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US-Schutzzölle
"Wir brauchen Fairness in Handelsbeziehungen"

Grünen-Politikerin Kerstin Andreae warnt davor, den durch die USA angestoßenen Handelstreit weiter zu eskalieren. Statt mit Gegenmaßnahmen zu drohen, sollte etwa auch die EU auf Gespräche und Diplomatie setzen. Nur auf diesem Weg könnten unfaire Bedingungen verbessert werden, sagte Andreae im Dlf.

Kerstin Andreae im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    US-Dollar und Euro-Geldscheine liegen zusammen
    "Die vermeintliche strukturelle Benachteiligung der USA durch Handelsdefizite ist unserer Beobachtung nach eher eine Frage von Wettbewerbsfähigkeit von US-Produkten", sagte Grünen-Politikerin Kerstin Andreae im Dlf. (imago stock&people)
    Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört hat Kerstin Andreae von Bündnis 90/Die Grünen. Sie ist Obfrau im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Schönen guten Tag, Frau Andreae.
    Kerstin Andreae: Guten Tag.
    Heckmann: Donald Trump sagt, er schützt seine Stahlarbeiter vor den Schattenseiten der Globalisierung. Globalisierungskritik, das war ja schon immer auch ein zentrales Thema der Grünen. Das müsste doch eigentlich in Ihrem Sinne sein, oder?
    Andreae: Nein, überhaupt nicht. Globalisierungskritik in dem Sinne, dass es Verlierer gibt und wir die Verlierer auch schützen müssen, das ist absolut notwendig. Wir brauchen Fairness in Handelsbeziehungen. Aber natürlich meinen wir da etwas anderes als Donald Trump, weil faire Handelsbeziehungen basieren auf starken Regeln, hohen Standards und guten Arbeitsbedingungen, aber nicht darin, dass wir Protektionismus wieder das Wort sprechen und dass wir über Handelszölle auch Barrieren aufbauen.
    Heckmann: Fairness ist ein gutes Stichwort. Donald Trump sagt ja, dieses Außenhandelsdefizit von über 500 Milliarden, das ist unfair, und das liegt auch an den europäischen Zöllen, seiner Meinung nach, und die sind, wenn ich das richtig gelesen habe, rund einen Prozentpunkt höher über alle Waren und Dienstleistungen hinweg als die amerikanischen. Sollen die USA sich das gefallen lassen und sollen sie sich die Industrien kaputt machen lassen?
    Andreae: Die USA lässt sich die Industrien ja nicht in dem Sinne kaputt machen. Die vermeintliche strukturelle Benachteiligung der USA durch Handelsdefizite ist unserer Beobachtung nach eher eine Frage von Wettbewerbsfähigkeit von US-Produkten. Aber natürlich ist es notwendig, auf der Welthandelsebene auch immer wieder über die Frage fairer Handelsbeziehungen zu sprechen.
    Nur was wir im Augenblick erleben – und das wird jetzt angeheizt durch Donald Trump – ist ein Ziehen einer Eskalationsspirale, indem er diese Zölle in auch einer Größenordnung von 25 und zehn Prozent in den Raum stellt, und da geht es dann nicht mehr um Fairness zwischen Handelspartnern, sondern da geht es tatsächlich darum, die heimische Industrie in einen Wettbewerbsvorteil zu bringen.
    "Solche Maßnahmen führen am Ende zu Verlierern auf allen Seiten"
    Heckmann: Vielleicht will er einfach Druck machen, denn zum Beispiel die Zölle, die die Europäer auf Autos erheben, sind wesentlich höher als das, was die USA derzeit nehmen.
    Andreae: Ja. Es kann ja sein, dass es seine Strategie ist, Druck zu machen. Mein Eindruck ist eher, es ist eine Strategie, den Schlachtruf "America first" mit Leben zu füllen und hier mit diesen vermeintlichen Schutzmaßnahmen tatsächlich kurzfristig vielleicht seiner Industrie zu helfen. Aber wir wissen ja aus langfristigen Beobachtungen, aus volkswirtschaftlichen Beobachtungen, dass solche Maßnahmen tatsächlich am Ende zu Verlierern auf allen Seiten führen.
