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US-Truppen in Afghanistan
"Versicherungspolice gegen neuen 11. September"

Die Ankündigung, den Truppenabzug aus Afghanistan zu stoppen, markiert eine Kehrtwende in Barack Obamas Außenpolitik. Dessen Sicherheitsstrategie für Afghanistan wurde von Anfang an auch mit viel Skepsis begegnet. Und so kommt von den Republikanern auch jetzt wieder Kritik: Sie fordern eine stärkere Truppenpräsenz vor Ort.

Von Marcus Pindur |
    Der Republikaner Lindsey Graham an einem Rednerpult
    Der Republikaner Lindsey Graham übte Kritik an Obamas Plänen für Afghanistan. (afp / picture alliance / Erik S. Lesser)
    Obamas Wahlversprechen hatte anders ausgesehen. Noch im Mai letzten Jahres hatte der Präsident es bekräftigt:
    "Ende 2016 werde man die amerikanische Militärpräsenz auf den Schutz der Botschaft in Kabul herunterfahren."
    Das wären 1.000 Mann gewesen. Doch die Sicherheitslage in Afghanistan richtet sich nicht nach den Wahlversprechen der Amtsinhaber im Weißen Haus. Obama musste zugeben, dass die Situation am Hindukusch eine weitere amerikanische Truppenpräsenz erfordert. Die afghanischen Sicherheitskräfte seien einfach noch nicht so weit, dass sie alleine die Verantwortung für das Land tragen könnten:
    "Alles in allem ist die Sicherheitslage noch sehr instabil. In einigen Landesteilen kann es sogar noch schlimmer kommen."
    Clinton und Gates waren gegen festen Abzugstermin
    Die New York Times recherchierte jüngst eine Karte Afghanistans, die plastisch vor Augen führte, dass die Taliban eine Großoffensive eingeleitet haben. Die kurzzeitige Eroberung von Kundus illustrierte die Schwierigkeiten, die die afghanische Armee noch hat. Wenn man die Fortschritte, die Afghanistan gemacht habe, nicht aufs Spiel setzen wolle, dann müsse die amerikanische Truppenpräsenz noch bis Ende 2016 bei 9.800 Mann bleiben, danach werde man sie auf 5.500 Soldaten absenken, so Obama:
    "Wir werden mit unseren Partnern zusammenarbeiten. Wir sind Teil einer Koalition von 42 Staaten. Unsere NATO-Partner können weiter einen unverzichtbaren Beitrag beim Aufbau der afghanischen Streitkräfte leisten."
    Von Anfang an hatte Obamas Sicherheitsstrategie in Afghanistan auch viel Kritik auf sich gezogen. Jahre im Voraus hatte Obama einen Abzugstermin festgesetzt - er wollte unbedingt vor dem Ende seiner Präsidentschaft die amerikanische Truppenpräsenz in Afghanistan beenden. Sein damaliger Verteidigungsminister Robert Gates und seine damalige Außenministerin Hillary Clinton waren gegen einen festen Abzugstermin - das spiele nur den Taliban in die Hände.
    Obama wird den Konflikt seinem Nachfolger hinterlassen
    Der republikanische Senator und Verteidigungsexperte Lindsey Graham kritisierte auch die jetzige Strategie Obamas. Die Zahl der amerikanischen Soldaten ab 2017 auf 5.500 abzusenken, sei eine rein politische Entscheidung und habe mit militärischem Sachverstand nichts zu tun. Um Al Kaida bekämpfen und gleichzeitig die afghanische Armee unterstützen zu können, brauche man mindestens 10.000 US-Soldaten in Afghanistan:
    "Es ist in unserem Sicherheitsinteresse, es in Afghanistan richtig zu machen. Wir werden nicht danach beurteilt werden, wann wir Afghanistan verlassen, sondern nach dem, was wir dort zurücklassen. Die gute Nachricht ist, dass man mit 10.000 Soldaten dort einiges ausrichten kann. Unsere Präsenz dort ist eine Art Versicherungspolice gegen ein neues 9/11. Wir müssen dort präsent sein, es wäre dumm, Afghanistan bei der jetzigen weltweiten Terrorlage zu verlassen."
    Obama wird den Konflikt seinem Nachfolger hinterlassen. Seine Berater konnten den in Sicherheitsfragen oft beratungsresistenten Präsidenten offensichtlich gerade noch daran hindern, den gleichen Fehler wie im Irak zu machen. Dort hatte der übereilte Totalabzug der US-Streitkräfte zum baldigen Kollaps der irakischen Armee geführt.