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US-Strafzölle
"Welthandel kann nur offen sein, wenn er auch fair ist"

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier fordert angesichts der Debatte über US-Strafzölle mehr internationale Kooperation und Gespräche. Es gebe weltweit unfaire Handelspraktiken zum Beispiel beim Stahl. Man werde nur dann erfolgreich sein, wenn gemeinsam gehandelt werde, sagte Altmaier im Dlf.

Peter Altmaier im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Peter Altmaier spricht im Mai 2016 in Berlin.
    Mehr Kooperation gegen alle, die die Regeln des fairen Welthandels verletzen, das forderte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Dlf (imago / Xinhua)
    Christoph Heinemann: Für die europäische Stahl- und Aluminiumindustrie hätte dieser 23. März zu einem schwarzen Freitag sich entwickeln können. Schutz- oder Strafzölle drohten, drohen unmittelbar aber nicht. Die Drohung ist aber nicht vom Tisch. Gestern teilte die US-Regierung mit, die EU soll zunächst ausgenommen bleiben. Es trifft vor allem China. Peking hat bereits Gegenmaßnahmen angekündigt. Sorgen bereiten diesseits des Atlantiks weniger Zölle für zwei Produkte. Die genannten Bereiche machen gerade mal 0,05 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Sorgen bereitet die Botschaft an sich und das, was noch folgen könnte.
    Die Europäische Union hat viele Hebel in Bewegung gesetzt und kaum im neuen Amt saß der CDU-Politiker Peter Altmaier zu Beginn dieser Woche auch schon im Flugzeug Richtung Washington und führte Gespräche mit US-Handelsminister Wilbur Ross und dem Handelsbeauftragten Robert Lighthizer. Ergebnis: Vorläufige Verschonung. Der Bundeswirtschaftsminister ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Altmaier, wie vorläufig ist vorläufig?
    Altmaier: Nun, da es sich um einseitige Maßnahmen der Vereinigten Staaten von Anfang an gehandelt hat, können sie selbstverständlich jederzeit ergriffen werden. Wir sind nicht überzeugt davon, dass dies den geltenden WTO-Regeln entspricht, aber wir haben jetzt jedenfalls aufgrund der Gespräche, die Cecilia Malmström und auch ich in Washington geführt haben, die Möglichkeit, in den nächsten sechs Wochen sehr intensiv und sehr konzentriert mit der amerikanischen Seite darüber zu verhandeln, was solche Maßnahmen bedeuten.
    Ich bin sehr froh, dass wir für die deutsche Stahl- und Aluminiumindustrie und die Beschäftigten dort jetzt eine Situation vermieden haben, die zu großer Unsicherheit geführt hätte, auch wenn der Gesamtbetrag am Bruttoinlandsprodukt überschaubar bleibt. Und zweitens: Ich bin und bleibe überzeugt, dass ein freier und fairer Welthandel im Interesse aller Beteiligten ist. Darüber werden wir mit den US-Amerikanern sprechen. Und wenn aus Sicht der USA Punkte auf den Tisch gelegt werden, wo sie sich unfair behandelt fühlen, werden wir das diskutieren, und umgekehrt werden auch die Europäer Punkte anbringen, wo sie sich ungerecht und unfair behandelt fühlen.
    "Es braucht klare Prinzipien"
    Heinemann: Was haben die Europäer zu bieten?
    Altmaier: Wir sind einer der größten Handelspartner der USA. Wir haben international sehr viel mehr gemeinsam als das, was uns trennt. Wir sehen uns großen Veränderungen gegenüber und dazu braucht es klare Prinzipien. Und die Prinzipien, die USA und Deutschland bisher immer verteidigt haben, waren, dass es offene Märkte geben muss, dass der Beste mit seinen Produkten die größten Chancen hat. Diese offenen Märkte funktionieren aber nur, wenn sie fair organisiert sind.
    Es ist ganz interessant und spannend zu sehen, dass es jetzt eine Diskussion über geistiges Eigentum gibt, das heißt darüber, ob man beispielsweise Produkte eines Landes, die patentiert sind, nachbauen kann, ohne Lizenzgebühren zu bezahlen. Das ist eine Debatte, die es auch in Europa schon gegeben hat, und deshalb werden wir uns an einen Tisch setzen.
    Mein Ziel bleibt es, die Interessen des Industriestandortes Europa zu verteidigen, weil ich überzeugt bin, dass es, was Stahl und Aluminium und auch was Autos angeht, keine unfairen Praktiken gibt. Aber das werden wir in Ruhe besprechen.
