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US-Strafzölle gegen EU
Caspary (CDU): "Unsinnigen transatlantischen Streit beenden"

Der EU-Abgeordnete Daniel Caspary (CDU) hat die EU mit Blick auf mögliche US-Strafzölle zu Besonnenheit aufgerufen. Im Dlf sagte er, es sei jetzt wichtig, eine gemeinsame Lösung zu finden. Denn bald würde die USA und die EU einer sehr starken chinesischen Konkurrenz gegenüber stehen.

Daniel Caspary im Gespräch mit Silvia Engels |
Donald Trump vor dem Weißen Haus in Washington
Weil die EU ihr Airbusprojekt mit unrechtmäßigen Subventionen unterstützt könnten die USA jetzt Strafzölle verhängen. (picture alliance/dpa/CNP/Ron Sachs)
Weil die EU ihr Airbusprojekt mit unrechtmäßigen Subventionen unterstützt, könnten die USA jetzt Strafzölle verhängen. So urteilte die WTO und US-Präsident Donald Trump droht nun mit der Umsetzung dieser Strafzölle. Der EU-Abgeordnete Daniel Caspary (CDU) hält dieses Vorgehen für gefährlich und sinnlos. Im Dlf sagte er, es sei nur noch eine Frage der Zeit bis klar sei, welche Strafzölle die EU gegen die USA verhängen könnten. Denn auch die USA hat ihr Flugzeugprojekt - den Bau von Boeings - mit staatlichen Geldern subventioniert.
Im Dlf rief Caspary jetzt dazu auf den transatlantischen Streit schnellstens zu beenden - und mit den USA endlich eine vernünftige Lösung zu finden. Denn in kürzester Zeit würden sowohl die USA als auch Europa einer starken chinesischen Konkurrenz gegenüber stehen. Darum sei es wichtig, jetzt Ruhe zu bewahren und eine gemeinsame Lösung finden.

Silvia Engels: Länger war es etwas stiller geworden, doch nun ist der US-europäische Zollstreit wieder voll auf der Tagesordnung – ausgelöst durch ein Urteil der Welthandelsorganisation, kurz WTO. In einem alten Streit um Airbus-Subventionen hatte das WTO-Schiedsgericht entschieden, dass die US-Klage dagegen berechtigt war. Deshalb dürfen die Vereinigten Staaten gegen die EU nun Strafzölle im Wert von bis zu 7,5 Milliarden Dollar erheben. Und prompt leitete die US-Administration auch Schritte ein. Ab Mitte des Monats soll es Extraabgaben geben – sowohl auf Flugzeuge, aber auch auf Käse, Wein oder Kaffee aus der EU. Am Telefon ist Daniel Caspary. Er ist Mitglied des Europäischen Parlaments, dort Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe und Experte für Handelsfragen. Guten Morgen, Herr Caspary!
Gabriel Felbermayr, Chef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW).
Handelsstreit - Wirtschaftsexperte: US-Strafzölle nur eine unangenehme Störung
Die wirtschaftliche Auswirkung der US-Strafzölle sei für Europa relativ gering, sagte der Wirtschaftsexperte Gabriel Felbermayr im Dlf. Sollten die Europäer demnächst US-Produkte mit Strafzöllen belegen, wäre der Schaden für die USA jedoch größer.
Daniel Caspary:!! Guten Morgen, Frau Engels!
Engels: Die große Frage: Was soll die EU tun?
Caspary: Ja, als Erstes ist ganz wichtig, Ruhe bewahren und nach außen mit einer Stimme sprechen. Deswegen ist schon mal die erste Frage: Ist es sinnvoll, wenn sich hier so viele Politiker aus den Mitgliedsstaaten äußern, denn Handelspolitik Frage der Europäischen Union. Und wenn wir uns nicht auseinanderdividieren lassen, werden wir stärker dastehen.
