Wehrle: Durch die US-Sanktionen gegen den Iran wurden steigende Ölpreise erwartet. Stattdessen geben die Preise nach. Durch eine Verknappung des Angebots müssten die Preise doch in eine andere Richtung gehen. Warum passiert das nicht?
Weinberg: Der Grund für diese Preisschwäche liegt daran, dass die Sanktionen gar nicht so stark ausgelegt werden, wie zunächst erwartet wurde. Als sie im Mai beschlossen wurden, hieß es, es werde keine Ausnahmen geben. Jeder müsse sich zurückhalten, auch China oder Indien beispielsweise - nicht ein Barrel dürfe aus dem Iran eingeführt werden. Heute heißt es ja, für acht Länder gibt es Ausnahmen. Deshalb sieht es aktuell so aus, als ob der Ölpreis nicht, wie erwartet, Richtung 100 US-Dollar pro Barrel steigt, sondern eher unter 70 US-Dollar fallen wird.
Wehrle:Und was bedeutet das für das Öl-Angebot?
Weinberg: Langfristig wird das Angebot kleiner ausfallen. Denn insgesamt dürfte der Export aus dem Iran schon zurückgehen. Und Schmuggel wird nicht funktionieren, weil alles bis zur Quelle zurückverfolgt werden kann. Aber tatsächlich wird sich der Markt im vierten Quartal nicht so angespannt entwickeln wie erwartet, so dass strategische Lagerbestände in den USA oder anderen Ländern angezapft werden müssten. Langfristig aber werden die Preise wahrscheinlich eher steigen durch eine erhöhte Nachfrage.
"Aktuell muss ich vor allem Donald Trump auf Twitter folgen"
Wehrle:Was will US-Präsident Trump erreichen? Will er den Iran destabilisieren, um eigene Lieferverträge aushandeln zu können?
Weinberg: Vor zwei Jahren war mein Job noch einfacher: Ich musste mich nur mit Zahlen, Daten und Statistiken beschäftigen, Lagerbestände, Angebot und Nachfrage. Aktuell muss ich vor allem Donald Trump auf Twitter folgen. Tatsächlich war in diesem Jahr der Ölmarkt durch politische Vorgaben dominiert, Entscheidungen nicht nur vom US-Präsidenten, sondern auch von der OPEC. Vor einem Monat war die Opec noch willens, den Markt unter Druck zu setzen und die Ölförderung nicht auszuweiten. Aktuell heißt es ja von Saudi-Arabien, wir werden so viel Öl zur Verfügung stellen, wie notwendig, was natürlich auch die Lage entspannt. Und die Spekulanten, die davor auf steigende Preise gesetzt haben, gehen jetzt aus dem Markt raus, die Preise rauschen in die Tiefe. Und das spielt dem US-Präsidenten aktuell in die Karten, denn der will ja vor den Midterm-Wahlen in den USA einen günstigen Benzinpreis in den USA sehen.
Wehrle: Noch reagieren die Märkte gelassen. Wird das so bleiben?
Weinberg: Nein, das wird nicht so bleiben. Die Lage wird sich noch anspannen. Ja, aus Sicht der Verbraucher ist der Preis derzeit ein guter Preis. Aber auf dem Niveau wird auch die Nachfrage steigen. Dadurch wird sich der Preis zumindest stabilisieren. Und es gibt die Gefahr: Kommt es im Nahen Osten zu Konflikten, werden die Preise steigen.