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US-Regisseur Eugene Jarecki
"Elvis ist das komplette Gegenteil von Donald Trump"

Unterwegs im Rolls Royce des King of Rock'n'Roll: Der Film "The King - Mit Elvis durch Amerika" wagt den Spagat zwischen Elvis' Lebensgeschichte und der US-Geschichte unter Trump. "Donald Trump ist die Verkörperung all dessen, was Elvis das Genick gebrochen hat", sagte Regisseur Eugene Jarecki im Dlf.

Eugene Jarecki im Corsogespräch mit Christoph Reimann |
    Filmszene aus "The King": Elvis' Auto steht vor einem klassischen American Diner
    Mit Elvis' Wagen geht es in "The King" quer durch ein Amerika, das längst ausgeträumt hat (David Kuhn)
    Christoph Reimann: Wenn wir auf das Genre blicken, ist das ziemlich außergewöhnlich. Mit welcher Idee haben Sie begonnen zu drehen. Wollten Sie die Lebensgeschichte von Elvis zeigen oder die jüngere Geschichte der USA erzählen?
    Eugene Jarecki: Ich wüsste gar nicht, wie man das eine vom anderen trennen sollte. Was sich mir während des Drehs immer wieder zeigte, war, wie gut sich Elvis als Metapher für Amerika eignet: von seinen jungen Jahren, über seinen Aufstieg, bis hin zu seinem Fall. Es gab nie den Moment, in dem ich darüber nachgedacht habe, ob ich einen Film über Elvis oder die USA mache. Sie sind beide in ihrer DNA fest miteinander verbunden. Ich denke nicht, dass man sie voneinander trennen kann.
    In einen amerikanischen Albtraum hineingeboren
    Reimann: Elvis war vor seinem Aufstieg ein mittelloser Außenseiter. Dann lebte er den amerikanischen Traum, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Denn er war verdammt zu scheitern. Wenn wir Ihre Metapher noch ein wenig bemühen: Werden auch die USA scheitern?
    Jarecki: Ja. Auch Amerika hat den amerikanischen Traum nur für kurze Zeit gelebt. Und: Was überhaupt ist der amerikanische Traum? Erfüllte er sich nicht nur für weiße Männer? Denn für Schwarze galt der amerikanische Traum nicht, genauso wenig für Frauen. Van Jones, der afroamerikanische politische Kommentator, sagt in meinem Film, dass Elvis nicht in eine Zeit des amerikanischen Traums hineingeboren wurde, sondern in einen amerikanischen Albtraum. Es ist völlig klar, dass wir zurzeit an der Schwelle zu etwas Neuem stehen. Ein Kapitel in der amerikanischen Geschichte wird enden und ein neues beginnen. Ich weiß nicht, wie das aussehen wird, aber wir haben versucht, den Weg dahin mit der Kamera festzuhalten.
    Reimann: Warum sollte dieses Kapitel gerade jetzt enden? Weil es einen Präsidenten namens Trump gibt? Weil ur-amerikanische Probleme wie die Segregation nie richtig gelöst wurden?
    Jarecki: Es erscheint mir so, als habe Amerika schon seit geraumer Zeit mit den immer gleichen Problemen zu kämpfen. Es wäre also unklug und historisch uninformiert zu sagen, Trump stehe für irgendetwas Neues. Was er repräsentiert, ist die Spitze einer bereits Jahrzehnte andauernden Aushöhlung unserer Demokratie durch den Kapitalismus. Trumps gesamtes korruptes Leben ist auf den Kapitalismus ausgelegt. Daher macht es auch Sinn, dass er jetzt im Weißen Haus sitzt, in Amerikas dunkelster Stunde des Jahrhunderts.
    Reimann: Was hat die USA an diesen Tiefpunkt gebracht?
    Jarecki: Amerika stand mal sinnbildlich für gewisse Vorstellungen von Demokratie, Gleichheit und Menschenwürde. Aber das waren eben nur Vorstellungen! Und es handelte sich immer schon um Versprechen, die nie eingelöst wurden. Was nun passiert ist, ist, dass die Leute nicht mehr an diese Versprechen glauben. Daher sagen gewisse Teile der Bevölkerung - ähnlich wie Menschen, die Opfer von Missbrauch wurden: "Ich bin es so leid, ständig angelogen, bestohlen und marginalisiert zu werden. Dem Nächstbesten, der mir was Neues erzählt, schließe ich mich an." Und dann trat eben irgendein Idiot auf das politische Parkett in Washington, erzählte den Leuten etwas anderes – und sie wählten ihn ins Amt.
    Wenn ich also vom Ende eines Kapitels spreche, dann meine ich, dass Amerika eine Therapie machen sollte. Das Land muss sich von der verführerischen und süchtig machenden Macht des Geldes lossagen. Trump ist möglicherweise die Krise, an deren Ende ein Umdenken steht. In einer perfekten Welt würden die Regierungsjahre von Donald Trump eine riesige Therapie-Nachfrage nach sich ziehen.
    Joch des zentralisierten, industrialisierten Kapitalismus
    Reimann: Wer genau sind diese missbrauchten Menschen, von denen Sie sprechen. Und wo liegt die Verbindung zu Elvis Presley?
    Jarecki: Jeder, bis auf die amerikanische Führungsklasse, wird missbraucht. Die USA haben eine nie gekannte Kluft zwischen Arm und Reich entwickelt. Heute haben wir eine Handvoll von Superreichen, unter denen der Rest der Bevölkerung leidet. Und Letztere meinen, unter einem falschen Demokratieversprechen zu leiden. In Wirklichkeit leiden sie aber unter dem erdrückenden Joch des zentralisierten, industrialisierten Kapitalismus, der von nicht mehr als einer Handvoll Großkonzerne, Familien und Institutionen verkörpert wird.
