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US-Sanktionen wegen Nord Stream 2
"Große Einmischung in europäische Angelegenheiten"

Die USA planen Sanktionen gegen Firmen, die am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt sind - denn Deutschland mache sich damit abhängig von Russland. Doch die Lieferung von russischem Erdgas sei zuverlässiger als die amerikanische Handelspolitik, sagte CDU-Politiker Andreas Lämmel im Dlf.

Andreas Lämmel im Gespräch mit Christine Heuer |
Das Verlegeschiff "Audacia" des Offshore-Dienstleisters Allseas verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2
Die US-Sanktionen richteten sich gegen die Schiffe, die die Nord-Stream-2-Rohre verlegten – und damit gegen eine Lebensader des Projektes, so CDU-Politiker Andreas Lämmel (picture alliance/ dpa/ Bernd Wüstneck)
Christine Heuer: Immer wieder hatten die USA mit Sanktionen gegen Nord Stream 2 geliebäugelt. Heute Nacht hat der US-Kongress Ernst gemacht. Es wurden Sanktionen beschlossen gegen Firmen, die am Bau der Erdgas-Pipeline von Russland nach Deutschland beteiligt sind. Washington begründet das mit Sicherheitsinteressen. Mit Nord Stream 2 begebe Deutschland sich in Abhängigkeit von Russland. Es ist aber auch bekannt, dass die Amerikaner wirtschaftliche Interessen verfolgen. Sie wollen lieber ihr Flüssiggas nach Europa verkaufen. Ich möchte das Thema vertiefen mit Andreas Lämmel, dem CDU-Obmann im Bundestags-Wirtschaftsausschuss. Guten Tag, Herr Lämmel.
Andreas Lämmel: Einen schönen guten Tag.
In Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern werden Röhren für die Gaspipeline Nord Stream 2 verlegt. Daneben steht ein Arbeiter.
Nord Stream 2: Widerstand gegen US-Sanktionen
Die geplanten US-Sanktionen gegen das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 stoßen in Deutschland auf großen Widerstand. Außenminister Maas sagte, die europäische Energiepolitik werde nicht in den USA entschieden.
Heuer: Sie sind ein Nord-Stream-2-Befürworter. Was sagen Sie heute zu den US-Sanktionen?
Lämmel: Wir freuen uns natürlich sehr, dass die Amerikaner, dass Präsident Trump sehr vorsorglich für Deutschland mitdenkt und uns angeblich bewahren will vor einer zu großen Abhängigkeit. Aber leider brauchen wir diese Vorsorge in diesem Fall nicht und ich empfinde es schon als eine ziemlich große Einmischung in die europäischen Angelegenheiten.
Verzögerung des Projekts möglich
Heuer: Und die könnte ja noch ein bisschen größer werden. Fürchten Sie auch Sanktionen gegen deutsche Firmen, die an Nord Stream 2 irgendwie beteiligt sind?
Lämmel: Na ja. Diese Drohung stand ja ständig auch im Raum. Jetzt geht es erst mal um die Verlegeschiffe, die natürlich im Moment das Kernstück des Baus von Nord Stream 2 sind. Und insofern ist das schon die Lebensader im Moment. Insofern ist das schon ganz zielgerichtet organisiert worden.
Heuer: Was heißt denn das für Nord Stream 2? Können die USA mit ihren Sanktionen das Projekt noch aushebeln?
Lämmel: Sicherlich nicht aushebeln, würde ich sagen, aber sie können es natürlich stark verzögern. Denn wenn die Eigner der Schiffe jetzt aufgrund dieser Sanktionen nicht mehr weiterbauen wollen, ist ja die Frage, wo Ersatz herkommt. Und das führt zumindest zu einer Verzögerung des Projektes insgesamt.
Andreas Lämmel (CDU) bei einer Rede im Deutschen Bundestag.
Andreas Lämmel (CDU) ist Obmann der CDU im Wirtschaftsausschuss des Bundestags (imago )
"Wir haben unsere Bezugsquellen stark diversifiziert"
Heuer: Und auch zu Lieferengpässen in Deutschland? Oder wie muss man sich da praktische Konsequenzen vorstellen?
