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US-Sanktionen gegen den Iran
"Die Zivilbevölkerung wird davon massiv betroffen sein"

Grünen-Politiker Omid Nouripour hat die Wiedereinsetzung der US-Sanktionen gegen den Iran kritisiert. Damit würden die Iraner dafür bestraft, dass sie sich an das Atomabkommen hielten, sagte er im Dlf. Ohne ein Atomabkommen gebe es keine Inspektionen und dies sei der schnellste Weg des Iran zur Bombe.

Omid Nouripour im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Omid Nouripour (Grüne) spricht am 22.11.2017 bei der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages in Berlin.
    USA und Iran: Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, befürchtet eine Eskalation (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Dirk-Oliver Heckmann: Mit dem Atomdeal aus dem Jahr 2015 hat sich der Iran dazu verpflichtet, sein Atomprogramm zu stoppen und sich internationalen Kontrollen zu unterwerfen. Ziel war es, die islamische Republik daran zu hindern, Atombomben zu bauen. Im Gegenzug hatte der Westen die verhängten Sanktionen gelockert und mehr Investitionen in Aussicht gestellt. Doch US-Präsident Trump stieg im Mai aus der Vereinbarung aus, zugleich kündigte er an, dass die US-Sanktionen wieder in Kraft gesetzt werden ab Mitternacht, Ortszeit Washington, sind sie wieder in Kraft. Im Herbst könnten noch viel schwerwiegendere Schritte folgen, dann nämlich könnten die USA den für den Iran lebensnotwendigen Ölhandel unterbinden.
    Omnid Nouripour ist außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen guten Morgen, Herr Nouripour!
    Omnid Nouripour: Schönen guten Morgen!
    Heckmann: Die Amerikaner setzen also ihre Sanktionen wieder in Kraft. Ist das der Beginn einer gefährlichen Eskalation?
    Nouripour: Das kann dazu führen, ja. Es gibt zwei Gründe, warum das völlig falsch ist, was die Amerikaner machen. Das eine ist, die Iraner werden jetzt dafür bestraft, dass sie sich an das Abkommen gehalten haben. Das ist nicht unbedingt ein Anreizprogramm, um Deals mit den Amerikanern zu machen. Und das Zweite ist, dass auch unsere Firmen davon betroffen sind, und zwar teilweise dafür, dass sie sich an Recht und Gesetz zum Beispiel in Deutschland halten sollen. Und das ist absurd. Natürlich ist der Druck im Iran immens, und natürlich darf man nicht darüber schweigen, dass die sozialen Proteste sich jetzt ausweiten. Jetzt höre ich überhaupt nichts aus europäischen Hauptstädten, da gibt es eher so etwas wie eine Atomhypnose. Das ist falsch. Aber was die Amerikaner machen, wird eher dazu führen, dass das Regime nach innen wie nach außen versucht, sich eher abzuschotten.
    Heckmann: Sie haben gerade gesagt, Herr Nouripour, die Iraner werden dafür bestraft, dass sie sich an das Abkommen gehalten haben, aber Donald Trump argumentiert genau andersrum. Er sagt nämlich, dass Teheran gegen den Geist des Abkommens verstößt. Das Atomabkommen, das hätte verheerende Folgen im Prinzip gehabt, denn Teheran arbeite weiter an seinem Raketenprogramm und geriere sich aggressiv in der Region, Stichworte sind da Syrien, Libanon, Jemen, aber auch der Irak. Hat er da nicht recht?
    Nouripour: Er hat völlig recht, dass der Iran ein Riesenproblem darstellt in einem Land wie Syrien. Er hat völlig recht, dass die Menschenrechtslage im Land verheerend ist. Er hat völlig recht, dass das ballistische Raketenprogramm eine Bedrohung ist.
    "Es wäre notwendig, dass man sich zusammensetzt"
    Heckmann: Und das Atomabkommen hat ihm dabei geholfen, sagt er.
    Nouripour: Das Problem ist Folgendes. Wir haben es nicht unbedingt mit einer Situation zu tun gehabt, in der man diktieren konnte, was jetzt mit dem Iran besprochen wird. Man hat im Rahmen der realistisch eingeschätzten Machtverhältnisse im Nahen Osten einen Vertrag gemacht, um das größte Problem zu lösen, nämlich, dass der Iran nuklearisiert wird. Was jetzt passieren müsste, ist, dass man sich zusammensetzt und überlegt, wie man die anderen Probleme angeht. Das passiert aber derzeit nicht, weil die europäischen Hauptstädte, die Außenminister der Europäischen Union nur noch damit beschäftigt sind, das Atomabkommen irgendwie zu retten zu versuchen, sodass es jetzt gar nicht mehr dazu kommt, dass man über die unsägliche und katastrophale Rolle des Irans in Syrien miteinander spricht.