    "Intensiven Austausch organisieren"
    Heinemann: Trump sagt, Europa ist unfair. Welche Argumente der Gegenseite lassen Sie gelten?
    Altmaier: Ich glaube, dass er sich bezieht auf unterschiedliche Zollsätze, die es in einzelnen Bereichen gibt. Es gibt Bereiche, da sind die US-Zölle höher; es gibt aber auch Bereiche, da sind die europäischen Zölle höher. Das war ja seinerzeit der Grund, warum wir über ein großes Freihandelsabkommen TTIP verhandelt haben zwischen den USA und Europa noch zur Amtszeit von Barack Obama. Diese Verhandlungen sind nicht zum Erfolg gekommen.
    Und nun müssen wir die Frage stellen, ob es möglich ist, bestimmte Punkte zu identifizieren, die sehr schnell und sehr konzentriert diskutiert werden können, um dann die Basis dafür zu schaffen, dass wir unter Achtung beiderseitiger Interessen uns den wirklichen Problemen zuwenden.
    Heinemann: Kommt der ganze TTIP-Kram jetzt wieder auf den Tisch?
    Altmaier: Ich halte wenig davon, an Namen festzuhalten, die mit ganz anderen Zusammenhängen verbunden sind. Aber richtig ist, wir brauchen mehr Gespräche, und ich habe meinen Gesprächspartnern angeboten, dass wir einen intensiven Austausch organisieren - zum einen zwischen der deutschen Bundesregierung und unseren amerikanischen Partnern, zum anderen aber vor allen Dingen auch zwischen der Europäischen Union und den amerikanischen Partnern. Die Zollpolitik ist ja eine Zuständigkeit der Europäischen Union und deshalb habe ich mich auch sehr eng mit der Kommissarin Cecilia Malmström abgestimmt.
    "Es gibt unfaire Handelspraktiken zum Beispiel beim Stahl"
    Heinemann: Wird sich diese Zollpolitik ändern?
    Altmaier: Wir werden alles tun, damit wir das, was wir in den letzten 30, 40 Jahren erreicht haben, nicht wieder aufs Spiel setzen. Die Zölle waren in den letzten Jahren nach unten gerichtet in ihrer Tendenz. Das hat dazu geführt, dass viel mehr Wohlstand geschaffen worden ist weltweit, als anders herum möglich gewesen wäre, und das bedeutet wiederum, wir haben eine Verpflichtung, uns für diesen freien Welthandel einzusetzen. Das hat auch die Bundeskanzlerin gesagt in ihrer Regierungserklärung. Darüber rede ich mit unseren amerikanischen Partnern. Aber es ist wichtig, dass wir den Gesprächsfaden aufgenommen haben.
    Es ist wichtig, dass es ein Grundverständnis gibt mit denjenigen, die als Wirtschaftsminister, als Handelsbeauftragter Verantwortung tragen. Alle anderen Einzelfragen, die müssen nun geklärt werden, und zwar nicht irgendwann, sondern sehr schnell in den nächsten Wochen.
    Heinemann: Herr Altmaier, die US-Strafzölle richten sich jetzt vor allem gegen unfaire chinesische Handelspraktiken, die ja auch in der EU beklagt werden. Erledigen die USA, ähnlich wie in der Verteidigungspolitik, für die EU und für Deutschland wieder einmal die Drecksarbeit?
    Altmaier: So würde ich das nicht sagen, sondern wir werden am Ende nur dann erfolgreich sein - und das bezieht sich im Übrigen nicht nur und in erster Linie auf China -, wenn wir gemeinsam handeln. Es gibt unfaire Handelspraktiken zum Beispiel beim Stahl weltweit. Das sind mehrere Länder. Wir haben Überkapazitäten. Und es gibt einige Länder, die verkaufen ihren Stahl unter Gestehungskosten. Das heißt, die nehmen ein Defizit in Kauf, um ihren Stahl auf den Weltmarkt zu werfen und andere Konkurrenten ins Abseits zu drängen. Das ist nicht akzeptabel. Es gibt sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse. Das sind Handelshemmnisse, die nicht in Zöllen bestehen, die aber den Zugang zu einem Markt erschweren oder unmöglich machen.
    "Brauchen international mehr Kooperation - nicht nur gegen China"
    Heinemann: Sagen Sie gerade danke, Donald?