    Deswegen ist es besser, auf Handelsebene, auf Welthandelsebene tatsächlich der Diplomatie das Wort zu sprechen, miteinander zu sprechen, sind die Bedingungen fair, muss nachgesteuert werden, aber nicht jetzt einseitig zu Maßnahmen zu greifen.
    Heckmann: Kanada und Mexiko, die werden ja erst mal von den Strafzöllen verschont, nicht ausgenommen die Europäer, namentlich auch Deutschland. Die hätten nämlich viel zu geringe Verteidigungsausgaben. Damit hat Trump gestern auch diese Strafzölle begründet. Und die Europäer, die würden die Amerikaner dafür zahlen lassen. Sollen sich auch das die Amerikaner auf Dauer gefallen lassen?
    Andreae: Sie reden jetzt gerade sehr das Wort der amerikanischen Strategie. Die Begründung von Donald Trump für diese Zölle fing damit an, dass er offiziell über die Gefährdung der nationalen Sicherheit gesprochen hat. Jetzt kommt die Frage der Verteidigungsausgaben der Europäischen Union noch mal. Ich glaube, es sind Dinge, über die gesprochen werden muss, aber in aller Ruhe und in aller Besonnenheit.
    "Es ist richtig, auf Diplomatie, auf Gespräche zu setzen"
    Heckmann: Aber es bewegt sich ja nichts aus Trumps Sicht, denn dass die Verteidigungsausgaben erhöht werden sollen, das ist seit Jahren ein Thema in Europa.
    Andreae: Das ist seit Jahren ein Thema und so, wie wir es innerhalb von Europa und auch innerhalb von der Bundesrepublik diskutieren, sind es ja sehr einseitige Blickwinkel auf das Thema Verteidigungsausgaben, die in der Europäischen Union völlig anders bewertet werden.
    Aber seine Argumentation ist ja, dass es Industrien sind, die im Rahmen der nationalen Sicherheit besonders angeschaut werden müssen, und das wird ja auch seitens der Bundesregierung meiner Ansicht nach zurecht hoch bestritten und auch als rechtswidrig eingeschätzt, dass hier das Argument der nationalen Sicherheit gezogen wird.
    Deswegen: Ich glaube, dass es richtig ist, jetzt tatsächlich auf Diplomatie, auf Gespräche zu gehen, um hier nicht eine Eskalationsspirale von weiteren "Schutzmaßnahmen" oder Zöllen oder Ähnlichem den Weg zu sprechen.
    Ich fand die Reaktion der Europäischen Union im Hinblick auf "wie gehen wir mit dem Orangensaft, den Erdnüssen und Ähnlichem um" nicht besonders klug und bin froh, dass hier ein Schritt zurückgegangen wird.
    Heckmann: Jetzt gibt es aber auch Unterstützer von der Linie von Donald Trump. Zu ihnen zählt der ehemalige UNO-Chefvolkswirt Heiner Flassbeck. Den haben wir letzte Woche im Programm gehabt und der hat gesagt, die Europäer, die sollen mal ganz still sein, denn das Außenhandelsdefizit, um das es geht, das sei ein Ergebnis einer skandalösen Lohnzurückhaltung in Europa, allen voran in Deutschland.
    Andreae: Das wird ja auch sehr unterschiedlich eingeschätzt, woher Wettbewerbsfähigkeiten kommen, ob es Lohnzurückhaltung ist. Die Produkte, die die Bundesrepublik Deutschland exportiert, sind in weiten Teilen Produkte, die aus dem Hochlohnsektor kommen. Da über die Frage von Lohndumping zu argumentieren, da lohnt es sich zumindest mal genauer hinzuschauen.