    Heckmann: Aber vorher gab es ja auch keine Aktivitäten, Herr Nouripour, und Donald Trump handelt jetzt.
    Nouripour: Der handelt, aber der handelt falsch. Noch mal: Es wäre notwendig, dass man sich zusammensetzt, um darüber nachzudenken, wenn man die Iraner tatsächlich dazu bringt, dass sie in Syrien nicht mehr Assad unterstützen und nicht mehr helfen, dass die Zivilbevölkerung abgeschlachtet wird. Das ist tatsächlich nicht passiert. Diese Kritik ist berechtigt. Aber das wird jetzt erst recht nicht passieren, weil die Europäer mit ihrem eigenen Interesse beschäftigt sind, dass der Nahe Osten nicht nuklearisiert wird.
    Heckmann: Zunächst sehen ja die Sanktionen vor, dass der Iran keine Dollar mehr erwerben kann und der Handel mit Gold und anderen Edelmetallen untersagt wird, auch der Handel mit Industriesoftware. Welche Folgen dürfte das haben, wirtschaftlich, aber auch politisch, im Iran?
    Nouripour: Man kann davon ausgehen, dass die sowieso schlechte wirtschaftliche Lage sich noch weiterhin verschlechtert. Man muss davon ausgehen, dass die iranische Regierung jetzt wieder versuchen wird, sich hinter den Sanktionen zu verstecken und zu erklären, warum die wirtschaftliche Lage schlecht ist. Ich glaube nicht, dass das besonders verfängt im Iran, das ist mittlerweile relativ deutlich für die zahlreichen Protestierenden, dass es um Misswirtschaft und Korruption geht, wogegen sie da tatsächlich auf die Straße gehen. Aber unter dem Strich muss man erst mal kurzfristig davon ausgehen, dass die Zivilbevölkerung davon massiv betroffen wird in allen Lebensbereichen. Es wird heute Abend eine Ansprache geben von Präsident Rohani im iranischen Fernsehen, wo er erklären will, wie die Regierung die Situation tatsächlich wieder unter Kontrolle bekommen will, und ich bin sehr gespannt, was er da erzählt. Viele Möglichkeiten hat er da nicht.
    "Der Druck wird gerade weitergegeben an die Zivilgesellschaft"
    Heckmann: Der Druck auch von der Bevölkerung auf die iranische Führung steigt. Das dürfte auch Teil des Kalküls von Donald Trump sein.
    Nouripour: Das ist richtig. Aber das Problem ist ja auch gleichzeitig, dass die amerikanische Regierung jetzt die ganze Zeit die Rhethorik des Regime Change im Munde führt. Das ist etwas, was historisch einfach immer wieder nur gescheitert ist. Es gab viele Zeitfenster, in denen es große Turbulenzen im Iran gegeben hat, die genau darüber abgewürgt wurde, dass die Amerikaner angefangen haben, über Regime Change zu sprechen. Man sieht es zum Beispiel daran, dass jetzt plötzlich nach Jahren auch mit einer relativen oder sehr kleinen Freiheit die Regierung darüber spricht, dass für Frauen offene Mäntel nicht mehr erlaubt werden sollten im Iran, und dass sie jetzt wieder sehr zugeknöpft sein müssen. Das hat natürlich was damit zu tun, dass der Druck gerade weitergegeben wird an die Zivilgesellschaft, und das ist schlecht.
    Heckmann: Auch deutsche und europäische Firmen, die stehen ja in Gefahr, mit Sanktionen belegt zu werden, wenn sie weiter Handel mit dem Iran treiben. Viele deutsche Firmen auch kehren dem Iran bereits den Rücken, das hat der deutsche Industrie- und Handelskammertag am Wochenende gemeldet. Ist ihnen das zu verdenken?
    Nouripour: Nein, ich verstehe das total gut. Es ist zwar nicht richtig, dass, wenn die deutschen Firmen sich an deutsches Recht halten, sie von den Amerikanern bestraft werden. Das ist in der Sache falsch und eine Souveränitätsverletzung auch für die Bundesrepublik Deutschland und für die Europäer. Aber ehrlich gesagt, so richtig viel Grund für einen Goldrausch für den Iran hat es auch vor der Wiederherstellung der Sanktionen nicht gegeben. Es gibt viele Beispiele dafür, dass einfach bestimmte rechtsstaatliche Mindeststandards für Investitionen im Iran fehlen, und das hat auch mit dazu geführt, dass die iranische Regierung sich verkalkuliert hat damit, dass nach dem Abkommen jetzt plötzlich ganz viele Auslandsinvestitionen kommen würden. Ich verstehe alle deutschen Unternehmen, die einfach abwägen, wie groß denn das US-Geschäft ist und wie groß das Iran-Geschäft, und sich dann eher für das erste entscheiden.
