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US-Sender für Kubaner
Fernsehen vom Klassenfeind

Der Radio- und Fernsehsender Martí sendet von Miami in Richtung Kuba. Der von den USA finanzierte Sender will der kubanischen Opposition eine Stimme geben.

Von Burkhard Birke |
    Eine junge Frau surft am 16.10.2015 an einem öffentlichen WLAN-Spot im Stadtbezirk Marianao, Havanna, Kuba, im Internet. Öffentliche WLAN-Spots sorgen für Begeisterung bei jungen Menschen in Havanna. Mit einem begrenzten Angebot wollen die Castros die vormals isolierte Insel behutsam in die Online-Welt führen. Foto: Isaac Risco/dpa (zu dpa «Das sozialistische Kuba öffnet das Internet für seine Bürger» vom 22.10.2015) | Verwendung weltweit
    Etwa zwei Fünftel der Kubaner hat heute Zugang zum Internet und so auch zu ausländischen Medien (dpa)
    Ein mit Stacheldraht umzäuntes und von Sicherheitskräften geschütztes Gebäude in einem Industriegebiet im Nordwesten von Miami: Hier ist der Standort von Radio Martí:
    "Unsere Aufgabe ist es, dem kubanischen Volk die Wahrheit zu sagen. Wir sind kein CNN. Wir sind eine Radio- und Fernsehstation mit einer klar definierten Aufgabe: Das kubanische Volk zu informieren", sagt Tomas Regalado.
    Fast 30 Millionen Dollar jährlich vom US-Kongress
    29,5 Millionen Dollar stellt der US-Kongress Radio und Fernsehen Martí dafür jährlich zur Verfügung. Seit Juni erst lenkt Tomas Regalado den bereits 1985 gegründeten Sender mit seinen 200 festen Mitarbeitern.
    Tomas Regalado, Direktor von Radio Marti
    Tomas Regalado, Direktor von Radio Marti (Deutschlandradio / Burkhard Birke)
    Von 2009 bis 2016 war der Republikaner Regalado Bürgermeister von Miami. Davor arbeitet der Exilkubaner als Radio- und Fernsehreporter sowie Moderator. Regalado kennt also das Nachrichtengeschäft. Präsident Donald Trump höchstpersönlich hat ihn zum Direktor für das Office of Cuba Broadcasting, die Rundfunkanstalt für Kuba ernannt. Sie ist Teil des amerikanischen Auslandsrundfunks unter dem Dach der U.S. Agency for Global Media, zu der auch die Voice of America, Radio Free Europe, Radio Free Asia und ein Sender für den Nahen und mittleren Osten gehören.
    Den Oppositionellen eine Stimme geben
    "Ich habe den Anteil der Nachrichten und der Sendungen erhöht, die den Oppositionellen eine Stimme geben", sagt Direktor Regalado.
    "Unter Obama hatte die Opposition diese Möglichkeit nicht. Das gehört zu den radikalen Veränderungen, die ich vorgenommen habe. Die Opposition darf sagen, was sie will, solange sie nicht dazu aufruft, Havanna zu bombardieren. Und diese Möglichkeit wird genutzt."
    Omar Lopez, der auch bei der Cuban American National Foundation, der 12.000 Mitglieder umfassenden Vereinigung der Exilkubaner in Miami, für Menschenrechte zuständig ist, betreut täglich um 14 Uhr die Stunde der Opposition.
    Systematische Verletzung der Menschenrechte wirft Lopez der Regierung in Havanna vor. Um die Behauptung zu belegen, wurde eigens gemeinsam mit Freedom House eine Telefon-Hotline eingerichtet.
    Denunzianten leben gefährlich
    80 Beschwerden gingen pro Woche ein, behauptet Direktor Tomas Regalado.
    Natürlich leben Denunzianten auf Kuba gefährlich, gibt Tomas Regalado zu, aber:
    "Es ist eine neue Generation herangewachsen, die das Regime herausfordert. Zum Beispiel Tomas Nunez Magdariaga. Er hat sich dem Regime widersetzt, wurde inhaftiert und nach 59 Tagen Hungerstreik wieder auf freien Fuß gesetzt. Er hat für Radio Martí gearbeitet."
    Internet ist zum entscheidenden Medium geworden
    Ausgestrahlt werden die Programme von Radio Martí auf einer Mittel- und vier Kurzwellenfrequenzen, die von Kuba gestört werden. Die Sender stehen teils in North Carolina, teils auf den Florida Keys. Fernsehen und Internet werden über Satellit verbreitet. Frühere Versuche, TV MartÍ per Heißluftballon oder von einem Militärflugzeug aus auszustrahlen, wurden mangels Erfolg aufgegeben.
    Blick in den Newsroom von Radio Marti.
    Angeblich erreichte TV Martí damals weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Denn kaum ein Kubaner besaß oder besitzt eine Parabolantenne. Da mittlerweile angeblich zwei Fünftel der Kubaner Zugang zum Internet und immerhin 4,5 Millionen ein Mobiltelefon haben, ist das Netz über die Internetseite Radio Martí zum entscheidenden Ausspielmedium geworden.
    Reichweite verbessern
    Einer Studie der mexikanischen Universität von Guanajuato im Auftrag der amerikanischen Regierung zufolge habe das Radio eine Reichweite für zwei von elf Millionen Kubaner auf der Insel, behauptet Direktor Regalado:
    "Wir müssen die Reichweite jedoch verbessern. Für das Fernsehen liegen die Werte bei einer Million. Denn unser Ziel ist es, dass Radio und Fernsehen Martí die Informationsquelle für Kuba wird."
    Die Themen der täglich zwei Stunden Fernseh- und sechs Stunden Radio-Nachrichten setzen zwei Redaktionskonferenzen pro Tag. Die Lage von vor Jahren geflüchteter Kubaner auf Trinidad, die Situation in Nicaragua oder Venezuela finden am Tag meines Besuchs Niederschlag im Programm. Die überwiegende Zahl der insgesamt 65 nicht nur aus Kuba stammenden Journalisten arbeitet trimedial: Für Radio, Fernsehen und Internet gleichermaßen.
    Programm zwischen Politik, Sport, Unterhaltung und Humor
    "Unsere größte Herausforderung ist, jeden Tag aufs Neue den Kontakt zu den Kubanern durch die unmittelbare Übermittelung der Nachrichten zu bekommen. Wir müssen sofort auf Ereignisse in Kuba oder in der Welt reagieren, damit unsere Hörer wissen, dass es einen Sender gibt, der die Glaubwürdigkeit und Schnelligkeit bei der Nachrichtenvermittlung besitzt", sagt Nachrichtenchef Jorge Jaureque.
    Geboten wird den Kubanern auch Sport wie Boxen und Baseball, Unterhaltung und Humor wie ihn eine Schauspielerin jeden Abend im Radio zwischen neun und zehn mit der Figur der naiven Magdalena vom Land verkörpert.
    In ihrem Dorf in Kuba ohne Klimaanlagen sei man einfach zur Abkühlung in den Fluss gesprungen, erzählt Magdalena mit einem lustigen Akzent. Mit Humor sollen die Kubaner für Radio Martí geködert werden, wobei nicht so ganz klar ist, ob das Konzept wirklich aufgeht.