US-Präsident Donald Trump will offenbar 9.500 der 34.500 in Deutschland stationierten US-Soldaten abziehen. Dies war bereits Anfang Juni bekannt geworden. Als Zeithorizont für den Abzug würde dabei der September genannt.
Am Montag (29.06.2020) will Pentagon-Chef Mark Esper bei einem Treffen mit Präsident Trump einen konkreten Plan für das weitere Vorgehen präsentieren. Einen Teil der in Deutschland stationierten US-Soldaten soll dabei nach Polen verlegt werden.
Den Schritt, US-Kräfte nach Polen zu schicken, begründete Trump damit, dass Deutschland aus seiner Sicht zu wenig für Verteidigung ausgebe. Deutschland liegt bei den Verteidigungsausgaben deutlich unter dem NATO-Zielwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was Trump immer wieder scharf kritisiert hatte.
Den Schritt, US-Kräfte nach Polen zu schicken, begründete Trump damit, dass Deutschland aus seiner Sicht zu wenig für Verteidigung ausgebe. Deutschland liegt bei den Verteidigungsausgaben deutlich unter dem NATO-Zielwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was Trump immer wieder scharf kritisiert hatte.
"Von einem Kahlschlag können wir nicht reden"
Die betroffenen Regionen in Deutschland fürchten harte wirtschaftliche, aber auch soziale Folgen. Erste Bundesländer riefen bereits nach Hilfsgeldern vom Bund. "Von einem Kahlschlag können wir nicht reden, auch wenn es um eine deutliche Größe geht", sagte David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz im Dlf.
Angesichts der Vielzahl an stationierten Truppen in Rheinland-Pfalz, müsse man allerdings schon davon ausgehen, dass auch Rheinland-Pfalz von einem Truppenabzug betroffen sein werde, sagte Sirakov. Allerdings ist noch völlig unklar, welche Einheiten oder Standorte überhaupt betroffen sein werden.
Amerikaner als integraler Teil der Region
"Wir müssen davon ausgehen, dass wir diesen US-Präsidenten wörtlich und ernst nehmen müssen", so Sirakov weiter. Die Frage sei aber, ob die US-Army bis Herbst 9.500 bis 10.000 Soldaten abziehen könnte. Da allerdings viele Soldaten auch mit ihren Familien vor Ort leben, würde ein Abzug auch eine Schwächung im sozialen Bereich für die jeweiligen Regionen bedeuten. Die Amerikaner dort seien integraler Teil der Region, das Verhältnis zur lokalen Bevölkerung sei besonders gut.
"Ich halte diesen Vorschlag für angemessen", sagte der Amerika-Experte zu der Forderung nach Finanzhilfen für Rheinland-Pfalz im Falle eines Truppenabzugs. "Ein signifikanter Abzug hätte deutliche wirtschaftliche Auswirkungen. Die Amerikaner sind ein großer Wirtschaftsfaktor in der Region."
"Ich halte diesen Vorschlag für angemessen", sagte der Amerika-Experte zu der Forderung nach Finanzhilfen für Rheinland-Pfalz im Falle eines Truppenabzugs. "Ein signifikanter Abzug hätte deutliche wirtschaftliche Auswirkungen. Die Amerikaner sind ein großer Wirtschaftsfaktor in der Region."
Insgesamt müsse man sich sicherlich in Deutschland auf Veränderungen einstellen. Dies sei aber ein ständiger Prozess und dies habe es auch schon in der Vergangenheit gegeben.
Das Interview in voller Länge:
Peter Sawicki: Befürchten Sie auch einen Kahlschlag für Rheinland-Pfalz?
David Sirakov: Ich glaube nicht, dass wir von einem Kahlschlag sprechen können, auch wenn es natürlich eine deutliche Größe betrifft, zumindest das, was wir an Ankündigungen aus Washington hören. Die Frage ist dann nur jetzt zunächst zu stellen, und das wird sich vielleicht heute etwas konkretisieren, ob und inwieweit zum Beispiel auch Rheinland-Pfalz betroffen sein wird.
Sawicki: Ist es für Sie noch gar nicht ausgemacht, dass Rheinland-Pfalz zu den Verlierern dieser Umstrukturierung gehören könnte?
Sirakov: Angesichts der Zahlen, die an stationierten Truppen in Rheinland-Pfalz zusammengezogen sind, kann man schon davon ausgehen, dass es vielleicht doch Rheinland-Pfalz auch treffen wird. Nur genaue Zahlen wissen wir nicht. Die Frage nach den Einheiten wissen wir nicht, die betroffen sein werden. Da ist es sehr schwer zu sagen, welche Standorte beispielsweise betroffen sein werden.