    "Es sind ja keineswegs nur national hergestellte Produkte"
    Heckmann: Aber dass die Lohnzuwächse sehr gering ausgefallen sind in den letzten Jahren, das kann man nicht bestreiten.
    Andreae: Auf jeden Fall, und das ist auch ein Thema, was innerhalb der Bundesrepublik und auch seitens von uns Grünen immer wieder thematisiert wird, dass sich Produktivitätszuwächse natürlich auch in den Löhnen niederschlagen müssen. Aber es lohnt schon, bei dem Handelsdefizit der USA genauer hinzuschauen: Liegt es an der Wettbewerbsfähigkeit der US-Produkte?
    Dann dürfen Sie natürlich eins nicht unterschätzen. Das, finde ich, ist wichtig, dass wir auch die Verflechtung der Industrien hier anschauen. Es sind ja keineswegs nur national hergestellte Produkte. Da gibt es hohe Wertschöpfungsketten, die international auch dargestellt sind. Deswegen würde ich wirklich noch mal dem das Wort sprechen, dass die Diplomatie jetzt folgen muss, dass diese Thematik auch auf die höchste diplomatische Ebene soll, dass die WTO eingeschaltet werden muss.
    Heckmann: Aber, Frau Andreae, das heißt es ja immer wieder.
    Andreae: Entschuldigung, den Satz noch: Alles zu vermeiden, was in diese Eskalationsspirale hineingreift. Es ist ja nicht nur die Europäische Union, sondern es ist auch China, die jetzt schon mit weiteren Maßnahmen reagieren wollen.
    Unklug, protektionistische Maßnahmen anzugehen
    Heckmann: Aber trotzdem sollten wir bei Europa bleiben, und dieses Signal wird ja immer wieder ausgegeben von europäischer Seite aus. Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok – auch den hatten wir bei uns im Programm im Interview -, der hat zugegeben: Ja, es gibt in der Tat eine ungerechte Subventionspolitik von Seiten der Europäer, vor allem in der Landwirtschaft, und das hätte man ja ganz einfach durch das Freihandelsabkommen TTIP abbauen können. Das haben Sie mit den Grünen zusammen, Frau Andreae, ja bis aufs Messer bekämpft.
    Andreae: Absolut! Wir waren nicht überzeugt, dass das Freihandelsabkommen TTIP den Ansprüchen gerecht wird, die wir an Standards setzen im Bereich Umwelt, im Bereich Arbeitsschutz. Wir sind aber durchaus der Meinung, dass wir Freihandelsbeziehungen brauchen, wenn sie unter fairen Bedingungen ablaufen.
    Was Sie jetzt ansprechen ist, dass als nächstes der Faktor der Landwirtschaftspolitik dazukommt. Da sehen Sie doch schon, wenn wir jetzt Branche für Branche durchgehen und überlegen, dass es sich lohnt, auch hinzuschauen, wie sind die Handelsbeziehungen innerhalb dieser Branche. Was aber nicht richtig ist und was unklug ist und was wir jetzt seitens Amerikas erleben ist, dass in einzelnen Branchen protektionistische Maßnahmen angegangen werden. Wir haben in unserer Kritik an TTIP immer gesagt, dass wir nicht dem Protektionismus das Wort sprechen wollen, sondern dass wir faire Handelsbeziehungen wollen.
    Heckmann: Aber wir machen es faktisch. Faktisch ist es ja Protektionismus, was die Europäer in der Landwirtschaft betreiben.
    Andreae: Ja! Aber das liegt innerhalb der Europäischen Union mit einer, wie wir auch finden, falschen Landwirtschafts- und falschen Agrarpolitik. Aber es soll nicht dazu führen, dass jetzt Maßnahmen innerhalb der freien Handelsordnung gezogen werden.
    Heckmann: Kerstin Andreae war das live hier im Deutschlandfunk, Obfrau im Ausschuss für Wirtschaft und Energie von Bündnis 90/Die Grünen. Frau Andreae, danke Ihnen für Ihre Zeit!
    Andreae: Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.