    Heckmann: Aber Teheran hat ja von Europa verlangt, dass es den Bestand des Abkommens sichert, das heißt also auch die Investitionen. Bisher ist da von europäischer Seite nicht viel gekommen, oder?
    Nouripour: Es gab einige Angebote hinter verschlossener Tür, die anscheinend bisher nicht ausgereicht haben. Und es wird ja auch eher schwieriger. Aber es kann ja auch sein, dass tatsächlich die iranische Regierung in den nächsten Tagen so viel Druck verspürt, dass sie zu dem Ergebnis kommt, sie nimmt lieber den Spatzen in der Hand als die Taube auf dem Dach.
    Heckmann: Was erwarten Sie denn vor dem Hintergrund von europäischer Seite und von Deutschland auch?
    Nouripour: Dass die iranische Regierung denkt, dass quasi das wirtschaftliche Problem von den Europäern gelöst wird. Das ist Humbug, das wird nicht passieren. Aber es wird natürlich notwendig, dass ein Paket auf dem Tisch bleibt, was dazu führt, dass die Iraner weiterhin die Inspektionen bei den Zentrifugen und den Atomanlagen zulassen, damit es nicht eine Schnellstrecke gibt des Iran zur Atombombe.
    "In einem täglichen Spiel mit der White-House-Astrologie"
    Heckmann: Das heißt konkret, was sollte Europa, was sollte die Bundesrepublik Iran vorschlagen, anbieten?
    Nouripour: Es gibt einige Bereiche, die hoch unkritisch sind. Das wahrscheinlich Relevanteste zurzeit ist, dass auch die Hitzewelle im Iran dazu führt, dass es eine massive Dürre gibt. Auch im Iran werden gerade Rekordhitzen registriert, und das führt dazu, dass die Landwirtschaft gerade in die Knie geht. Dieselbe Debatte wie in Deutschland auch. Und ob es jetzt nicht die Möglichkeit gibt, Know-how und Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, damit die Wasserkrise im Iran sich löst, wäre zum Beispiel ein sehr konkretes Angebot, das von den Europäern kommen könnte. Und da können auch die Amerikaner nicht sagen, das wäre etwa waffenfähig.
    Heckmann: Das heißt, Europa sollte finanziell einspringen, weil Trump die Eskalation mit dem Iran vorantreibt?
    Nouripour: Ich glaube, dass es in erster Linie um Know-how und Infrastruktur gehen sollte, und nicht um wirklich Finanzielles. Darüber muss man reden, wenn tatsächlich die Erdölsanktionen kommen. Die betreffen tatsächlich dann auch alle. Wenn ich mir zum Beispiel so eine große Volkswirtschaft wie Indien anschaue, wie sie innerhalb der nächsten vier Wochen davon runterkommen sollen, dass fast 20 Prozent ihres Erdölaufkommens aus dem Iran kommt, das funktioniert nicht. Und die Amerikaner merken das ja auch selber und sind gesprächsbereit, um Ausnahmen zuzulassen. Ich bin sehr gespannt, was jetzt im November passiert, wenn die nächste massive, deutlich relevantere Sanktionsstufe kommt.
    Heckmann: Wie sicher sind Sie, dass diese zweite Sanktionswelle, die eben dann den Ölexport betreffen dürfte, kommt?
    Nouripour: Sicher ist zurzeit gar nichts. Wir befinden uns ja in einem täglichen Spiel mit der White-House-Astrologie. Das Gesprächsangebot von Trump zum Beispiel Richtung Iran war bedingungslos am Anfang. Die Iraner haben es nicht angenommen, weil mittlerweile der Regierung dafür wirklich die Kraft fehlt. Aber diese Bedingungslosigkeit ist ja mittlerweile mehrfach relativiert worden. Ich bin nicht so sicher, was die Amerikaner jetzt bis November machen werden.
    Heckmann: Letzte Frage an Sie, Herr Nouripour, Donald Trump sieht ja erhebliche Lücken im Atomprogramm mit dem Iran. Sehen Sie keine Notwendigkeit, das Abkommen nachzubessern?
    Nouripour: Ich glaube, dass wir das Abkommen erhalten sollten und gleichzeitig miteinander reden sollten, wie man denn die anderen Probleme mit dem Iran angeht. Man muss das Abkommen nicht aufkündigen, damit man tatsächlich das neue macht. Ohne Abkommen gibt es keine Inspektionen, das ist der schnellste Weg des Iran zur Bombe.
    Heckmann: Omid Nouripour war das, Außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen live hier im Deutschlandfunk. Herr Nouripour, Danke Ihnen für Ihre Zeit und Ihnen einen schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.