US-Truppenabzug - "Schwächung des NATO-Bündnisses"
Mit der Absicht der US-Regierung, die Präsenz ihrer Truppen in Europa und Deutschland zu verringern, verminderten sich auch die Chancen auf Abrüstung und Rüstungskontrolle, sagte Ex-Bundeswehrgeneral Klaus Naumann im Dlf.
Mit der Absicht der US-Regierung, die Präsenz ihrer Truppen in Europa und Deutschland zu verringern, verminderten sich auch die Chancen auf Abrüstung und Rüstungskontrolle, sagte Ex-Bundeswehrgeneral Klaus Naumann im Dlf.
Sawicki: Es heißt ja auch immer als Gegenargument, die USA würden sich selbst schaden mit einem solchen Schritt. Trotzdem, speziell mit Blick auf den Wahlkampf: Warum sollte man an Donald Trumps Entschlossenheit hier zweifeln?
Sirakov: Ich sehe eigentlich gar keinen Zweifel in Form der Durchsetzung zumindest Teile dieser Entscheidung, weil – und das habe ich auch selbst schon früh gesagt – wir davon ausgehen müssen, dass wir diesen US-Präsidenten nun mal wörtlich und ernst nehmen müssen. Das heißt, die Ankündigungen wurden ja schon sehr, sehr früh gemacht. Ich erinnere da nur an den US-Botschafter Grenell, den ehemaligen US-Botschafter, der das schon im vergangenen Jahr sehr, sehr stark vorangetrieben hat und diese Argumentation auch in Berlin schon vorgebracht hat.
Die Frage wird sein, inwiefern in dem zur Verfügung stehenden Zeithorizont das US-Militär überhaupt einen solchen Auftrag durch das Weiße Haus umsetzen kann. Das heißt, ob wir nachher wirklich über eine solche Zahl von neuneinhalb bis 10.000 Soldatinnen und Soldaten sprechen werden.
Sawicki: Stichwort neuneinhalb Tausend, was ja auch immer noch spekulativ ist. Aber wenn wir uns mal die Zahlen oder auch die Einrichtungen vor Ort anschauen des US-Militärs in Rheinland-Pfalz, was ist das für eine Infrastruktur, worüber reden wir da konkret?
Sirakov: Wir reden konkret über zwei Branches oder zwei Abteilungen des US-Militärs, die US Air Force und die US Army. Die Army hat sehr viele Installationen oder Kasernen. Das betrifft in Kaiserslautern einige Kasernen, das betrifft Baumholder. Wir haben die Air Force mit der großen und bekanntesten in Deutschland, der Ramstein Air Base. Wir haben Spangdahlem mit Jagdfliegern, der F16-Staffel. Das ist natürlich insgesamt eine sehr, sehr große Einheit, wenn man das als solches sieht, und deshalb ist auch die sogenannte Kaiserslauting Military Community die größte Militärgemeinde außerhalb der Vereinigten Staaten.
Dazu muss man auch wissen, dass dort nicht nur Soldatinnen und Soldaten stationiert sind, sondern auch zu einem großen Teil deren Familien. Das heißt, wir sprechen von einer Infrastruktur, die nicht nur Militärliegenschaften beinhaltet, sondern auch so etwas wie Häuser, Wohnmöglichkeiten. Ramstein Air Base ist eine nicht allzu kleine Stadt, würde man sagen, wenn man sich die Einrichtungen dort anschaut.
"Die Amerikaner gehören in der Region zu der Region"
Sawicki: Wie macht sich das im Alltag bemerkbar, die Verbindungen der US-Amerikaner, der Soldaten, der Zivilisten, mit der Lokalbevölkerung?
Sirakov: Die Amerikaner gehören in der Region zu der Region. Das ist ein integraler Teil dieser Region. Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist dort manchmal vielleicht sogar als Gegenreaktion zu manchen Friktionen zwischen Washington und Berlin meist besonders gut. Gerade auch in der letzten Zeit muss man sagen, dass die Beziehungen zwischen Deutschen und Amerikanern immer intensiver werden und dass man auch versucht, im Land sehr, sehr viel dafür zu machen, dazu beizutragen durch verschiedene Projekte. Natürlich hätte das Auswirkungen auch im sozialen Bereich, weil das auch neben der amerikanischen Sicherheitspolitik eine Schwächung für das deutsch-amerikanische Verhältnis vor Ort bedeuten würde.
Sawicki: Würde das auch möglicherweise heißen, dass Familien, dass Freundschaften sicherlich auch auseinandergerissen werden könnten?
Sirakov: Ja und nein, aber natürlich kann das passieren. Aber das passiert ohnehin ständig, weil wir sprechen ja oder wir haben den Fakt, dass das US-Militär und der einzelne Soldat, die einzelne Soldatin in der Region ohnehin nur relativ kurze Zeit sind. Das heißt Rotation oder nennt sich Rotation. Das heißt, wir haben größere Truppenbereiche, die mindestens alle drei Jahre ihren Standort wechseln und damit auch aus Deutschland abgezogen werden. Diese Rotation trägt ohnehin dazu bei, dass es keine sehr dauerhafte Präsenz eines einzelnen Soldaten, einer einzelnen Soldatin gibt.