Und das Zweite: Ich rate uns zur Besonnenheit. Wir wissen jetzt seit gut einem Jahr, dass sowohl unsere Zuschüsse als auch die amerikanischen Zuschüsse für unsere beiden großen Flugzeugbauer nicht WTO-Recht entsprechen. Jetzt geht es also in beiden Fällen um die Frage, welche Strafzölle können wir gegeneinander verhängen. Da kennen wir jetzt seit dieser Woche die Zahl, was können die Amerikaner gegen uns verhängen. Wir erwarten nächstes Frühjahr die Zahlen, was können wir gegen Amerika verhängen, und da wird auch sofort deutlich, wir brauchen jetzt keine Strafzölle, sondern wir brauchen vor allem eine dringende Lösung, wir können wir Großflugzeuge in den Vereinigten Staaten und in Europa bauen auf eine regelkonforme Art und Weise.
"Amerikaner und Europäer stehen vor einer riesigen Herausforderung"
Engels: Um das noch mal zu erläutern: Zwar haben die USA jetzt hier den ersten Schritt mit Strafzollmöglichkeiten, aber es wird immer erwartet, dass in wenigen Monaten auch die WTO der EU erlaubt, auch Erhebungen von Vergeltungszöllen aufzunehmen. Das heißt, eine Eskalation, wie sie Außenminister Maas ins Spiel gebracht hat, sehen Sie auf keinen Fall.
Caspary: Ich sehe eine große Gefahr, dass Präsident Trump in seiner Art und Weise jetzt schon offensiv Schritte macht. Es ist ja die typische Vorgehensweise, dass er immer gegen die Welthandelsorganisation (WTO) schimpft, sein Land, die Vereinigten Staaten, benachteiligt sieht. Jetzt hat er dieses Urteil, bei dem es um Milliardenzahlungen geht oder Strafzölle geht, die er verhängen kann, dann ist plötzlich die Welthandelsorganisation wieder in Ordnung. Und wir gehen eben davon aus, nachdem die WTO schon vor einigen Monaten geurteilt hat, dass auch die amerikanischen Subventionen – wir reden da über Steuervergünstigungen im Heimatbundesstaat von Boeing, wir reden da über maßgeschneiderte Aufträge, staatliche Aufträge, die die Nasa oder das amerikanische Verteidigungsministerium an Boeing vergibt.
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Wir wissen, dass diese Subventionen der Amerikaner auch WTO-rechtswidrig sind. Und jetzt wird im Moment ausgerechnet, wie hoch sind die Strafzölle, die wir verhängen dürfen. Und deswegen, ich wünsche mir, dass wir wirklich jetzt als Europäische Union Ruhe bewahren, ich wünsche mir vor allem, dass die Amerikaner nicht diese Strafzölle jetzt verhängen, weil es geradezu grotesk wäre, wenn beide Seiten wissen, auch die Europäische Union wird bald in der Lage sein, Strafzölle verhängen zu dürfen.
Und auf der anderen Seite sehen wir, dass Airbus im Moment seine Produktionskapazitäten in China aufbaut, wir sehen, dass Boeing seit diesem Jahr in China auch Flugzeuge produziert. Wir sehen, dass der staatliche chinesische Hersteller COMAC seit einigen Jahren versucht, ein Flugzeug genau auch in den Größenordnungen zu bauen, in denen Airbus und Boeing unterwegs sind bei Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen.
Das heißt, wir sehen heute schon, wir haben eigentlich morgen nicht mehr den Streit zwischen den Vereinigten Staaten und Europa, sondern wir werden in kurzer Zeit uns gegenübersehen einem riesigen Wettbewerb chinesischer Flugzeughersteller. Und da wird auch deutlich, wir sollten dringend diesen transatlantischen unsinnigen Streit beenden. Wir sind als Europäer dazu seit vielen, vielen Jahren und Monaten bereit, weil wir wissen eben, der Wettbewerber von morgen, der sitzt in China, und da stehen wir beide – Amerikaner und Europäer – vor einer riesigen Herausforderung.
"Nicht eskalieren, sondern deeskalieren"
Engels: Aber welche Form der Gespräche sollte man nun versuchen? Bieten sich zum Beispiel direkte Kontakte zwischen US-Präsident Trump an, wie sie ja letztes Jahr Kommissionspräsident Juncker geführt hat? Der hat damit ja immerhin eine Aussetzung von geplanten Zöllen erreicht.
