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US-Sonderermittler Mueller
Mann mit heikler Mission

Was wusste Putin, was wusste Trump? US-Sonderermittler Robert Mueller hat die Umstände der Präsidentschaftswahlen 2016 untersucht. Bald legt er seinen Bericht vor. Mueller hat die besten Leute am Start, erfahrene Staatsanwälte, Antiterror-Experten, Geldwäsche-Spezialisten, Russland-Kenner, Mafiajäger.

Von Thilo Kößler |
    Ex-FBI-Chef Robert Mueller wird am 17.5.2017 zum Sonderermittler ernannt. Er soll die Verwicklung zwischen Russland und dem Trump-Team im US-Wahlkampf untersuchen.
    Ex-FBI-Chef Robert Mueller wurde am 17.5.2017 zum Sonderermittler ernannt. Er sollte die Verwicklung zwischen Russland und dem Trump-Team im US-Wahlkampf untersuchen (imago / Zuma Press)
    Als dieser Tage Matthew Whitacker, der kommissarische US-Justizminister, auf die Frage eines Reporters antwortete, wann denn mit dem Bericht von Sonderermittler Robert Mueller zu rechnen sei, war ihm die Aufmerksamkeit des ganzen Landes sicher: Bald, sagte Whitacker. Mueller schreibe an seinem Bericht. Und werde ihn dann ans Justizministerium weiterleiten.
    Schweigsamer Sonderermittler
    Seit Mai 2017 ist Robert Mueller, der schweigsamste Sonderermittler aller Zeiten, den Protagonisten der sogenannten Russlandaffäre auf den Fersen. Nichts dringt nach außen, fast nichts. Keine Interviews. Keine Zwischenergebnisse. Keine Leaks. Mueller hat die erfahrensten und gefürchtetsten Staatsanwälte des Landes um sich geschart. Antiterror-Experten. Geldwäsche-Spezialisten. Russland-Kenner. Mafiajäger.
    Robert Mueller war selbst einer. Und geht jetzt auch bei seinen Ermittlungen vor wie im Kampf gegen die ehrenwerte Gesellschaft: Von unten nach oben. Und von außen nach innen. Von den kleinen Fischen zu den großen Bossen. Und von der Peripherie ins Zentrum der Macht.
    Gab es geheime Absprachen?
    Über eineinhalb Jahre, die immer mehr in den Kern des Ermittlungsauftrags vorstießen: Mit welchen Methoden mischte sich Russland auf Geheiß Wladimir Putins in den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf von 2016 ein? Welche Rolle spielte dabei das Wahlkampf-Team von Donald Trump? Gab es nicht nur Kontakte zum russischen Geheimdienst, sondern "collusion", geheime Absprachen also? Was wusste der zukünftige Präsident? Und hat er die US-Justiz behindert, um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen?
    Im Lauf seiner Ermittlungen kam Robert Mueller dem Präsidenten immer näher. Dem inneren Machtzirkel. Der Familie. Schließlich Donald Trump selbst.
    Trump dementiert
    Der Präsident agiert nach dem immer selben Muster: Abstreiten, Verleugnen, Vertuschen. Doch die Festung gerät ins Wanken. In der Mauer der Dementis zeigen sich Risse. Wenngleich Trump weiter behauptet: Es gab im Wahlkampf gegen Hillary Clinton keine Absprachen mit den Russen. Und es gab keine persönlichen Interessen. Keine geschäftlichen Kontakte mit der russischen Regierung. Keine finanziellen Abhängigkeiten.
    Immer aggressiver und nervöser reagiert Donald Trump in Tweets auf Robert Mueller und dessen Ermittlungen. Mueller veranstalte eine Hexenjagd, ätzt Trump. Er führe nicht nur einen Angriff gegen den Präsidenten. Sondern gegen die USA.
    Mit jeder neuen Enthüllung – öffentlich gemacht von zäh recherchierenden investigativen Journalisten – sehen die Demokraten im Kongress wahlweise den Anfang vom Ende der Präsidentschaft Donalds Trumps voraus. Oder sie vermuten Donald Trump bereits mit einem Bein im Gefängnis. Wegen Behinderung der Justiz. Womöglich wegen Hochverrats.
    Acht Anklagen hat Sonderermittler Mueller bereits gegen ehemalige Trump-Wahlhelfer und -Vertraute erhoben. Zwei von ihnen sind rechtskräftig verurteilt. Sechs legten ein umfassendes Geständnis ab. Im Wesentlichen stützt sich Robert Mueller auf die Aussagen von vier Männern aus dem unmittelbaren Umfeld Donald Trumps.