Lämmel: Lieferengpässe sind nach unseren Informationen nicht zu erwarten. Aber Nord Stream 2 ist ja auch nicht bloß zur Belieferung von Deutschland gedacht, sondern der Transport erfolgt ja dann auch in weitere Staaten. Im Moment ist der Gasmarkt weltweit sehr liquide und wir haben in den letzten Jahren – und das ist genau das Argument gegen die Abhängigkeit von Russland – unsere Bezugsquellen sehr stark diversifiziert. Das heißt, wir setzen auf viele verschiedene Märkte und haben auch genügend Möglichkeiten, Gas einzukaufen.
Heuer: Die Amerikaner – das ist ja kein Geheimnis – haben auch wirtschaftliche Interessen. Sie wollen ihr Flüssiggas nach Europa und auch nach Deutschland verkaufen. Warum tun wir das nicht? Warum kaufen wir nicht lieber bei unseren Verbündeten als bei Wladimir Putin?
Lämmel: Zum einen gab es bisher überhaupt die Infrastruktur noch nicht. Wir in Deutschland zum Beispiel haben überhaupt gar kein Flüssiggas-Terminal, obwohl es in Europa genügend Kapazitäten mittlerweile gibt.
Das Pipeline-Verlegeschiff "Audacia" verlegt auf der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Ostsee-Erdgaspipeline Nord Stream 2.
Streit um Gaspipeline Nord Stream 2:
Die Pipeline Nord Stream 2 soll Gas von Russland nach Deutschland liefern. Doch das Projekt ist politisch, wirtschaftlich und ökologisch umstritten und sorgt für Spannungen zwischen Deutschland, der EU, Russland und den USA. Kritiker befürchten, es könne sich als kostspielige Fehlinvestition entpuppen.
Heuer: Und Peter Altmaier möchte ja auch gerne welche bauen. Der hält den Weg dahin ja offen.
Lämmel: Ja, er möchte welche bauen. Richtig. Ob die jemals wirtschaftlich arbeiten können, das ist dahingestellt. Aber wir haben genügend Anlandekapazität da. Das ist auch eine Frage des Preises, dass einfach das Gas aus den amerikanischen Quellen noch wesentlich teurer ist als Nord Stream 2. Und gerade deswegen ist Nord Stream 2 auch so wichtig für die Verbraucher in Deutschland, damit sie die Wahl haben der Bezugsquellen, woher sie ihr Gas beziehen wollen.
"Amerikaner sind im Moment unzuverlässige Partner"
Heuer: Erdgas aus Russland ist billiger als Flüssiggas aus den USA. Aber mal ehrlich: Ich sage jetzt mal ein paar Schlagworte, Herr Lämmel: Krim, der Tiergarten-Mord, die Einmischung in Wahlen im Westen. Gehen wir da nicht wirklich Wladimir Putin auf den Leim, wenn wir mit so jemandem lieber Geschäfte machen als mit den Verbündeten in Amerika?
Lämmel: Ganz grundsätzlich machen wir natürlich sehr gerne Geschäfte mit unseren Verbündeten. Nur hat sich in den letzten Monaten die amerikanische Handelspolitik drastisch gewandelt. So was hätte ich mir persönlich auch wirklich nie vorstellen können. Und das mit verschiedenen Sanktionen die Amerikaner jetzt uns mit China als Partner gleichstellen, das halte ich schon für eine sehr kritische Entwicklung. Dadurch, dass die Amerikaner im Moment auch so unzuverlässige Partner sind, müssen wir natürlich als Europa und als Deutschland sehen, dass wir Quellen uns erschließen, um aus Abhängigkeiten herauszukommen.
Heuer: Die deutsch-russische Außenhandelskammer fordert ja jetzt Sanktionen gegen die USA im Umkehrschluss. Wären Sie auch dafür?