Caspary: Ich würde erst mal vorschlagen, dass wir jetzt wirklich Ruhe bewahren und dass wir auch ganz klar reagieren, dass wir als Europäische Union immer diejenigen sind, die auf internationales Recht setzen. Wir haben in der Welthandelsorganisation internationales Recht, und deswegen ist mir ganz, ganz wichtig, nicht eskalieren, sondern deeskalieren. Und mir ist ganz wichtig, egal von wem, sei das unsere Handelskommissarin Malmström oder sei das Kommissionspräsident Juncker, dass wir das erneuern, was wir im Prinzip seit Sommer, seit den beiden Urteilen immer wieder sagen: Wir sind bereit, darüber zu sprechen, wie wir große Flugzeuge eben in Europa und den Vereinigten Staaten produzieren können.
"Der Streit ist nicht neu"
Engels: Ist angekommen. Lassen Sie mich direkt noch mal einhaken: Hat die EU-Kommission denn derzeit ein ganz grundsätzliches Problem, nicht so recht handlungsfähig zu sein? Die alten Kommissare – Sie haben Frau Malmström genannt –, die scheiden ja aus, die neuen Kandidaten stecken in Anhörungen und sind noch nicht im Amt.
Caspary: Nein, wir haben eine Kommission, die funktioniert. Cecilia Malmström ist im Amt, und die Kommission bleibt ja auch in im Amt, sollte es bei der Amtseinführung der neuen Kommission Schwierigkeiten geben. Und der Streit, den wir gerade führen, ist nicht neu, sondern die Diskussion, die führen wir mindestens seit 2004, also seit gut 15 Jahren, und eigentlich ist die Streitlinie klar. Im Moment fühlt sich Boeing und die Vereinigten Staaten massiv darüber verärgert, dass wir Europäer eben in der Lage waren, über dieses europäische Gemeinschaftsprojekt Airbus den weltweiten Flugzeugmarkt eben nicht nur den Amerikanern zu überlassen, sondern dass wir hier weltweit zwei große Spieler haben.
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Aber noch mal: Die Lage hat sich verändert, die Chinesen kommen dazu, und das heißt, der Druck auf beide Seiten steigt. Die Europäische Union ist wirklich in der Lage – Jean-Claude Juncker ist fit und aktiv, und auch unsere Handelskommissarin ist im Amt, sie ist handlungsfähig –, und die Linien sind doch auf dem Weg. Wenn beide Seiten verurteilt sind, dass beide Praktiken nicht in Ordnung sind, sollten wir uns jetzt nicht über die Höhe der Strafzölle streiten, sondern wir sollten eine gemeinsame Lösung finden.
"Wir sollten uns nicht gegenseitig das Leben schwer machen"
Engels: Einige der neu angekündigten US-Zölle sollen gezielt Produkte aus Frankreich, Spanien, Großbritannien und Deutschland treffen, also den Hauptproduktionsländern von Airbus. Soll hier die EU auseinanderdividiert werden, und welche Solidarität erwarten Sie von den anderen?
Caspary: Als Erstes erwarte ich sehr große Solidarität, wie wir das auch bei den Strafzöllen, nicht Strafzöllen, sondern protektionistischen Zöllen gesehen haben, die US-Präsident Trump ja verhängen möchte zum Beispiel oder darüber nachdenkt, zu verhängen, im Bereich der Automobilindustrie. Ich sehe zum Glück eine große Solidarität. Und das Zweite: Die Amerikaner, das spricht in dem Fall ja für sie, versuchen gezielt, die Staaten zu treffen durch ihre Zölle, die eben diese unrechtmäßigen Subventionen gezahlt haben. Und das sind eben die Hauptanteilseigener am Airbus-Projekt oder die Hauptstaaten, die eben hinter dem geheimsamen Airbus-Projekt stehen. das sind eben genau die Länder, die Sie angesprochen haben, und deswegen nachvollziehbar, dass er diese Länder trifft, aber ich bin immer noch zuversichtlich.
