, wenn es um die nationale Sicherheit geht. Und ich glaube, da wird er den Kongress aushebeln. Man kann jetzt sicher sagen, der Kongress könnte jetzt mit einen weiteren Gesetzesakt dem Präsidenten diese Befugnis wieder wegnehmen. Aber auch hier hat der Präsident dann ein mächtiges Wort mitzusprechen. Er kann sein Veto einlegen, und dieses Veto müsste dann von zwei Dritteln in beiden Kammern, also vom Senat und Abgeordnetenhaus wieder abgewehrt werden, so, wie es bei den Russlandsanktionen der Fall war. Das ist äußerst selten der Fall, und vor allem in diesem Politikfeld sehe ich das nicht kommen, weil viele zumal in einem Wahljahr dem Präsidenten hier nicht in die Hand greifen wollen, wenn er sich um die nationale Sicherheit kümmert.
"Trump hat damit auch die WTO ausgehebelt"
Zerback: Wenn es so kommt, wie Sie sagen, wenn gar nichts hilft, muss dann die EU die USA bei der Welthandelsorganisation verklagen, wie es ja jetzt unter anderem Bundesbankpräsident Jens Weidmann als Ultima Ratio gefordert hat?
Braml: Ja, das wäre nicht ganz so schlimm, wie jetzt unsererseits mit Gegenzöllen zu reagieren. Das würde sich hochschaukeln, das würde eine Spirale verursachen, da wären wir die Verlierer, zumal als Nation, die sehr viel exportieren will. Die WTO wird auch nicht helfen, weil eben dieser Präzedenzfall, die Berufung auf nationale Sicherheit die WTO überfordern wird. Da werden auch andere Nationen dann das Gleiche tun. Das heißt, wir sehen mehr oder weniger das Ende der WTO. Trump hat damit auch die WTO ausgehebelt. Er geht jetzt nicht nur auf die WTO los, um den größeren Kontext zu sehen. Die NATO ist unter Druck, und ich wage auch vorherzusagen, dass die Vereinten Nationen am Ende auch nicht mehr so schön dastehen, wie sie jetzt dastehen.
Zerback: Herr Braml, ich muss Sie leider unterbrechen, hier folgen die Nachrichten. Josef Braml war das. Besten Dank für das Gespräch!
Braml: Herzlichen Dank Ihnen, Frau Zerback!
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