    Altmaier: Nein, das sage ich nicht. Ich sage, dass ich mir für alle diese Fragen eigentlich einen internationalen Diskussionsprozess mit allen Beteiligten wünsche. Das ist anders gekommen. Aber als ich vor wenigen Tagen ins Amt kam, war es meine Aufgabe als Bundeswirtschaftsminister, zunächst einmal für die deutschen und auch für die europäischen berechtigten Interessen einzutreten. Das habe ich getan.
    Heinemann: Herr Altmaier, die Verpflichtung zum Joint Venture - immer noch Handelsbeziehungen zu China - mit eingebautem Technologieklau, muss man im Verhältnis zu China nicht endlich sagen, wer trickst und wer pfuscht, dem ziehen wir die Ohren lang?
    Altmaier: Wir haben als Europäer in den letzten Jahren mehrfach gegenüber China Anti-Dumping-Verfahren eingeleitet. Wir haben auch diese Problematik in einigen Bereichen, dass geistiges Eigentum ganz offenbar zumindest von Unternehmen und einzelnen Beteiligten in China nicht ausreichend respektiert wird.
    Heinemann: Hat nichts gebracht bisher.
    Altmaier: Wir haben bei dem Anti-Dumping-Verfahren beispielsweise erreicht, dass in vielen Fällen der ungerechtfertigte Preisvorteil weggenommen werden konnte, und das ist ein Punkt, wo wir auch international mehr Kooperation brauchen - nicht in erster Linie und nur gegen China, sondern gegen alle, die die Regeln des fairen Welthandels verletzen. Der Welthandel kann nur offen sein, wenn er auch fair ist.
    "Wir haben für diese Gespräche nicht endlos Zeit"
    Heinemann: Wird Europa jetzt mit chinesischem Billigstahl überschwemmt?
    Altmaier: Das glaube ich nicht, denn in dem Fall hätten auch wir die Möglichkeit, uns zur Wehr zu setzen. Ich setze trotzdem auf Gespräche mit allen Beteiligten, auch mit China. Wir haben das sogenannte Global Forum on Steal, das weltweite Stahlforum. Dort haben wir im Rahmen von G20 erste Gespräche geführt. Die Entscheidung der US-Administration macht deutlich, wir haben für diese Gespräche nicht endlos Zeit. Wir wollen nicht, dass es weiterhin zu einseitigen Maßnahmen kommt, sondern wir wollen, dass es zu vernünftigen Vereinbarungen kommt, und deshalb werde ich gemeinsam mit Cecilia Malmström alles tun, damit die Europäische Union auch in dieser Frage eine führende Rolle spielt.
    "Am Ende muss es mehr Kooperation geben"
    Heinemann: Herr Altmaier, wenn wir uns das Geschäftsmodell Deutschland anschauen, wie zerbrechlich ist ein Wirtschafts- und Sozialsystem, das von riesigen Exportgewinnen abhängig ist?
    Altmaier: Wir haben in Deutschland im Augenblick Exportüberschüsse. Das ist richtig. Das hängt damit zusammen, dass deutsche Waren überall in der Welt begehrt sind. Und wir können doch nicht unseren Unternehmen verbieten, ihre Waren dort zu verkaufen, wo sie Interessenten und Anhänger finden. Im Übrigen muss man das Exportdefizit der Europäischen Union insgesamt vergleichen, denn die EU ist ein Wirtschaftsraum, Deutschland ist Teil davon. Und dann ist dieses Exportdefizit weniger hoch, als es allgemein den Anschein hat. Trotzdem gehört es zu einem fairen Welthandel, dass jedes Land die Möglichkeit haben muss, mit seinen Stärken zu werben und seine Produkte dann auch weltweit zu vermarkten.
    Wir haben Abhängigkeiten, international im Prozess der Globalisierung. Das bezieht sich auf Rohstoffe, die es nur in einigen Ländern gibt. Das bezieht sich auf bestimmte Fähigkeiten, die es nur in einzelnen Ländern gibt. Diese Abhängigkeiten haben aber in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass es zu Zerbrechlichkeiten gekommen ist, sondern sie haben die internationale Kooperation gestärkt, und das ist unser Ziel. Am Ende dieser Gespräche muss die internationale Handelsarchitektur stabiler sein. Am Ende muss es mehr Kooperation geben, nicht weniger. Und am Ende müssen alle einsehen, dass sie mit freien und offenen Märkten am besten fahren.
    Heinemann: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Altmaier: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.