Präsident Trump ist ja oft sehr aggressiv und lautstark unterwegs, er möchte natürlich dieses WTO-Urteil auch für sich nutzen. Er hat in den Vereinigten Staaten sinngemäß gesagt: Seit ich Präsident bin, handelt die WTO endlich eher in unserem Sinne und ist freundlicher zu uns in den Vereinigten Staaten. Ich habe dennoch die Hoffnung, er weiß und seine Administration auch, wir wissen spätestens im Frühjahr, wie hoch sind die Zölle, die wir verhängen können, und da weiß er ganz genau, unsere Zölle sind auch schädlich für amerikanische Wirtschaft, und wir sollten uns nicht gegenseitig das Leben schwer machen.
Engels: Herr Caspary, machen wir es aber konkret, Stichwort Solidarität: Wenn nun gezielte Maßnahmen französischen Käse treffen sollen oder Wein oder eben Kaffee aus Deutschland, was soll dann passieren? Erwarten Sie Ausgleichszahlungen innerhalb der EU?
Caspary: Wir werden dann in aller Ruhe die Listen uns anschauen, was wir machen können. Wir haben ja verschiedene Maßnahmen auch im europäischen Haushalt, wie zum Beispiel unseren Globalisierungsfonds, mit dem wir Unternehmen helfen können, die wegen Handelsfragen, wegen Handelsverschiebungen, wegen Handelsstreitigkeiten in Schwierigkeiten kommen. Ich wünsche mir, dass wir jetzt in aller Ruhe unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, wie kann eine vernünftige Lösung mit den Vereinigten Staaten aussehen. Wir sollten wirklich alle Kraft in eine gute Lösung mit den Amerikanern und nicht in einen unsinnigen Streit gegen die Amerikaner investieren.
"Jeder Zoll schadet"
Engels: Zählen wir mal zusammen: Es gibt ja bereits US-Sonderzölle auf europäische Stahl- und Aluminiumimporte, dazu nun möglicherweise diese WTO-basierten Zölle, so nenne ich sie mal, plus womöglich demnächst Zölle auf Autoimporte. Wie schädlich ist das alles für die ohnehin schwächelnde deutsche Konjunktur?
Caspary: Gut, jeder Zoll schadet, jedes Produkt, das wir nicht verkaufen können, schadet uns, aber es gilt auch da: US-Präsident Trump hat ja lange angekündigt, dass er zum Beispiel Automobilzölle gegen unsere Hersteller in Kraft setzen möchte und hat es bis heute nicht getan. Ich bin überzeugt, vor allem auch deshalb, weil er eben auch gesehen hat, dass solche Zölle auch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten haben. Die Zölle machen ja die amerikanische Wirtschaft nicht wettbewerbsfähiger, sondern ganz im Gegenteil: Der Handwerker, der dann ein neues Auto kaufen muss, und die Autos werden teurer, weil die Autos aus Europa mit Strafzöllen belegt sind, für den wird künftig alles teurer, er hat größere Schwierigkeiten im Wettbewerb.
Auf einige Produkte, die jetzt auf der amerikanischen Liste stehen, das wird heißen, die Amerikaner werden auf diese Produkte doch im täglichen Leben in aller Regel nicht verzichten, sondern sie werden die dann von anderen Herstellern kaufen. Aber das Angebot ist geringer, die Preise steigen, damit können die amerikanischen Staatsbürger dann andere Dinge nicht mehr kaufen, was sich auch negativ auf die amerikanische Wirtschaft auswirken wird, und deshalb habe ich immer noch eine Zuversicht.
Herr Trump hat bei der Zollfrage ja, gerade was die Europäische Union betrifft, immer sehr laut angekündigt und dann zum Glück im beiderseitigen Interesse sehr wenig gemacht. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Amerikaner wirklich die Ressourcen haben und auch die Kraft haben, nicht nur mit China diesen Handelskrieg zu führen, den wir ja leider seit einigen Monaten erleben, er wird nicht einen Zwei-Fronten-Handelskrieg eröffnen können. Und deswegen habe ich immer noch einen gewissen Optimismus, dass wir eine gute Lösung in diesem Streit finden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.