    Vier Männer aus Trumps Umfeld
    Da ist Michael Flynn. Für knappe drei Wochen Donald Trumps erster Nationaler Sicherheitsberater, bis er über seine geheimen Kontakte zum russischen Botschafter in Washington stolperte. Flynn soll Sergej Kysliak zugesagt haben, die Sanktionen zu lockern, die Barack Obama in seinen letzten Tagen als Präsident gegen Russland verhängt hatte. Als der Druck auf ihn wuchs, drängte Trump seinen FBI-Chef, die Ermittlungen gegen Michael Flynn einzustellen – weil James Comey sich weigerte, entließ ihn Trump. Ein erster Hinweis auf Behinderung der Justiz von Seiten des neuen Präsidenten – und Anlass für die Bestellung Robert Muellers als Sonderermittler. Flynn war der erste große Fang Muellers. Flynn wechselte die Seiten, weil er von Mueller in eine Meineidsfalle gelockt wurde, behauptete Trumps Anwalt Rudy Giuliani später.
    Dann "flippte" Michael Cohen, wie es im Amerikanischen heißt: Auch der ehemalige Anwalt Donald Trumps fiel um und avancierte zum nun wichtigsten Kronzeugen des Sonderermittlers: Cohen war Trumps "Fixer", sein Ausputzer also. Er verhandelte mit Trump über Schweigegelder für zwei Models – ein Vergehen, das das Gericht als Verstoß gegen die Gesetze zur Wahlkampffinanzierung wertete. Im Interview mit NBC sagte Cohen: Trump hat mich dazu angestiftet.
    Cohen gestand, für Trump auch im Fall des geplanten Baus eines Trump-Towers in Moskau gelogen zu haben. In Wahrheit seien die Verhandlungen nicht im Januar 2016 beendet worden, sondern erst im Juli, als Trump bereits kurz vor der Nominierung als Spitzenkandidat stand. Trump war der Lüge überführt: Er unterhielt sehr wohl Geschäftsbeziehungen mit Russland. Trump bezeichnete Cohen jetzt als "Ratte". Eine Ratte ist im Jargon der Mafia einer, der singt. Cohen ist Muellers Vorsänger.
    Anders Paul Manafort. Der ehemalige Wahlkampfmanager Donald Trumps ist bereits verurteilt wegen Steuerhinterziehung, mehrfachen Betrugs und Verschwörung gegen die USA, weil er als langjähriger Berater und im Auftrag des damaligen Präsidenten der Ukraine, dem russlandfreundlichen Viktor Janukowitsch, Lobbyarbeit in den USA betreiben sollte. Noch aus der Gefängniszelle heraus spielte Manafort ein doppeltes Spiel und informierte Trumps Anwälte über den Fortgang der Ermittlungen Muellers. Manafort wartet auf sein zweites Urteil.
    Zu guter Letzt Roger Stone – am Freitag vergangener Woche in einer spektakulären Nacht- und Nebelaktion von Sondereinheiten des FBI in seinem Haus in Fort Lauderdale in Florida festgenommen: Stone beklagte sich anschließend, er sei von dem Sturmtrupp des FBI behandelt worden wie ein Schwerverbrecher.
    Roger Stone gilt als "missing link" – als fehlende Verbindung beim Nachweis direkter Kontakte zwischen dem Trump-Team und der Enthüllungsplattform Wikileaks. Julian Assange, ihr Chef, veröffentlichte die Dokumente der Demokratischen Partei, die der russische Geheimdienst bei mehreren Cyber-Angriffen gehackt hatte. Vor diesem Hintergrund forderte Trump russische Hacker sogar auf, nach E-Mails seiner Konkurrentin zu suchen, die laut Hillary Clinton nicht mehr auffindbar waren.
    Laut Anklage soll Roger Stone von einem hochrangigen Mitglied des Trump-Teams angehalten worden sein, sich bei Assange zu erkundigen, ob Wikileaks noch weitere Enthüllungen über Hillary Clinton plane. Stone soll der Mittelsmann zwischen dem Trump-Team und Wikileaks-Chef Julian Assange gewesen sein.
    Rudy Giuliani, heute Anwalt Trumps, trat für seinen Chef die Flucht nach vorn an. Niemand habe je behauptet, dass es im Trump-Team keine Kontakte zur russischen Regierung gab, sagte er dem Sender NBC. Eine glatte Lüge.
    Auf über 100 Begegnungen sollen sich die Kontakte zwischen dem Trump-Team und russischen Regierungsvertretern bzw. Wikileaks in der Zeit zwischen Wahlkampf und Amtseinführung Donald Trumps addiert haben, bilanzierte unlängst die New York Times. Waren das zufällige, individuelle Kontakte? Oder gab es gezielte Absprachen? War Donald Trump dabei nur ahnungsloser Statist? Oder doch Regisseur und Dirigent in einem verschwörerischen Miteinander an der Seite Russlands? Die Antworten werden von Robert Mueller erhofft, der gerade an seinem Abschlussbericht sitzt.