    Reimann: Und wo sehen Sie Elvis in all dem? Manche würden ja sagen, dass er die Kultur der Afroamerikaner ausgebeutet hat, indem er sie für seine Zwecke benutzt hat, er hat sie popularisiert und schließlich zu Geld gemacht. In Ihrer Doku zeigen Sie Pro- und Contra-Statements in Hinblick auf die Frage der kulturellen Aneignung. Ein Fazit aber gibt es nicht. Weshalb haben Sie sich nicht tiefer damit beschäftigt – das allein wäre ja ein Filmthema für sich gewesen?
    Zum Nachhören in der Langfassung und im englischen Originalton: das Corsogespräch mit Eugene Jarecki
    Jarecki: Richtig. Nun, Sie haben gleich zwei Fragen auf einmal gestellt. Zunächst: Was hat Elvis mit der Dynamik zwischen Kapitalismus und der Demokratie in den USA zu tun? Da würde ich antworten: alles. Denn, was das Geld und die Macht mit Elvis angerichtet haben, ist, dass sie seine Authentizität als Künstler zerstört haben. Er fing mit etwas Schönem an, das voller Potenzial steckte und an den amerikanischen Traum erinnerte: Er war der Junge vom Land, kam aus dem Nichts, liebte die Songs schwarzer Musiker, umgab sich gerne mit ihnen. Das war kulturelles Miteinander.
    Die Musikindustrie hat ihm und anderen Weißen ermöglicht, daraus Profit zu schlagen – ganz im Gegensatz zu schwarzen Musikern. Chuck D. von Public Enemy, den man auch in meinem Film sieht, ist bekannt dafür, Elvis als Rassisten zu bezeichnen. Im Film erklärt er, warum: Was er kritisiert ist nicht, dass Elvis sich die Songs schwarzer Musiker angeeignet hat. Er kritisiert, dass Elvis und eine Industrie um ihn herum damit Geld machten, während andere mit leeren Händen da standen.
    Nachdem Schwarze versklavt, gebrochen und marginalisiert wurden, entwickelten sie eine Musikform, aus der Blues, Jazz und Pop entstanden. Und die ganze Zeit über klauen wir ihre Ideen, profitieren also von den Verbrechen und Schmerzen, die wir ihnen angetan haben. Deshalb spreche ich in diesem Zusammenhang auch immer von einer Beleidigung, die auf die Wunde draufgesetzt wurde. Und ja, das allein wäre Thema für einen Film gewesen.
    In der Doku haben wir versucht, diesem Aspekt so viel Zeit zu geben, dass der Zuschauer hoffentlich eigene Gedanken anstellen kann, und sich fragt, wo für ihn die Grenze zwischen rassistischer Aneignung und kulturellem Miteinander verläuft.
    Mit Elvis' Rolls Royce quer durch die USA
    Reimann: Sie erzählen Ihre Geschichte, indem Sie Menschen aus dem ganzen Land interviewen. Die meisten von ihnen sitzen auf dem Rücksitz eines alten Rollys Royce, der mal Elvis gehörte. Chuck D. haben wir schon erwähnt. Wir treffen aber auch auf Emmylou Harris, Ethan Hawke – und dann ist da auch Ashton Kutcher. Manchmal wirkt das etwas willkürlich. Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Interviewpartner ausgewählt?
    Jarecki: Ganz genau danach, wie auch der Film aufgebaut ist: geografisch. Das Leben von Elvis Presley beginnt im tiefen Süden der USA, darauf folgen Stationen in Memphis, Nashville, New York. Dann kommt der Militärdienst in Deutschland, dann geht er nach Hollywood. Und wohin zieht es einen Promi, der zu viele B-Movies gedreht hat? Er geht nach Las Vegas, um auch noch die letzten Groschen aus seiner Karriere rauszuquetschen. Dieselben Stationen sind wir mit dem Rolls Royce abgefahren – bis nach Graceland, wo Elvis gestorben ist. Die Leute, die im Film auftauchen, sind die, die wir auf dem Weg getroffen haben. Natürlich musste es in Nashville die Country-Legende Emmylou Harris sein, in New York war es der Trump-Imitator Alec Baldwin, in L.A. Ashton Kutcher. Jeder von ihnen konnte entweder direkt etwas zu Elvis sagen, oder über Ort und Zeit, in denen er lebte.
    Der Filmemacher Eugene Jarecki
    Eugene Jarecki hat Elvis' Lebensstationen bereist (Arsenal Filmverleih / Lewis Khan)
    Reimann: Meinen Sie, Elvis hätte Trump gewählt?
    Jarecki: Nach allem, was ich gehört habe – von Leuten, die Elvis kannten und liebten – denke ich nicht, dass Elvis den politischen Kurs von Donald Trump unterstützt hätte. Tatsächlich würde ich behaupten, Donald Trump ist die Verkörperung all dessen, was Elvis das Genick gebrochen hat.
    Natürlich muss klar sein, von welcher Phase im Leben von Elvis wir hier sprechen. Denn der verlorene Las-Vegas-Elvis, der nicht mal mehr seinen eigenen Namen kannte, der hätte vielleicht für Trump gestimmt. Der junge Elvis, der gerne Zeit mit Schwarzen verbrachte, sicher nicht. Der hätte dessen Rassismus problematisch gefunden, er hätte auch Trumps Reichtum anstößig gefunden.
    Also, der kaputte Elvis hätte Trump vielleicht etwas abgewinnen können. Aber der wahre Kern von Elvis Presley, seine Seele – das ist das komplette Gegenteil von Donald Trump.
    "The King - Mit Elvis durch Amerika" von Eugene Jarecki läuft ab Donnerstag im Kino.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.