Sawicki: Aber es geht wahrscheinlich prinzipiell um dieses Zusammenleben, das da gewachsen ist?
Sirakov: Genau, richtig.
Sawicki: Nun wird aber auch durchaus kritisiert, vor allem von der Partei Die Linke oder auch linken Kreisen, dass ja auf dem Gebiet US-amerikanische Atomwaffen auf deutschem Boden gelagert werden, und kritisiert werden auch die Drohnen-Einsätze, die von Ramstein aus koordiniert werden. Da sagen die Kritiker, wir möchten so etwas in Deutschland nicht haben. Können Sie das nachvollziehen?
Sirakov: Ja, natürlich! Aus Sicht von friedenspolitischen Politikern oder friedenspolitisch Eingestellten kann ich das natürlich nachvollziehen. Die Frage ist hier natürlich, wie sich Deutschland sicherheitspolitisch aufstellen möchte, und da ist die eine Frage der nuklearen Teilhabe, die andere Frage natürlich, ob man US-Militäreinrichtungen in Deutschland auch weiterhin haben möchte. Das ist eine Abwägung, die dann die entsprechende Regierung zu fällen hat.
Dass es natürlich in der Opposition Stimmen gibt, das ist für mich nicht überraschend. Wir sehen das ja auch bei uns in der Region, dass es immer wieder zu Protesten kommt, die interessanterweise häufig initiiert werden außerhalb der Region.
Sagen wir mal so: Der Wirtschaftsfaktor, der soziale Faktor, den die Amerikanerinnen und Amerikaner nach Rheinland-Pfalz bringen, ist schon auch etwas, was in Rheinland-Pfalz stark gesehen wird und viel weniger die sicherheitspolitischen Probleme, was nicht bedeutet, dass auch in der Region es sicherlich Unmut darüber gibt, wenn es zum Beispiel viel Fluglärm gibt oder auch Umweltverschmutzung. Das sind natürlich Probleme, die auch immer wieder mit den Amerikanern angesprochen werden.
"Rheinland-Pfalz ist konversionserprobt"
Sawicki: Zum Stichwort Wirtschaftsfaktor möchte ich auch noch mal kurz zurückkommen. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, hat schon mal vorsorglich Finanzhilfen – ich hatte es eingangs erwähnt – gefordert. Da wird auch der Vergleich gezogen zu Braunkohleregionen, die auch unterstützt werden aufgrund des Strukturwandels dort. Das Ganze vorausgesetzt, dass US-Truppen abgezogen werden. Ist das ein vermessener oder akzeptabler Vorschlag?
Sirakov: Da bin ich natürlich ein bisschen gefangen, weil ich aus der Region selber komme und diesen Vorschlag durchaus als angemessen sehe. Rheinland-Pfalz ist konversionserprobt. Das kann man schon so sagen, weil das aus verschiedenen Gründen oder verschiedenen Entwicklungen sich schon gezeigt hat.
Allerdings würde natürlich ein, sagen wir mal, signifikanter Abzug natürlich darin münden, dass das auch deutliche und spürbare wirtschaftliche Auswirkungen hat, insbesondere in Regionen, die ohnehin wirtschaftlich, sagen wir mal, nicht sonderlich stark sind, wo die Amerikaner als Wirtschaftskraft ein großer Faktor sind. Da würde ich schon sagen, dass solche Hilfen notwendig sind, zumal auch natürlich, könnte man jetzt aus rheinland-pfälzischer Sicht sagen, der Grund für die gesamte Diskussion ja nicht in Rheinland-Pfalz zu finden ist. Die Landesregierung hat jetzt nicht irgendwelche Schritte eingeleitet, die letztlich dazu führten, dass die Amerikaner sich dort nicht mehr wohl fühlen oder ihre Truppen nicht mehr stationieren wollen.
Sawicki: Letzte Frage, wir haben ungefähr 30 Sekunden. Rechnen Sie langfristig trotzdem, unabhängig davon, was da vielleicht heute in Washington präsentiert wird und erklärt wird, mit Veränderungen, auf die man sich einstellen muss in Rheinland-Pfalz und anderswo?
Sirakov: Insgesamt für Deutschland gesehen müssen wir uns auf Veränderungen einstellen. Das hat natürlich auch etwas mit der Entscheidung der Trump-Administration zu tun. Aber insgesamt natürlich auch mit strategischen Entscheidungen in Washington DC, die immer wieder anstanden und die immer wieder auch dazu führten, dass es Truppenverlegungen gab, aber auch Reduktionen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.