Lämmel: Na ja, das ist natürlich das Problem, dass wir uns da jetzt auf eine Spur begeben, in die wir eigentlich überhaupt nicht rein wollen. Deutschland und Europa lebt von offenen Weltmärkten und wir wenden uns eigentlich ganz energisch gegen diesen beginnenden Handelskrieg. Natürlich könnte man jetzt mit Sanktionen wieder antworten. Ich denke, die Europäische Kommission wird darüber auch beraten. Aber letztendlich: Wo soll das hinführen, wenn man jede Maßnahme mit Gegenmaßnahmen belegt? Klar, man darf sich auch nicht klein machen. Auch das ist jetzt eine Diskussion, die man innerhalb der Europäischen Kommission führen muss. Wir müssen, Europa muss hier selbstständig handeln können.
"Energiesicherheit der Ukraine wird durch Deutschland gesichert"
Heuer: Selbst in der EU sind aber viele gegen Nord Stream 2. Frankreich zum Beispiel: Da hatte sich Emmanuel Macron ziemlich aus dem Fenster gelehnt. Viele Osteuropäer trauen den Russen einfach nicht, sind deshalb auch dagegen. So geschlossen ist die EU ja gar nicht. Sind wir da nicht sowieso in der Minderheit, Herr Lämmel?
Lämmel: Das glaube ich nicht, dass wir in der Minderheit sind. Wie gesagt, es werden ja viele andere Staaten auch mit diesem Erdgas beliefert. Und selbst die Ukraine, die Energiesicherheit der Ukraine wird ja mehr oder weniger durch Deutschland und durch Europa im Moment gesichert.
Heuer: Aber auch die Ukraine sieht das Projekt Nord Stream 2 wirklich sehr, sehr kritisch.
Lämmel: Ja, klar! Das sind natürlich wirtschaftliche Interessen, die damit verknüpft sind, weil natürlich die Ukraine lange Zeit über die Transitgebühren für das Erdgas gut gelebt hat. Diese Verhandlungen – im Übrigen ist Deutschland hier ein großer Moderator in diesen Verhandlungen – sind noch nicht abgeschlossen, wie sich die Transitgebühren in den nächsten Jahren entwickeln werden. Polen ist natürlich auch genau in dieser wirtschaftlichen Klemme, dass sie auf der einen Seite viel Geld durch Transitgebühren verdient haben und jetzt praktisch umgangen werden dadurch.
"Es ist kein Mangel an Gas in der Welt"
Heuer: Aber, Herr Lämmel, es geht ja nicht ausschließlich um wirtschaftliche Interessen bei dieser Art von Projekten, sondern auch um geopolitische Interessen. Die USA sagen, wir machen uns abhängig von Moskau. Das stimmt doch! Was machen wir denn, wenn die uns den Hahn abdrehen wollen?
Lämmel: Das stimmt überhaupt gar nicht! Ich hatte Ihnen ja gesagt, die Europäer haben ihre Bezugsquellen sehr stark diversifiziert. Es ist kein Mangel an Gas in der Welt im Moment, also genügend Liquidität im Markt. Da kann man rechnen wie man will: Bisher hat die Erdgaslieferung aus Russland alle politischen Krisen, selbst den Kalten Krieg, überlebt. Insofern ist dieses Argument, ist die Lieferung von russischem Erdgas noch zuverlässiger als das, was amerikanische Handelspolitik im Moment abliefert.
Heuer: Und das Ergebnis der Entscheidung heute Nacht im US-Kongress heißt, die Beziehungen zwischen Deutschland oder Europa und den USA werden noch schlechter?
Lämmel: Na ja. Zumindest werden sie nicht besser im Moment. Und das ist wirklich sehr bedauerlich, weil gerade auch in diesen bewegten politischen Zeiten es eigentlich sehr notwendig wäre, dass die westliche Welt sich zu ihren Zielen bekennt und gemeinsam gegen undemokratische Entwicklungen vorgeht. Und das ist wirklich eine Sache, die mir auch persönlich große Sorgen bereitet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.